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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.eher billigen als verwerfen, indem die Reinlichkeit mit zur
Vollendung der modernen Persönlichkeit gehört, diese aber
bei den Italienern am frühsten durchgebildet ist; auch daß
sie eine der reichsten Nationen der damaligen Welt waren,
spräche eher dafür als dagegen. Ein Beweis wird sich
jedoch natürlich niemals leisten lassen, und wenn es sich
um die Priorität von Reinlichkeitsvorschriften handelt, so
möchte die Ritterpoesie des Mittelalters deren ältere auf-
weisen können. Immerhin ist soviel gewiß, daß bei einigen
ausgezeichneten Vertretern der Renaissance die ausgezeichnete
Sauberkeit ihres ganzen Wesens, zumal bei Tische, mit
Nachdruck hervorgehoben wird 1) und daß als Inbegriff
alles Schmutzes in Italien der Deutsche gilt 2). Was
Massimiliano Sforza von seiner deutschen Erziehung für
unreinliche Gewohnheiten mitbrachte und wie sehr dieselben
auffielen, erfahren wir aus Giovio 3). Es ist dabei auf-
fallend, daß man wenigstens im XV. Jahrhundert die
Gastwirthschaft wesentlich in den Händen der Deutschen
ließ 4), welche sich wohl hauptsächlich um der Rompilger
willen diesem Geschäfte widmeten. Doch könnte in der be-
treffenden Aussage vorzugsweise nur das offene Land ge-
meint sein, da in den größern Städten notorisch italienische
Wirthschaften den ersten Rang behaupteten 5). Der Mangel

1) Vespasiano Fiorent. p. 458 im Leben des Donato Acciajuoli, und
p. 625 im Leben des Niccoli.
2) Giraldi, Hecatommithi, Introduz., Nov. 6.
3) Paul. Jov. Elogia.
4) Aeneas Sylvius (Vitae Paparum, ap. Murat. III, II, Col. 880)
sagt bei Anlaß von Baccano: pauca sunt mapalia, eaque ho-
spitia faciunt Theutonici; hoc hominum genus totam fere
Italiam hospitalem facit; ubi non repereris hos, neque diver-
sorium quaeras.
5) Franco Sacchetti, Nov. 21. -- Padua rühmte sich um 1450
eines sehr großen palastähnlichen Gasthofes zum Ochsen, welcher
Ställe für 200 Pferde hatte. Michele Savonar. ap. Murat. XXIV,

5. Abſchnitt.eher billigen als verwerfen, indem die Reinlichkeit mit zur
Vollendung der modernen Perſönlichkeit gehört, dieſe aber
bei den Italienern am frühſten durchgebildet iſt; auch daß
ſie eine der reichſten Nationen der damaligen Welt waren,
ſpräche eher dafür als dagegen. Ein Beweis wird ſich
jedoch natürlich niemals leiſten laſſen, und wenn es ſich
um die Priorität von Reinlichkeitsvorſchriften handelt, ſo
möchte die Ritterpoeſie des Mittelalters deren ältere auf-
weiſen können. Immerhin iſt ſoviel gewiß, daß bei einigen
ausgezeichneten Vertretern der Renaiſſance die ausgezeichnete
Sauberkeit ihres ganzen Weſens, zumal bei Tiſche, mit
Nachdruck hervorgehoben wird 1) und daß als Inbegriff
alles Schmutzes in Italien der Deutſche gilt 2). Was
Maſſimiliano Sforza von ſeiner deutſchen Erziehung für
unreinliche Gewohnheiten mitbrachte und wie ſehr dieſelben
auffielen, erfahren wir aus Giovio 3). Es iſt dabei auf-
fallend, daß man wenigſtens im XV. Jahrhundert die
Gaſtwirthſchaft weſentlich in den Händen der Deutſchen
ließ 4), welche ſich wohl hauptſächlich um der Rompilger
willen dieſem Geſchäfte widmeten. Doch könnte in der be-
treffenden Ausſage vorzugsweiſe nur das offene Land ge-
meint ſein, da in den größern Städten notoriſch italieniſche
Wirthſchaften den erſten Rang behaupteten 5). Der Mangel

1) Vespasiano Fiorent. p. 458 im Leben des Donato Acciajuoli, und
p. 625 im Leben des Niccoli.
2) Giraldi, Hecatommithi, Introduz., Nov. 6.
3) Paul. Jov. Elogia.
4) Aeneas Sylvius (Vitæ Paparum, ap. Murat. III, II, Col. 880)
ſagt bei Anlaß von Baccano: pauca sunt mapalia, eaque ho-
spitia faciunt Theutonici; hoc hominum genus totam fere
Italiam hospitalem facit; ubi non repereris hos, neque diver-
sorium quæras.
5) Franco Sacchetti, Nov. 21. — Padua rühmte ſich um 1450
eines ſehr großen palaſtähnlichen Gaſthofes zum Ochſen, welcher
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[370/0380] eher billigen als verwerfen, indem die Reinlichkeit mit zur Vollendung der modernen Perſönlichkeit gehört, dieſe aber bei den Italienern am frühſten durchgebildet iſt; auch daß ſie eine der reichſten Nationen der damaligen Welt waren, ſpräche eher dafür als dagegen. Ein Beweis wird ſich jedoch natürlich niemals leiſten laſſen, und wenn es ſich um die Priorität von Reinlichkeitsvorſchriften handelt, ſo möchte die Ritterpoeſie des Mittelalters deren ältere auf- weiſen können. Immerhin iſt ſoviel gewiß, daß bei einigen ausgezeichneten Vertretern der Renaiſſance die ausgezeichnete Sauberkeit ihres ganzen Weſens, zumal bei Tiſche, mit Nachdruck hervorgehoben wird 1) und daß als Inbegriff alles Schmutzes in Italien der Deutſche gilt 2). Was Maſſimiliano Sforza von ſeiner deutſchen Erziehung für unreinliche Gewohnheiten mitbrachte und wie ſehr dieſelben auffielen, erfahren wir aus Giovio 3). Es iſt dabei auf- fallend, daß man wenigſtens im XV. Jahrhundert die Gaſtwirthſchaft weſentlich in den Händen der Deutſchen ließ 4), welche ſich wohl hauptſächlich um der Rompilger willen dieſem Geſchäfte widmeten. Doch könnte in der be- treffenden Ausſage vorzugsweiſe nur das offene Land ge- meint ſein, da in den größern Städten notoriſch italieniſche Wirthſchaften den erſten Rang behaupteten 5). Der Mangel 5. Abſchnitt. 1) Vespasiano Fiorent. p. 458 im Leben des Donato Acciajuoli, und p. 625 im Leben des Niccoli. 2) Giraldi, Hecatommithi, Introduz., Nov. 6. 3) Paul. Jov. Elogia. 4) Aeneas Sylvius (Vitæ Paparum, ap. Murat. III, II, Col. 880) ſagt bei Anlaß von Baccano: pauca sunt mapalia, eaque ho- spitia faciunt Theutonici; hoc hominum genus totam fere Italiam hospitalem facit; ubi non repereris hos, neque diver- sorium quæras. 5) Franco Sacchetti, Nov. 21. — Padua rühmte ſich um 1450 eines ſehr großen palaſtähnlichen Gaſthofes zum Ochſen, welcher Ställe für 200 Pferde hatte. Michele Savonar. ap. Murat. XXIV,

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/380>, abgerufen am 29.03.2024.