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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.und wollte nur noch im Harnisch abgemalt sein. Auch am
Hofe Alexanders VI. kamen Turniere vor. Als Cardinal
Ascanio Sforza den Türkenprinzen Dschem (S. 110, 118)
fragte, wie ihn dieß Schauspiel gefalle, antwortete derselbe
sehr weise: in seiner Heimath lasse man dergleichen durch
Sklaven aufführen, um welche es, wenn sie fielen, nicht
Schade sei. Der Orientale stimmt hier unbewußt mit den
alten Römern zusammen, gegenüber der Sitte des Mittel-
alters.

Abgesehen von diesem nicht unwesentlichen Anhalt der
Ritterwürde gab es auch bereits, z. B. in Ferrara (S. 53)
wahre Hoforden, welche den Titel Cavaliere mit sich führten.

Der
Cortigiano.
Welches aber auch im Einzelnen die Ansprüche und
die Eitelkeiten der Adlichen und der Cavaliere sein mochten,
immerhin nahm der italienische Adel seine Stellung in der
Mitte des Lebens und nicht an einem äußern Rande des-
selben. Jeden Augenblick verkehrt er mit allen Ständen
auf dem Fuße der Gleichheit, und das Talent und die
Bildung sind seine Hausgenossen. Allerdings wird für den
eigentlichen Cortigiano des Fürsten der Adel einbedungen 1),
allein zugestandener Maßen hauptsächlich um des Vorur-
theils der Leute willen (per l'oppenion universale) und
unter ausdrücklicher Verwahrung gegen den Wahn, als
könnte der Nichtadliche nicht denselben innern Werth haben.
Der sonstige Aufenthalt von Nichtadlichen in der Nähe des
Fürsten ist damit vollends nicht ausgeschlossen; es handelt
sich nur darum, daß dem vollkommenen Menschen, dem
Cortigiano, kein irgend denkbarer Vorzug fehle. Wenn
ihm dann eine gewisse Zurückhaltung in allen Dingen zum
Gesetze gemacht wird, so geschieht dieß nicht, weil er von
edlerm Geblüte stammt, sondern weil seine zarte individuelle
Vollendung es so verlangt. Es handelt sich um eine

1) Bald. Castiglione, il Cortigiano, L. I, fol. 18.

5. Abſchnitt.und wollte nur noch im Harniſch abgemalt ſein. Auch am
Hofe Alexanders VI. kamen Turniere vor. Als Cardinal
Ascanio Sforza den Türkenprinzen Dſchem (S. 110, 118)
fragte, wie ihn dieß Schauſpiel gefalle, antwortete derſelbe
ſehr weiſe: in ſeiner Heimath laſſe man dergleichen durch
Sklaven aufführen, um welche es, wenn ſie fielen, nicht
Schade ſei. Der Orientale ſtimmt hier unbewußt mit den
alten Römern zuſammen, gegenüber der Sitte des Mittel-
alters.

Abgeſehen von dieſem nicht unweſentlichen Anhalt der
Ritterwürde gab es auch bereits, z. B. in Ferrara (S. 53)
wahre Hoforden, welche den Titel Cavaliere mit ſich führten.

Der
Cortigiano.
Welches aber auch im Einzelnen die Anſprüche und
die Eitelkeiten der Adlichen und der Cavaliere ſein mochten,
immerhin nahm der italieniſche Adel ſeine Stellung in der
Mitte des Lebens und nicht an einem äußern Rande des-
ſelben. Jeden Augenblick verkehrt er mit allen Ständen
auf dem Fuße der Gleichheit, und das Talent und die
Bildung ſind ſeine Hausgenoſſen. Allerdings wird für den
eigentlichen Cortigiano des Fürſten der Adel einbedungen 1),
allein zugeſtandener Maßen hauptſächlich um des Vorur-
theils der Leute willen (per l'oppenion universale) und
unter ausdrücklicher Verwahrung gegen den Wahn, als
könnte der Nichtadliche nicht denſelben innern Werth haben.
Der ſonſtige Aufenthalt von Nichtadlichen in der Nähe des
Fürſten iſt damit vollends nicht ausgeſchloſſen; es handelt
ſich nur darum, daß dem vollkommenen Menſchen, dem
Cortigiano, kein irgend denkbarer Vorzug fehle. Wenn
ihm dann eine gewiſſe Zurückhaltung in allen Dingen zum
Geſetze gemacht wird, ſo geſchieht dieß nicht, weil er von
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1) Bald. Castiglione, il Cortigiano, L. I, fol. 18.
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[364/0374] und wollte nur noch im Harniſch abgemalt ſein. Auch am Hofe Alexanders VI. kamen Turniere vor. Als Cardinal Ascanio Sforza den Türkenprinzen Dſchem (S. 110, 118) fragte, wie ihn dieß Schauſpiel gefalle, antwortete derſelbe ſehr weiſe: in ſeiner Heimath laſſe man dergleichen durch Sklaven aufführen, um welche es, wenn ſie fielen, nicht Schade ſei. Der Orientale ſtimmt hier unbewußt mit den alten Römern zuſammen, gegenüber der Sitte des Mittel- alters. 5. Abſchnitt. Abgeſehen von dieſem nicht unweſentlichen Anhalt der Ritterwürde gab es auch bereits, z. B. in Ferrara (S. 53) wahre Hoforden, welche den Titel Cavaliere mit ſich führten. Welches aber auch im Einzelnen die Anſprüche und die Eitelkeiten der Adlichen und der Cavaliere ſein mochten, immerhin nahm der italieniſche Adel ſeine Stellung in der Mitte des Lebens und nicht an einem äußern Rande des- ſelben. Jeden Augenblick verkehrt er mit allen Ständen auf dem Fuße der Gleichheit, und das Talent und die Bildung ſind ſeine Hausgenoſſen. Allerdings wird für den eigentlichen Cortigiano des Fürſten der Adel einbedungen 1), allein zugeſtandener Maßen hauptſächlich um des Vorur- theils der Leute willen (per l'oppenion universale) und unter ausdrücklicher Verwahrung gegen den Wahn, als könnte der Nichtadliche nicht denſelben innern Werth haben. Der ſonſtige Aufenthalt von Nichtadlichen in der Nähe des Fürſten iſt damit vollends nicht ausgeſchloſſen; es handelt ſich nur darum, daß dem vollkommenen Menſchen, dem Cortigiano, kein irgend denkbarer Vorzug fehle. Wenn ihm dann eine gewiſſe Zurückhaltung in allen Dingen zum Geſetze gemacht wird, ſo geſchieht dieß nicht, weil er von edlerm Geblüte ſtammt, ſondern weil ſeine zarte individuelle Vollendung es ſo verlangt. Es handelt ſich um eine Der Cortigiano. 1) Bald. Castiglione, il Cortigiano, L. I, fol. 18.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/374>, abgerufen am 25.04.2024.