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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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unter den Schwanz gebunden wird; das Thier nimmt den5. Abschnitt.
Reißaus und jagt mit dem behelmten Ritter in die Stadt
zurück. Der unvermeidliche Schluß der Geschichte ist die
Gardinenpredigt der über solche halsbrechende Streiche em-
pörten Gattinn 1).

Endlich nehmen die ersten Medici sich des Turnier-
wesens mit einer wahren Leidenschaft an, als wollten sie,
die unadlichen Privatleute, gerade hierin zeigen, daß ihr
geselliger Kreis jedem Hofe gleich stehe 2). Schon unter
Cosimo (1459), dann unter Pietro dem ältern fanden weit-
berühmte große Turniere in Florenz statt; Pietro der jüngere
ließ über solchen Bestrebungen sogar das Regieren liegen

1) Immerhin eine der frühsten Parodien des Turnierwesens. Es dauerte
dann wohl noch 60 Jahre, bis Jacques Coeur, der bürgerliche Finanz-
minister Carls VII, an seinem Palast zu Bourges ein Eselturnier
ausmeißeln ließ (um 1450). Das Glänzendste in dieser Art, der
ebencitirte zweite Gesang des Orlandino, ist erst im Jahre 1526
herausgegeben.
2) Vgl. die schon genannten Gedichte des Poliziano und Luca Pulci.
Ferner Paul. Jov. Vita Leonis X, L. I. -- Macchiav. Storie
fiorent. L. VII. -- Paul. Jov. Elogia,
bei Anlaß des Petrus
Medices
und des Franc. Borbonius. -- Vasari IX, 219, v. di
Granacci.
-- Im Morgante des Pulci, welcher unter Lorenzo's
Augen gedichtet wurde, sind die Ritter oft komisch in ihrem Reden
und Thun, aber ihre Hiebe sind echt und kunstgerecht. Auch Bo-
jardo dichtet für genaue Kenner des Turniers und des Krieges.
Vgl. S. 322 -- Turniere in Ferrara 1464, Diario Ferrar. Mura-
tori XXIV. Col. 208.
-- in Venedig, Sansovino, Venezia,
fol. 153, s.
-- in Bologna 1470, seqq., Bursellis Annal. Bonon.,
Murat. XXIII. Col. 898, 903, 906, 908, 909,
wobei eine wun-
derliche Vermischung mit dem Pathes zu bemerken ist, welches sich
damals an die Aufführung römischer Triumphe knüpfte. -- Federigo
von Urbino (S. 44) verlor bei einem Turnier das rechte Auge
ab ictu lanceae. -- Ueber das damalige nordische Turnierwesen
ist statt aller andern Autoren zu vergleichen: Olivier de la Marche,
memoires, passim,
bes. Cap. 8, 9, 14, 16, 18, 19, 21 u. s. w.

unter den Schwanz gebunden wird; das Thier nimmt den5. Abſchnitt.
Reißaus und jagt mit dem behelmten Ritter in die Stadt
zurück. Der unvermeidliche Schluß der Geſchichte iſt die
Gardinenpredigt der über ſolche halsbrechende Streiche em-
pörten Gattinn 1).

Endlich nehmen die erſten Medici ſich des Turnier-
weſens mit einer wahren Leidenſchaft an, als wollten ſie,
die unadlichen Privatleute, gerade hierin zeigen, daß ihr
geſelliger Kreis jedem Hofe gleich ſtehe 2). Schon unter
Coſimo (1459), dann unter Pietro dem ältern fanden weit-
berühmte große Turniere in Florenz ſtatt; Pietro der jüngere
ließ über ſolchen Beſtrebungen ſogar das Regieren liegen

