Krankenlager, so schöne und echt antike Grabgedanken als3. Abschnitt. irgend einer der Alten und dieß ohne Wesentliches von letztern zu entlehnen. Am vollständigsten hat übrigens Sannazaro Wesen und Umfang der römischen Elegie er- kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es wohl eine so große Anzahl guter und verschiedenartiger Gedichte dieser Form. -- Einzelne Elegien werden noch hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen sein.
Endlich war das lateinische Epigramm in jenen ZeitenDas Epigramm. eine ernsthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge- lehrten begründen konnten. Ein Anspruch dieser Art meldet sich schon früh; als es verlautete, Guido della Polenta wolle Dante's Grab mit einem Denkmal schmücken, liefen von allen Enden Grabschriften ein 1) "von solchen, die sich "zeigen oder auch den todten Dichter ehren oder die "Gunst des Polenta erwerben wollten". Am Grabmal des Erzbischofes Giovanni Visconti (st. 1354) im Dom von Mailand liest man unter 36 Hexametern: "Herr Gabrius de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat diese Verse gemacht". Allmälig bildete sich, hauptsächlich unter dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte Literatur dieses Zweiges; der höchste Triumph war, wenn ein Epigramm für antik, für abgeschrieben von einem alten Stein galt2), oder wenn es so vortrefflich erschien, daß ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für seinen Lobspruch in drei Distichen 600 Ducaten Honorar bezahlte, so war dieß nicht etwa eine generöse Verschwendung, sondern man würdigte das Epigramm als das was es für
1)Boccaccio, vita di Dante, p. 36.
2) Sannazaro spottet über Einen, der ihm mit solchen Fälschungen lästig fiel: Sint vetera haec aliis, mei nova semper erunt.
Krankenlager, ſo ſchöne und echt antike Grabgedanken als3. Abſchnitt. irgend einer der Alten und dieß ohne Weſentliches von letztern zu entlehnen. Am vollſtändigſten hat übrigens Sannazaro Weſen und Umfang der römiſchen Elegie er- kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es wohl eine ſo große Anzahl guter und verſchiedenartiger Gedichte dieſer Form. — Einzelne Elegien werden noch hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen ſein.
Endlich war das lateiniſche Epigramm in jenen ZeitenDas Epigramm. eine ernſthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge- lehrten begründen konnten. Ein Anſpruch dieſer Art meldet ſich ſchon früh; als es verlautete, Guido della Polenta wolle Dante's Grab mit einem Denkmal ſchmücken, liefen von allen Enden Grabſchriften ein 1) „von ſolchen, die ſich „zeigen oder auch den todten Dichter ehren oder die „Gunſt des Polenta erwerben wollten“. Am Grabmal des Erzbiſchofes Giovanni Visconti (ſt. 1354) im Dom von Mailand liest man unter 36 Hexametern: „Herr Gabrius de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat dieſe Verſe gemacht“. Allmälig bildete ſich, hauptſächlich unter dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte Literatur dieſes Zweiges; der höchſte Triumph war, wenn ein Epigramm für antik, für abgeſchrieben von einem alten Stein galt2), oder wenn es ſo vortrefflich erſchien, daß ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für ſeinen Lobſpruch in drei Diſtichen 600 Ducaten Honorar bezahlte, ſo war dieß nicht etwa eine generöſe Verſchwendung, ſondern man würdigte das Epigramm als das was es für
1)Boccaccio, vita di Dante, p. 36.
