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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Frauen dieser Gattung konnten denn freilich auch in ihrem5. Abschnitt.
Kreise Novellen erzählen lassen wie die des Bandello, ohneDas Weib in
der Gesellschaft.

daß darunter die Geselligkeit Schaden litt. Der herrschende
Genius der letztern ist nicht die heutige Weiblichkeit, d. h.
der Respect vor gewissen Voraussetzungen, Ahnungen und
Mysterien, sondern das Bewußtsein der Energie, der Schön-
heit, und einer gefährlichen, schicksalsvollen Gegenwart.
Deßhalb geht neben den gemessensten Weltformen ein Etwas
einher, das unserm Jahrhundert wie Schamlosigkeit vor-
kömmt 1), während wir nur eben das Gegengewicht, näm-
lich die mächtige Persönlichkeit der dominirenden Frauen
des damaligen Italiens uns nicht mehr vorstellen können.

Daß alle Tractate und Dialoge zusammengenommen
keine entscheidende Aussage dieser Art enthalten, versteht
sich von selbst, so weitläufig auch über die Stellung und
die Fähigkeiten der Frauen und über die Liebe debattirt wird.

Was dieser Gesellschaft im Allgemeinen gefehlt zu haben
scheint, war der Flor junger Mädchen 2), welche man sehr
davon zurückhielt, auch wenn sie nicht im Kloster erzogen
wurden. Es ist schwer zu sagen, ob ihre Abwesenheit mehr
die größere Freiheit der Conversation oder ob umgekehrt
letztere jene veranlaßt hat.

1) Und es zu Zeiten auch ist. -- Wie sich die Damen bei solchen Er-
zählungen zu benehmen haben, lehrt der Cortigiano, L. III, fol. 107.
Daß schon die Damen, welche bei seinen Dialogen zugegen waren,
sich gelegentlich mußten zu benehmen wissen, zeigt z. B. die starke
Stelle L. II, Fol. 100. -- Was von dem Gegenstück des Corti-
giano, der Donna di palazzo gesagt wird, ist deßhalb nicht ent-
scheidend, weil diese Palastdame bei Weitem mehr Dienerin der
Fürstin ist als der Cortigiano Diener des Fürsten. -- Bei Ban-
dello I, Nov. 44, erzählt Bianca d'Este die schauerliche Liebesge-
schichte ihres eigenen Ahn's Niccolo von Ferrara und der Parisina.
2) Wie sehr die gereisten Italiener den freien Umgang mit den Mäd-
chen in England und den Niederlanden zu würdigen wußten, zeigt
Bandello II, Nov. 42 und IV, Nov. 27.

Frauen dieſer Gattung konnten denn freilich auch in ihrem5. Abſchnitt.
Kreiſe Novellen erzählen laſſen wie die des Bandello, ohneDas Weib in
der Geſellſchaft.

daß darunter die Geſelligkeit Schaden litt. Der herrſchende
Genius der letztern iſt nicht die heutige Weiblichkeit, d. h.
der Reſpect vor gewiſſen Vorausſetzungen, Ahnungen und
Myſterien, ſondern das Bewußtſein der Energie, der Schön-
heit, und einer gefährlichen, ſchickſalsvollen Gegenwart.
Deßhalb geht neben den gemeſſenſten Weltformen ein Etwas
einher, das unſerm Jahrhundert wie Schamloſigkeit vor-
kömmt 1), während wir nur eben das Gegengewicht, näm-
lich die mächtige Perſönlichkeit der dominirenden Frauen
des damaligen Italiens uns nicht mehr vorſtellen können.

Daß alle Tractate und Dialoge zuſammengenommen
keine entſcheidende Ausſage dieſer Art enthalten, verſteht
ſich von ſelbſt, ſo weitläufig auch über die Stellung und
die Fähigkeiten der Frauen und über die Liebe debattirt wird.

Was dieſer Geſellſchaft im Allgemeinen gefehlt zu haben
ſcheint, war der Flor junger Mädchen 2), welche man ſehr
davon zurückhielt, auch wenn ſie nicht im Kloſter erzogen
wurden. Es iſt ſchwer zu ſagen, ob ihre Abweſenheit mehr
die größere Freiheit der Converſation oder ob umgekehrt
letztere jene veranlaßt hat.