1) Immerhin eine der frühſten Parodien des Turnierweſens. Es dauerte
dann wohl noch 60 Jahre, bis Jacques Coeur, der bürgerliche Finanz-
miniſter Carls VII, an ſeinem Palaſt zu Bourges ein Eſelturnier
ausmeißeln ließ (um 1450). Das Glänzendſte in dieſer Art, der
ebencitirte zweite Geſang des Orlandino, iſt erſt im Jahre 1526
herausgegeben.
2) Vgl. die ſchon genannten Gedichte des Poliziano und Luca Pulci.
Ferner Paul. Jov. Vita Leonis X, L. I. — Macchiav. Storie
fiorent. L. VII. — Paul. Jov. Elogia,
bei Anlaß des Petrus
Medices
und des Franc. Borbonius. — Vasari IX, 219, v. di
Granacci.
— Im Morgante des Pulci, welcher unter Lorenzo's
Augen gedichtet wurde, ſind die Ritter oft komiſch in ihrem Reden
und Thun, aber ihre Hiebe ſind echt und kunſtgerecht. Auch Bo-
jardo dichtet für genaue Kenner des Turniers und des Krieges.
Vgl. S. 322 — Turniere in Ferrara 1464, Diario Ferrar. Mura-
tori XXIV. Col. 208.
— in Venedig, Sansovino, Venezia,
fol. 153, s.
— in Bologna 1470, seqq., Bursellis Annal. Bonon.,
Murat. XXIII. Col. 898, 903, 906, 908, 909,
wobei eine wun-
derliche Vermiſchung mit dem Pathes zu bemerken iſt, welches ſich
damals an die Aufführung römiſcher Triumphe knüpfte. — Federigo
von Urbino (S. 44) verlor bei einem Turnier das rechte Auge
ab ictu lanceæ. — Ueber das damalige nordiſche Turnierweſen
iſt ſtatt aller andern Autoren zu vergleichen: Olivier de la Marche,
mémoires, passim,
beſ. Cap. 8, 9, 14, 16, 18, 19, 21 u. ſ. w.
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[363/0373] unter den Schwanz gebunden wird; das Thier nimmt den Reißaus und jagt mit dem behelmten Ritter in die Stadt zurück. Der unvermeidliche Schluß der Geſchichte iſt die Gardinenpredigt der über ſolche halsbrechende Streiche em- pörten Gattinn 1). 5. Abſchnitt. Endlich nehmen die erſten Medici ſich des Turnier- weſens mit einer wahren Leidenſchaft an, als wollten ſie, die unadlichen Privatleute, gerade hierin zeigen, daß ihr geſelliger Kreis jedem Hofe gleich ſtehe 2). Schon unter Coſimo (1459), dann unter Pietro dem ältern fanden weit- berühmte große Turniere in Florenz ſtatt; Pietro der jüngere ließ über ſolchen Beſtrebungen ſogar das Regieren liegen 1) Immerhin eine der frühſten Parodien des Turnierweſens. Es dauerte dann wohl noch 60 Jahre, bis Jacques Coeur, der bürgerliche Finanz- miniſter Carls VII, an ſeinem Palaſt zu Bourges ein Eſelturnier ausmeißeln ließ (um 1450). Das Glänzendſte in dieſer Art, der ebencitirte zweite Geſang des Orlandino, iſt erſt im Jahre 1526 herausgegeben. 2) Vgl. die ſchon genannten Gedichte des Poliziano und Luca Pulci. Ferner Paul. Jov. Vita Leonis X, L. I. — Macchiav. Storie fiorent. L. VII. — Paul. Jov. Elogia, bei Anlaß des Petrus Medices und des Franc. Borbonius. — Vasari IX, 219, v. di Granacci. — Im Morgante des Pulci, welcher unter Lorenzo's Augen gedichtet wurde, ſind die Ritter oft komiſch in ihrem Reden und Thun, aber ihre Hiebe ſind echt und kunſtgerecht. Auch Bo- jardo dichtet für genaue Kenner des Turniers und des Krieges. Vgl. S. 322 — Turniere in Ferrara 1464, Diario Ferrar. Mura- tori XXIV. Col. 208. — in Venedig, Sansovino, Venezia, fol. 153, s. — in Bologna 1470, seqq., Bursellis Annal. Bonon., Murat. XXIII. Col. 898, 903, 906, 908, 909, wobei eine wun- derliche Vermiſchung mit dem Pathes zu bemerken iſt, welches ſich damals an die Aufführung römiſcher Triumphe knüpfte. — Federigo von Urbino (S. 44) verlor bei einem Turnier das rechte Auge ab ictu lanceæ. — Ueber das damalige nordiſche Turnierweſen iſt ſtatt aller andern Autoren zu vergleichen: Olivier de la Marche, mémoires, passim, beſ. Cap. 8, 9, 14, 16, 18, 19, 21 u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/373>, abgerufen am 16.04.2024.