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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Krankenlager, so schöne und echt antike Grabgedanken als3. Abschnitt.
irgend einer der Alten und dieß ohne Wesentliches von
letztern zu entlehnen. Am vollständigsten hat übrigens
Sannazaro Wesen und Umfang der römischen Elegie er-
kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es
wohl eine so große Anzahl guter und verschiedenartiger
Gedichte dieser Form. -- Einzelne Elegien werden noch
hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen sein.

Endlich war das lateinische Epigramm in jenen ZeitenDas
Epigramm.

eine ernsthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete
Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund
zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge-
lehrten begründen konnten. Ein Anspruch dieser Art meldet
sich schon früh; als es verlautete, Guido della Polenta
wolle Dante's Grab mit einem Denkmal schmücken, liefen
von allen Enden Grabschriften ein 1) "von solchen, die sich
"zeigen
oder auch den todten Dichter ehren oder die
"Gunst des Polenta erwerben wollten". Am Grabmal des
Erzbischofes Giovanni Visconti (st. 1354) im Dom von
Mailand liest man unter 36 Hexametern: "Herr Gabrius
de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat diese
Verse gemacht". Allmälig bildete sich, hauptsächlich unter
dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte
Literatur dieses Zweiges; der höchste Triumph war, wenn
ein Epigramm für antik, für abgeschrieben von einem alten
Stein galt2), oder wenn es so vortrefflich erschien, daß
ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des
Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für
seinen Lobspruch in drei Distichen 600 Ducaten Honorar
bezahlte, so war dieß nicht etwa eine generöse Verschwendung,
sondern man würdigte das Epigramm als das was es für

1) Boccaccio, vita di Dante, p. 36.
2) Sannazaro spottet über Einen, der ihm mit solchen Fälschungen lästig
fiel: Sint vetera haec aliis, mei nova semper erunt.

Krankenlager, ſo ſchöne und echt antike Grabgedanken als3. Abſchnitt.
irgend einer der Alten und dieß ohne Weſentliches von
letztern zu entlehnen. Am vollſtändigſten hat übrigens
Sannazaro Weſen und Umfang der römiſchen Elegie er-
kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es
wohl eine ſo große Anzahl guter und verſchiedenartiger
Gedichte dieſer Form. — Einzelne Elegien werden noch
hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen ſein.

Endlich war das lateiniſche Epigramm in jenen ZeitenDas
Epigramm.

eine ernſthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete
Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund
zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge-
lehrten begründen konnten. Ein Anſpruch dieſer Art meldet
ſich ſchon früh; als es verlautete, Guido della Polenta
wolle Dante's Grab mit einem Denkmal ſchmücken, liefen
von allen Enden Grabſchriften ein 1) „von ſolchen, die ſich
„zeigen
oder auch den todten Dichter ehren oder die
„Gunſt des Polenta erwerben wollten“. Am Grabmal des
Erzbiſchofes Giovanni Visconti (ſt. 1354) im Dom von
Mailand liest man unter 36 Hexametern: „Herr Gabrius
de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat dieſe
Verſe gemacht“. Allmälig bildete ſich, hauptſächlich unter
dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte
Literatur dieſes Zweiges; der höchſte Triumph war, wenn
ein Epigramm für antik, für abgeſchrieben von einem alten
Stein galt2), oder wenn es ſo vortrefflich erſchien, daß
ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des
Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für
ſeinen Lobſpruch in drei Diſtichen 600 Ducaten Honorar
bezahlte, ſo war dieß nicht etwa eine generöſe Verſchwendung,
ſondern man würdigte das Epigramm als das was es für

1) Boccaccio, vita di Dante, p. 36.
2) Sannazaro ſpottet über Einen, der ihm mit ſolchen Fälſchungen läſtig
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[263/0273] Krankenlager, ſo ſchöne und echt antike Grabgedanken als irgend einer der Alten und dieß ohne Weſentliches von letztern zu entlehnen. Am vollſtändigſten hat übrigens Sannazaro Weſen und Umfang der römiſchen Elegie er- kannt und nachgebildet, und von keinem Anderm giebt es wohl eine ſo große Anzahl guter und verſchiedenartiger Gedichte dieſer Form. — Einzelne Elegien werden noch hie und da um ihres Sachinhaltes willen zu erwähnen ſein. 3. Abſchnitt. Endlich war das lateiniſche Epigramm in jenen Zeiten eine ernſthafte Angelegenheit, indem ein paar gut gebildete Zeilen, eingemeißelt an einem Denkmal oder von Mund zu Munde mit Gelächter mitgetheilt, den Ruhm eines Ge- lehrten begründen konnten. Ein Anſpruch dieſer Art meldet ſich ſchon früh; als es verlautete, Guido della Polenta wolle Dante's Grab mit einem Denkmal ſchmücken, liefen von allen Enden Grabſchriften ein 1) „von ſolchen, die ſich „zeigen oder auch den todten Dichter ehren oder die „Gunſt des Polenta erwerben wollten“. Am Grabmal des Erzbiſchofes Giovanni Visconti (ſt. 1354) im Dom von Mailand liest man unter 36 Hexametern: „Herr Gabrius de Zamoreis aus Parma, Doctor der Rechte, hat dieſe Verſe gemacht“. Allmälig bildete ſich, hauptſächlich unter dem Einfluß Martial's, auch Catull's eine ausgedehnte Literatur dieſes Zweiges; der höchſte Triumph war, wenn ein Epigramm für antik, für abgeſchrieben von einem alten Stein galt 2), oder wenn es ſo vortrefflich erſchien, daß ganz Italien es auswendig wußte wie z. B. einige des Bembo. Wenn der Staat Venedig an Sannazaro für ſeinen Lobſpruch in drei Diſtichen 600 Ducaten Honorar bezahlte, ſo war dieß nicht etwa eine generöſe Verſchwendung, ſondern man würdigte das Epigramm als das was es für Das Epigramm. 1) Boccaccio, vita di Dante, p. 36. 2) Sannazaro ſpottet über Einen, der ihm mit ſolchen Fälſchungen läſtig fiel: Sint vetera hæc aliis, mî nova semper erunt.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/273>, abgerufen am 26.04.2024.