2) Sannazaro ſpottet über Einen, der ihm mit ſolchen Fälſchungen läſtig fiel: Sint vetera hæc aliis, mî nova semper erunt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="263"/>
Krankenlager, ſo ſchöne und echt antike Grabgedanken als<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">3. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
irgend einer der Alten und dieß ohne Weſentliches von<lb/>
letztern zu entlehnen. Am vollſtändigſten hat übrigens<lb/>
Sannazaro Weſen und Umfang der römiſchen Elegie er-<lb/>
kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es<lb/>
wohl eine ſo große Anzahl guter und verſchiedenartiger<lb/>
Gedichte dieſer Form. — Einzelne Elegien werden noch<lb/>
hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen ſein.</p><lb/><p>Endlich war das lateiniſche Epigramm in jenen Zeiten<noteplace="right">Das<lb/>
Epigramm.</note><lb/>
eine ernſthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete<lb/>
Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund<lb/>
zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge-<lb/>
lehrten begründen konnten. Ein Anſpruch dieſer Art meldet<lb/>ſich ſchon früh; als es verlautete, Guido della Polenta<lb/>
wolle Dante's Grab mit einem Denkmal ſchmücken, liefen<lb/>
von allen Enden Grabſchriften ein <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Boccaccio, vita di Dante, p.</hi> 36.</note>„von ſolchen, die <hirendition="#g">ſich<lb/>„zeigen</hi> oder auch den todten Dichter ehren oder die<lb/>„Gunſt des Polenta erwerben wollten“. Am Grabmal des<lb/>
Erzbiſchofes Giovanni Visconti (ſt. 1354) im Dom von<lb/>
Mailand liest man unter 36 Hexametern: „Herr Gabrius<lb/>
de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat dieſe<lb/>
Verſe gemacht“. Allmälig bildete ſich, hauptſächlich unter<lb/>
dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte<lb/>
Literatur dieſes Zweiges; der höchſte Triumph war, wenn<lb/>
ein Epigramm für antik, für abgeſchrieben von einem alten<lb/>
Stein galt<noteplace="foot"n="2)">Sannazaro ſpottet über Einen, der ihm mit ſolchen Fälſchungen läſtig<lb/>
fiel: <hirendition="#aq">Sint vetera hæc aliis, mî nova semper erunt.</hi></note>, oder wenn es ſo vortrefflich erſchien, daß<lb/>
ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des<lb/>
Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für<lb/>ſeinen Lobſpruch in drei Diſtichen 600 Ducaten Honorar<lb/>
bezahlte, ſo war dieß nicht etwa eine generöſe Verſchwendung,<lb/>ſondern man würdigte das Epigramm als das was es für<lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0273]
Krankenlager, ſo ſchöne und echt antike Grabgedanken als
irgend einer der Alten und dieß ohne Weſentliches von
letztern zu entlehnen. Am vollſtändigſten hat übrigens
Sannazaro Weſen und Umfang der römiſchen Elegie er-
kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es
wohl eine ſo große Anzahl guter und verſchiedenartiger
Gedichte dieſer Form. — Einzelne Elegien werden noch
hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen ſein.
3. Abſchnitt.
Endlich war das lateiniſche Epigramm in jenen Zeiten
eine ernſthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete
Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund
zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge-
lehrten begründen konnten. Ein Anſpruch dieſer Art meldet
ſich ſchon früh; als es verlautete, Guido della Polenta
wolle Dante's Grab mit einem Denkmal ſchmücken, liefen
von allen Enden Grabſchriften ein 1) „von ſolchen, die ſich
„zeigen oder auch den todten Dichter ehren oder die
„Gunſt des Polenta erwerben wollten“. Am Grabmal des
Erzbiſchofes Giovanni Visconti (ſt. 1354) im Dom von
Mailand liest man unter 36 Hexametern: „Herr Gabrius
de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat dieſe
Verſe gemacht“. Allmälig bildete ſich, hauptſächlich unter
dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte
Literatur dieſes Zweiges; der höchſte Triumph war, wenn
ein Epigramm für antik, für abgeſchrieben von einem alten
Stein galt 2), oder wenn es ſo vortrefflich erſchien, daß
ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des
Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für
ſeinen Lobſpruch in drei Diſtichen 600 Ducaten Honorar
bezahlte, ſo war dieß nicht etwa eine generöſe Verſchwendung,
ſondern man würdigte das Epigramm als das was es für
Das
Epigramm.
1) Boccaccio, vita di Dante, p. 36.
2) Sannazaro ſpottet über Einen, der ihm mit ſolchen Fälſchungen läſtig
fiel: Sint vetera hæc aliis, mî nova semper erunt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/273>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.