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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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des Adels bejahen oder verneinen. Dante z. B. leitet noch 1)5. Abschnitt.
aus der einen aristotelischen Definition "Adel beruhe auf
Trefflichkeit und ererbtem Reichthum" seinen Satz her:
Adel beruhe auf eigener Trefflichkeit oder auf der der Vor-
fahren. Aber an andern Stellen giebt er sich damit nicht
mehr zufrieden; er tadelt sich 2), weil er selbst im Paradies,
im Gespräch mit seinem Ahn Cacciaguida, der edlen Her-
kunft gedacht habe, welche doch nur ein Mantel sei, von
dem die Zeit beständig abschneide, wenn man nicht täglich
neuen Werth hinzusetze. Und im Convito 3) löst er den
Begriff nobile und nobilta fast gänzlich von jeder Bedin-
gung der Geburt ab und identificirt ihn mit der Anlage
zu jedem sittlichen und intellectuellen Vorrang; ein beson-
derer Accent wird dabei auf die höhere Bildung gelegt,
indem die nobilta die Schwester der filosofia sein soll.

Je consequenter hierauf der Humanismus sich die An-Negation des
Adels.

schauungsweise der Italiener dienstbar machte, desto fester
überzeugte man sich auch, daß die Abstammung über den
Werth des Menschen nicht entscheide. Im XV. Jahr-
hundert war dieß schon die herrschende Theorie. Poggio
in seinem Gespräch "vom Adel" 4) ist mit seinen Interlo-
cutoren -- Niccolo Niccoli und Lorenzo Medici, Bruder des
großen Cosimo -- schon darüber einverstanden, daß es
keine andere Nobilität mehr gebe als die des persönlichen
Verdienstes. Mit den schärfsten Wendungen wird Manches
von dem persifflirt, was nach dem gewöhnlichen Vorurtheil
zum adlichen Leben gehört. "Vom wahren Adel sei Einer
"nur um so viel weiter entfernt, je länger seine Vorfahren
"kühne Missethäter gewesen. Der Eifer für Vogelbeize und
"Jagd rieche nicht stärker nach Adel als die Nester der be-
"treffenden Thiere nach Balsam. Landbau, wie ihn die

1) Dante, de monarchia L. II, cap. 3.
2) Paradiso XVI, Anfang.
3) Dante, Convito, fast der ganze Trattato IV. u m. a. Stellen.
4) Poggii opera, Dial. de nobilitate.

des Adels bejahen oder verneinen. Dante z. B. leitet noch 1)5. Abſchnitt.
aus der einen ariſtoteliſchen Definition „Adel beruhe auf
Trefflichkeit und ererbtem Reichthum“ ſeinen Satz her:
Adel beruhe auf eigener Trefflichkeit oder auf der der Vor-
fahren. Aber an andern Stellen giebt er ſich damit nicht
mehr zufrieden; er tadelt ſich 2), weil er ſelbſt im Paradies,
im Geſpräch mit ſeinem Ahn Cacciaguida, der edlen Her-
kunft gedacht habe, welche doch nur ein Mantel ſei, von
dem die Zeit beſtändig abſchneide, wenn man nicht täglich
neuen Werth hinzuſetze. Und im Convito 3) löst er den
Begriff nobile und nobiltà faſt gänzlich von jeder Bedin-
gung der Geburt ab und identificirt ihn mit der Anlage
zu jedem ſittlichen und intellectuellen Vorrang; ein beſon-
derer Accent wird dabei auf die höhere Bildung gelegt,
indem die nobiltà die Schweſter der filosofia ſein ſoll.

Je conſequenter hierauf der Humanismus ſich die An-Negation des
Adels.

ſchauungsweiſe der Italiener dienſtbar machte, deſto feſter
überzeugte man ſich auch, daß die Abſtammung über den
Werth des Menſchen nicht entſcheide. Im XV. Jahr-
hundert war dieß ſchon die herrſchende Theorie. Poggio
in ſeinem Geſpräch „vom Adel“ 4) iſt mit ſeinen Interlo-
cutoren — Niccolò Niccoli und Lorenzo Medici, Bruder des
großen Coſimo — ſchon darüber einverſtanden, daß es
keine andere Nobilität mehr gebe als die des perſönlichen
Verdienſtes. Mit den ſchärfſten Wendungen wird Manches
von dem perſifflirt, was nach dem gewöhnlichen Vorurtheil
zum adlichen Leben gehört. „Vom wahren Adel ſei Einer
„nur um ſo viel weiter entfernt, je länger ſeine Vorfahren
„kühne Miſſethäter geweſen. Der Eifer für Vogelbeize und
„Jagd rieche nicht ſtärker nach Adel als die Neſter der be-
„treffenden Thiere nach Balſam. Landbau, wie ihn die

1) Dante, de monarchia L. II, cap. 3.
2) Paradiso XVI, Anfang.
3) Dante, Convito, faſt der ganze Trattato IV. u m. a. Stellen.
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[357/0367] des Adels bejahen oder verneinen. Dante z. B. leitet noch 1) aus der einen ariſtoteliſchen Definition „Adel beruhe auf Trefflichkeit und ererbtem Reichthum“ ſeinen Satz her: Adel beruhe auf eigener Trefflichkeit oder auf der der Vor- fahren. Aber an andern Stellen giebt er ſich damit nicht mehr zufrieden; er tadelt ſich 2), weil er ſelbſt im Paradies, im Geſpräch mit ſeinem Ahn Cacciaguida, der edlen Her- kunft gedacht habe, welche doch nur ein Mantel ſei, von dem die Zeit beſtändig abſchneide, wenn man nicht täglich neuen Werth hinzuſetze. Und im Convito 3) löst er den Begriff nobile und nobiltà faſt gänzlich von jeder Bedin- gung der Geburt ab und identificirt ihn mit der Anlage zu jedem ſittlichen und intellectuellen Vorrang; ein beſon- derer Accent wird dabei auf die höhere Bildung gelegt, indem die nobiltà die Schweſter der filosofia ſein ſoll. 5. Abſchnitt. Je conſequenter hierauf der Humanismus ſich die An- ſchauungsweiſe der Italiener dienſtbar machte, deſto feſter überzeugte man ſich auch, daß die Abſtammung über den Werth des Menſchen nicht entſcheide. Im XV. Jahr- hundert war dieß ſchon die herrſchende Theorie. Poggio in ſeinem Geſpräch „vom Adel“ 4) iſt mit ſeinen Interlo- cutoren — Niccolò Niccoli und Lorenzo Medici, Bruder des großen Coſimo — ſchon darüber einverſtanden, daß es keine andere Nobilität mehr gebe als die des perſönlichen Verdienſtes. Mit den ſchärfſten Wendungen wird Manches von dem perſifflirt, was nach dem gewöhnlichen Vorurtheil zum adlichen Leben gehört. „Vom wahren Adel ſei Einer „nur um ſo viel weiter entfernt, je länger ſeine Vorfahren „kühne Miſſethäter geweſen. Der Eifer für Vogelbeize und „Jagd rieche nicht ſtärker nach Adel als die Neſter der be- „treffenden Thiere nach Balſam. Landbau, wie ihn die Negation des Adels. 1) Dante, de monarchia L. II, cap. 3. 2) Paradiso XVI, Anfang. 3) Dante, Convito, faſt der ganze Trattato IV. u m. a. Stellen. 4) Poggii opera, Dial. de nobilitate.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/367>, abgerufen am 24.11.2024.