1) Und es zu Zeiten auch iſt. — Wie ſich die Damen bei ſolchen Er-
zählungen zu benehmen haben, lehrt der Cortigiano, L. III, fol. 107.
Daß ſchon die Damen, welche bei ſeinen Dialogen zugegen waren,
ſich gelegentlich mußten zu benehmen wiſſen, zeigt z. B. die ſtarke
Stelle L. II, Fol. 100. — Was von dem Gegenſtück des Corti-
giano, der Donna di palazzo geſagt wird, iſt deßhalb nicht ent-
ſcheidend, weil dieſe Palaſtdame bei Weitem mehr Dienerin der
Fürſtin iſt als der Cortigiano Diener des Fürſten. — Bei Ban-
dello I, Nov. 44, erzählt Bianca d'Eſte die ſchauerliche Liebesge-
ſchichte ihres eigenen Ahn's Niccolò von Ferrara und der Pariſina.
2) Wie ſehr die gereisten Italiener den freien Umgang mit den Mäd-
chen in England und den Niederlanden zu würdigen wußten, zeigt
Bandello II, Nov. 42 und IV, Nov. 27.
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[395/0405] Frauen dieſer Gattung konnten denn freilich auch in ihrem Kreiſe Novellen erzählen laſſen wie die des Bandello, ohne daß darunter die Geſelligkeit Schaden litt. Der herrſchende Genius der letztern iſt nicht die heutige Weiblichkeit, d. h. der Reſpect vor gewiſſen Vorausſetzungen, Ahnungen und Myſterien, ſondern das Bewußtſein der Energie, der Schön- heit, und einer gefährlichen, ſchickſalsvollen Gegenwart. Deßhalb geht neben den gemeſſenſten Weltformen ein Etwas einher, das unſerm Jahrhundert wie Schamloſigkeit vor- kömmt 1), während wir nur eben das Gegengewicht, näm- lich die mächtige Perſönlichkeit der dominirenden Frauen des damaligen Italiens uns nicht mehr vorſtellen können. 5. Abſchnitt. Das Weib in der Geſellſchaft. Daß alle Tractate und Dialoge zuſammengenommen keine entſcheidende Ausſage dieſer Art enthalten, verſteht ſich von ſelbſt, ſo weitläufig auch über die Stellung und die Fähigkeiten der Frauen und über die Liebe debattirt wird. Was dieſer Geſellſchaft im Allgemeinen gefehlt zu haben ſcheint, war der Flor junger Mädchen 2), welche man ſehr davon zurückhielt, auch wenn ſie nicht im Kloſter erzogen wurden. Es iſt ſchwer zu ſagen, ob ihre Abweſenheit mehr die größere Freiheit der Converſation oder ob umgekehrt letztere jene veranlaßt hat. 1) Und es zu Zeiten auch iſt. — Wie ſich die Damen bei ſolchen Er- zählungen zu benehmen haben, lehrt der Cortigiano, L. III, fol. 107. Daß ſchon die Damen, welche bei ſeinen Dialogen zugegen waren, ſich gelegentlich mußten zu benehmen wiſſen, zeigt z. B. die ſtarke Stelle L. II, Fol. 100. — Was von dem Gegenſtück des Corti- giano, der Donna di palazzo geſagt wird, iſt deßhalb nicht ent- ſcheidend, weil dieſe Palaſtdame bei Weitem mehr Dienerin der Fürſtin iſt als der Cortigiano Diener des Fürſten. — Bei Ban- dello I, Nov. 44, erzählt Bianca d'Eſte die ſchauerliche Liebesge- ſchichte ihres eigenen Ahn's Niccolò von Ferrara und der Pariſina. 2) Wie ſehr die gereisten Italiener den freien Umgang mit den Mäd- chen in England und den Niederlanden zu würdigen wußten, zeigt Bandello II, Nov. 42 und IV, Nov. 27.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/405>, abgerufen am 22.11.2024.