Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.4. Abschnitt.jedoch das Hirtenwesen nur ein äußerlich übergeworfenes Daneben aber tritt gegen das Ende des XV. Jahr- 1) Boccaccio giebt in seinem Ameto schon eine Art von mythisch ver- kleidetem Decamerone und fällt bisweilen auf komische Weise aus dem Costüm. Eine seiner Nymphen ist gut katholisch und wird in Rom von den Prälaten lüstern angesehen; eine andere heirathet. Im Ninfale Fiesolano zieht die schwangere Nymphe Mensola eine "alte, weise Nymphe" zu Rathe, u. dgl. 2) Nullum est hominum genus aptius urbi, sagt Battista Manto- vano (Ecl. VIII) von den zu allen Dingen brauchbaren Bewohnern des Monte Baldo und der Val Sassina[.] Bekanntlich haben ein- zelne Landbevölkerungen noch heute ein Vorrecht auf gewisse Be- schäftigungen in großen Städten. 3) Vielleicht eine der stärksten Stellen: Orlandino, cap. V, str. 54--58.
4. Abſchnitt.jedoch das Hirtenweſen nur ein äußerlich übergeworfenes Daneben aber tritt gegen das Ende des XV. Jahr- 1) Boccaccio giebt in ſeinem Ameto ſchon eine Art von mythiſch ver- kleidetem Decamerone und fällt bisweilen auf komiſche Weiſe aus dem Coſtüm. Eine ſeiner Nymphen iſt gut katholiſch und wird in Rom von den Prälaten lüſtern angeſehen; eine andere heirathet. Im Ninfale Fieſolano zieht die ſchwangere Nymphe Menſola eine „alte, weiſe Nymphe“ zu Rathe, u. dgl. 2) Nullum est hominum genus aptius urbi, ſagt Battiſta Manto- vano (Ecl. VIII) von den zu allen Dingen brauchbaren Bewohnern des Monte Baldo und der Val Saſſina[.] Bekanntlich haben ein- zelne Landbevölkerungen noch heute ein Vorrecht auf gewiſſe Be- ſchäftigungen in großen Städten. 3) Vielleicht eine der ſtärkſten Stellen: Orlandino, cap. V, str. 54—58.
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jedoch das Hirtenweſen nur ein äußerlich übergeworfenes
ideales Coſtüm für Empfindungen iſt, die einem ganz
andern Bildungskreis entſtammen 1).
4. Abſchnitt.
Daneben aber tritt gegen das Ende des XV. Jahr-
hunderts jene echt genrehafte Behandlung des ländlichen
Daſeins in die Dichtung ein. Sie war nur in Italien
möglich, weil nur hier der Bauer (ſowohl der Colone als
der Eigenthümer) Menſchenwürde und perſönliche Freiheit
und Freizügigkeit hatte, ſo hart bisweilen auch ſein Loos
ſein mochte. Der Unterſchied zwiſchen Stadt und Dorf iſt
bei weitem nicht ſo ausgeſprochen wie im Norden; eine
Menge Städtchen ſind ausſchließlich von Bauern bewohnt,
die ſich des Abends Städter nennen können. Die Wan-
derungen der comaskiſchen Maurer gingen faſt durch ganz
Italien; das Kind Giotto durfte von ſeinen Schafen hin-
weg und konnte in Florenz zünftig werden; überhaupt war
ein beſtändiger Zuſtrom vom Lande nach den Städten und
gewiſſe Bergbevölkerungen ſchienen dafür eigentlich geboren 2).
Nun ſorgen zwar Bildungshochmuth und ſtädtiſcher Dünkel
noch immer dafür, daß Dichter und Novelliſten ſich über
den villano luſtig machen 3), und die Improviſir-Comödie
(S. 318, f.) that vollends das Uebrige. Aber wo fände ſich
ein Ton von jenem grauſamen, verachtungsvollen Racen-
Stellung der
Bauern.
1) Boccaccio giebt in ſeinem Ameto ſchon eine Art von mythiſch ver-
kleidetem Decamerone und fällt bisweilen auf komiſche Weiſe aus
dem Coſtüm. Eine ſeiner Nymphen iſt gut katholiſch und wird in
Rom von den Prälaten lüſtern angeſehen; eine andere heirathet. Im
Ninfale Fieſolano zieht die ſchwangere Nymphe Menſola eine „alte,
weiſe Nymphe“ zu Rathe, u. dgl.
2) Nullum est hominum genus aptius urbi, ſagt Battiſta Manto-
vano (Ecl. VIII) von den zu allen Dingen brauchbaren Bewohnern
des Monte Baldo und der Val Saſſina. Bekanntlich haben ein-
zelne Landbevölkerungen noch heute ein Vorrecht auf gewiſſe Be-
ſchäftigungen in großen Städten.
3) Vielleicht eine der ſtärkſten Stellen: Orlandino, cap. V, str. 54—58.
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