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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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jardo und Ariost, treibt ihr Gegenstand schon rascher vor-4. Abschnitt.
wärts, doch wird man bei Allen die leichte Präcision in
der Schilderung des Bewegten als ein Hauptelement ihrer
Meisterschaft anerkennen müssen. Franco Sacchetti macht
sich einmal das Vergnügen, die kurzen Reden eines Zuges
hübscher Weiber aufzuzeichnen 1), die im Wald vom Regen
überrascht werden.

Andere Beschreibungen der bewegten Wirklichkeit findet
man am ehesten bei Kriegsschriftstellern u. dgl. (Vgl. S. 100).
Schon aus früherer Zeit ist uns in einem umständlichen
Gedicht 2) das getreue Abbild einer Söldnerschlacht des
XIV. Jahrhunderts erhalten, hauptsächlich in Gestalt der
Zurufe, Commando's und Gespräche, die während einer
solchen vorkommen.

Das Merkwürdigste dieser Art aber ist die echte Schil-Falsche u. echte
Schilderung
des Landlebens.

derung des Bauernlebens, welche besonders bei Lorenzo
magnifico und den Dichtern in seiner Umgebung bemerk-
lich wird.

Seit Petrarca 3) gab es eine falsche, conventionelle
Bucolik oder Eclogendichtung, eine Nachahmung Virgils,
mochten die Verse lateinisch oder italienisch sein. Als ihre
Nebengattungen traten auf der Hirtenroman von Boccaccio
(S. 254) bis auf Sannazaro's Arcadia, und später das
Schäferspiel in der Art des Tasso und Guarini, Werke der
allerschönsten Prosa wie des vollendetsten Versbaues, worin

1) Diese sogenannte Caccia ist abgedruckt im Commentar zu Casti-
glione's Ecloge.
2) S. die Serventese des Giannozzo von Florenz, bei Trucchi, Poesie
italiane inedite, II, p.
99. Die Worte sind zum Theil ganz un-
verständlich, d. h. wirklich oder scheinbar aus den Sprachen der
fremden Söldner entlehnt. -- Auch Macchiavell's Beschreibung von
Florenz während der Pest von 1527 gehört gewissermaßen hieher.
Lauter lebendig sprechende Einzelbilder eines schrecklichen Zustandes.
3) Laut Boccaccio (Vita di Dante, p. 77) hätte schon Dante zwei,
wahrscheinlich lateinische, Eclogen gedichtet.

jardo und Arioſt, treibt ihr Gegenſtand ſchon raſcher vor-4. Abſchnitt.
wärts, doch wird man bei Allen die leichte Präciſion in
der Schilderung des Bewegten als ein Hauptelement ihrer
Meiſterſchaft anerkennen müſſen. Franco Sacchetti macht
ſich einmal das Vergnügen, die kurzen Reden eines Zuges
hübſcher Weiber aufzuzeichnen 1), die im Wald vom Regen
überraſcht werden.

Andere Beſchreibungen der bewegten Wirklichkeit findet
man am eheſten bei Kriegsſchriftſtellern u. dgl. (Vgl. S. 100).
Schon aus früherer Zeit iſt uns in einem umſtändlichen
Gedicht 2) das getreue Abbild einer Söldnerſchlacht des
XIV. Jahrhunderts erhalten, hauptſächlich in Geſtalt der
Zurufe, Commando's und Geſpräche, die während einer
ſolchen vorkommen.

Das Merkwürdigſte dieſer Art aber iſt die echte Schil-Falſche u. echte
Schilderung
des Landlebens.

derung des Bauernlebens, welche beſonders bei Lorenzo
magnifico und den Dichtern in ſeiner Umgebung bemerk-
lich wird.

Seit Petrarca 3) gab es eine falſche, conventionelle
Bucolik oder Eclogendichtung, eine Nachahmung Virgils,
mochten die Verſe lateiniſch oder italieniſch ſein. Als ihre
Nebengattungen traten auf der Hirtenroman von Boccaccio
(S. 254) bis auf Sannazaro's Arcadia, und ſpäter das
Schäferſpiel in der Art des Taſſo und Guarini, Werke der
allerſchönſten Proſa wie des vollendetſten Versbaues, worin

1) Dieſe ſogenannte Caccia iſt abgedruckt im Commentar zu Caſti-
glione's Ecloge.
2) S. die Serventeſe des Giannozzo von Florenz, bei Trucchi, Poesie
italiane inedite, II, p.
99. Die Worte ſind zum Theil ganz un-
verſtändlich, d. h. wirklich oder ſcheinbar aus den Sprachen der
fremden Söldner entlehnt. — Auch Macchiavell's Beſchreibung von
Florenz während der Peſt von 1527 gehört gewiſſermaßen hieher.
Lauter lebendig ſprechende Einzelbilder eines ſchrecklichen Zuſtandes.
3) Laut Boccaccio (Vita di Dante, p. 77) hätte ſchon Dante zwei,
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[349/0359] jardo und Arioſt, treibt ihr Gegenſtand ſchon raſcher vor- wärts, doch wird man bei Allen die leichte Präciſion in der Schilderung des Bewegten als ein Hauptelement ihrer Meiſterſchaft anerkennen müſſen. Franco Sacchetti macht ſich einmal das Vergnügen, die kurzen Reden eines Zuges hübſcher Weiber aufzuzeichnen 1), die im Wald vom Regen überraſcht werden. 4. Abſchnitt. Andere Beſchreibungen der bewegten Wirklichkeit findet man am eheſten bei Kriegsſchriftſtellern u. dgl. (Vgl. S. 100). Schon aus früherer Zeit iſt uns in einem umſtändlichen Gedicht 2) das getreue Abbild einer Söldnerſchlacht des XIV. Jahrhunderts erhalten, hauptſächlich in Geſtalt der Zurufe, Commando's und Geſpräche, die während einer ſolchen vorkommen. Das Merkwürdigſte dieſer Art aber iſt die echte Schil- derung des Bauernlebens, welche beſonders bei Lorenzo magnifico und den Dichtern in ſeiner Umgebung bemerk- lich wird. Falſche u. echte Schilderung des Landlebens. Seit Petrarca 3) gab es eine falſche, conventionelle Bucolik oder Eclogendichtung, eine Nachahmung Virgils, mochten die Verſe lateiniſch oder italieniſch ſein. Als ihre Nebengattungen traten auf der Hirtenroman von Boccaccio (S. 254) bis auf Sannazaro's Arcadia, und ſpäter das Schäferſpiel in der Art des Taſſo und Guarini, Werke der allerſchönſten Proſa wie des vollendetſten Versbaues, worin 1) Dieſe ſogenannte Caccia iſt abgedruckt im Commentar zu Caſti- glione's Ecloge. 2) S. die Serventeſe des Giannozzo von Florenz, bei Trucchi, Poesie italiane inedite, II, p. 99. Die Worte ſind zum Theil ganz un- verſtändlich, d. h. wirklich oder ſcheinbar aus den Sprachen der fremden Söldner entlehnt. — Auch Macchiavell's Beſchreibung von Florenz während der Peſt von 1527 gehört gewiſſermaßen hieher. Lauter lebendig ſprechende Einzelbilder eines ſchrecklichen Zuſtandes. 3) Laut Boccaccio (Vita di Dante, p. 77) hätte ſchon Dante zwei, wahrſcheinlich lateiniſche, Eclogen gedichtet.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/359>, abgerufen am 24.04.2024.