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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.Auch der Umgang mit Buhlerinnen nimmt bisweilen
Die Bildung der
Buhlerinnen.
einen scheinbaren Aufschwung, als wollte sich das Verhält-
niß der alten Athener zu ihren Hetären erneuern. Die be-
rühmte römische Courtisane Imperia war ein Weib von Geist
und Bildung und hatte bei einem gewissen Domenico Cam-
pana Sonette machen gelernt, trieb auch Musik 1). Die
schöne Isabella de Luna, von spanischer Herkunft, galt
wenigstens als amusant, war übrigens aus Gutherzigkeit
und einem entsetzlich frechen Lästermaul wunderlich zusam-
mengesetzt 2). In Mailand kannte Bandello die majestätische
Caterina di San Celso 3), welche herrlich spielte und sang
und Verse recitirte. U. s. w. Aus Allem geht hervor,
daß die berühmten und geistreichen Leute, welche diese Da-
men besuchten und zeitweise mit ihnen lebten, auch geistige
Ansprüche an sie stellten, und daß man den berühmtern
Buhlerinnen mit der größten Rücksicht begegnete; auch nach
Auflösung des Verhältnisses suchte man sich ihre gute Mei-
nung zu bewahren 4), weil die vergangene Leidenschaft doch
einen bedeutenden Eindruck für immer zurückgelassen hatte.
Im Ganzen kommt jedoch dieser Umgang in geistigem
Sinne nicht in Betracht neben der erlaubten, officiellen
Geselligkeit, und die Spuren, welche er in Poesie und
Literatur zurückläßt, sind vorherrschend scandalöser Art.
Ja man darf sich billig wundern, daß unter den 6800 Per-
sonen dieses Standes, welche man zu Rom im Jahr 1490 --

1) Paul. Jov. de rom. piscibus, cap. 5. -- Bandello, Parte III,
Nov.
42. -- Aretin, im Ragionamento del Zoppino p. 327 sagt
von einer Buhlerin: sie weiß auswendig den ganzen Petrarca und
Boccaccio und zahllose schöne lateinische Verse aus Virgil, Horaz,
Ovid und tausend andern Autoren.
2) Bandello II, 51. IV, 16.
3) Bandello IV, 8.
4) Ein sehr bezeichnendes Beispiel hievon bei Giraldi, Hecatommithi
VI, Nov.
7.

5. Abſchnitt.Auch der Umgang mit Buhlerinnen nimmt bisweilen
Die Bildung der
Buhlerinnen.
einen ſcheinbaren Aufſchwung, als wollte ſich das Verhält-
niß der alten Athener zu ihren Hetären erneuern. Die be-
rühmte römiſche Courtiſane Imperia war ein Weib von Geiſt
und Bildung und hatte bei einem gewiſſen Domenico Cam-
pana Sonette machen gelernt, trieb auch Muſik 1). Die
ſchöne Iſabella de Luna, von ſpaniſcher Herkunft, galt
wenigſtens als amuſant, war übrigens aus Gutherzigkeit
und einem entſetzlich frechen Läſtermaul wunderlich zuſam-
mengeſetzt 2). In Mailand kannte Bandello die majeſtätiſche
Caterina di San Celſo 3), welche herrlich ſpielte und ſang
und Verſe recitirte. U. ſ. w. Aus Allem geht hervor,
daß die berühmten und geiſtreichen Leute, welche dieſe Da-
men beſuchten und zeitweiſe mit ihnen lebten, auch geiſtige
Anſprüche an ſie ſtellten, und daß man den berühmtern
Buhlerinnen mit der größten Rückſicht begegnete; auch nach
Auflöſung des Verhältniſſes ſuchte man ſich ihre gute Mei-
nung zu bewahren 4), weil die vergangene Leidenſchaft doch
einen bedeutenden Eindruck für immer zurückgelaſſen hatte.
Im Ganzen kommt jedoch dieſer Umgang in geiſtigem
Sinne nicht in Betracht neben der erlaubten, officiellen
Geſelligkeit, und die Spuren, welche er in Poeſie und
Literatur zurückläßt, ſind vorherrſchend ſcandalöſer Art.
Ja man darf ſich billig wundern, daß unter den 6800 Per-
ſonen dieſes Standes, welche man zu Rom im Jahr 1490 —

1) Paul. Jov. de rom. piscibus, cap. 5. — Bandello, Parte III,
Nov.
42. — Aretin, im Ragionamento del Zoppino p. 327 ſagt
von einer Buhlerin: ſie weiß auswendig den ganzen Petrarca und
Boccaccio und zahlloſe ſchöne lateiniſche Verſe aus Virgil, Horaz,
Ovid und tauſend andern Autoren.
2) Bandello II, 51. IV, 16.
3) Bandello IV, 8.
4) Ein ſehr bezeichnendes Beiſpiel hievon bei Giraldi, Hecatommithi
VI, Nov.
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[396/0406] Auch der Umgang mit Buhlerinnen nimmt bisweilen einen ſcheinbaren Aufſchwung, als wollte ſich das Verhält- niß der alten Athener zu ihren Hetären erneuern. Die be- rühmte römiſche Courtiſane Imperia war ein Weib von Geiſt und Bildung und hatte bei einem gewiſſen Domenico Cam- pana Sonette machen gelernt, trieb auch Muſik 1). Die ſchöne Iſabella de Luna, von ſpaniſcher Herkunft, galt wenigſtens als amuſant, war übrigens aus Gutherzigkeit und einem entſetzlich frechen Läſtermaul wunderlich zuſam- mengeſetzt 2). In Mailand kannte Bandello die majeſtätiſche Caterina di San Celſo 3), welche herrlich ſpielte und ſang und Verſe recitirte. U. ſ. w. Aus Allem geht hervor, daß die berühmten und geiſtreichen Leute, welche dieſe Da- men beſuchten und zeitweiſe mit ihnen lebten, auch geiſtige Anſprüche an ſie ſtellten, und daß man den berühmtern Buhlerinnen mit der größten Rückſicht begegnete; auch nach Auflöſung des Verhältniſſes ſuchte man ſich ihre gute Mei- nung zu bewahren 4), weil die vergangene Leidenſchaft doch einen bedeutenden Eindruck für immer zurückgelaſſen hatte. Im Ganzen kommt jedoch dieſer Umgang in geiſtigem Sinne nicht in Betracht neben der erlaubten, officiellen Geſelligkeit, und die Spuren, welche er in Poeſie und Literatur zurückläßt, ſind vorherrſchend ſcandalöſer Art. Ja man darf ſich billig wundern, daß unter den 6800 Per- ſonen dieſes Standes, welche man zu Rom im Jahr 1490 — 5. Abſchnitt. Die Bildung der Buhlerinnen. 1) Paul. Jov. de rom. piscibus, cap. 5. — Bandello, Parte III, Nov. 42. — Aretin, im Ragionamento del Zoppino p. 327 ſagt von einer Buhlerin: ſie weiß auswendig den ganzen Petrarca und Boccaccio und zahlloſe ſchöne lateiniſche Verſe aus Virgil, Horaz, Ovid und tauſend andern Autoren. 2) Bandello II, 51. IV, 16. 3) Bandello IV, 8. 4) Ein ſehr bezeichnendes Beiſpiel hievon bei Giraldi, Hecatommithi VI, Nov. 7.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/406>, abgerufen am 20.04.2024.