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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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neval Lupercalia u. s. w. Wie sehr man sich hüten muß,3. Abschnitt.
aus dieser Stylsache einen voreiligen Schluß auf die ganze
Denkweise zu ziehen, liegt gerade bei diesem Autor klar
zu Tage.

Die Geschichte des lateinischen Styles an sich dürfenAlleinherrschaft
. Lateinischen.

wir hier nicht verfolgen. Volle zwei Jahrhunderte hindurch
thaten die Humanisten dergleichen, als ob das Lateinische
überhaupt die einzige würdige Schriftsprache wäre und bleiben
müßte. Poggio 1) bedauert, daß Dante sein großes Gedicht
italienisch verfaßt habe, und bekanntlich hatte Dante es in
der That mit dem Lateinischen versucht und den Anfang
des Inferno zuerst in Hexametern gedichtet. Das ganze
Schicksal der italienischen Poesie hing davon ab, daß er
nicht in dieser Weise fortfuhr2), aber noch Petrarca verließ
sich mehr auf seine lateinischen Dichtungen als auf seine
Sonette und Canzonen, und die Zumuthung lateinisch zu
dichten, ist noch an Ariosto ergangen. Einen stärkern
Zwang hat es in literarischen Dingen nie gegeben3), allein
die Poesie entwischte demselben größtentheils und jetzt können
wir wohl ohne allzugroßen Optimismus sagen: es ist gut
daß die italienische Poesie zweierlei Organe hatte, denn sie
hat in beiden Vortreffliches und Eigenthümliches geleistet,
und zwar so, daß man inne wird, weßhalb hier italienisch,

1) De infelicitate principum, in Poggii opera, fol. 152: Cuius
(Dantis) exstat poema praeclarum, neque, si literis latinis
constaret, ulla ex parte poetis superioribus
(den Alten) post-
ponendum
. Laut Boccaccio, vita di Dante, p. 74 warfen schon
damals viele "und darunter weise" Leute die Frage auf, warum
wohl Dante nicht lateinisch gedichtet?
2) Seine Schrift de vulgari eloquio war lange Zeit fast unbekannt
und wäre auf keinen Fall der siegreichen Wirkung der Divina Com-
media
gleichgekommen, so werthvoll sie für uns ist.
3) Wer den vollen Fanatismus hierin will kennen lernen, vergleiche Lil.
Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis,
a. m. O.

neval Lupercalia u. ſ. w. Wie ſehr man ſich hüten muß,3. Abſchnitt.
aus dieſer Stylſache einen voreiligen Schluß auf die ganze
Denkweiſe zu ziehen, liegt gerade bei dieſem Autor klar
zu Tage.

Die Geſchichte des lateiniſchen Styles an ſich dürfenAlleinherrſchaft
. Lateiniſchen.

wir hier nicht verfolgen. Volle zwei Jahrhunderte hindurch
thaten die Humaniſten dergleichen, als ob das Lateiniſche
überhaupt die einzige würdige Schriftſprache wäre und bleiben
müßte. Poggio 1) bedauert, daß Dante ſein großes Gedicht
italieniſch verfaßt habe, und bekanntlich hatte Dante es in
der That mit dem Lateiniſchen verſucht und den Anfang
des Inferno zuerſt in Hexametern gedichtet. Das ganze
Schickſal der italieniſchen Poeſie hing davon ab, daß er
nicht in dieſer Weiſe fortfuhr2), aber noch Petrarca verließ
ſich mehr auf ſeine lateiniſchen Dichtungen als auf ſeine
Sonette und Canzonen, und die Zumuthung lateiniſch zu
dichten, iſt noch an Arioſto ergangen. Einen ſtärkern
Zwang hat es in literariſchen Dingen nie gegeben3), allein
die Poeſie entwiſchte demſelben größtentheils und jetzt können
wir wohl ohne allzugroßen Optimismus ſagen: es iſt gut
daß die italieniſche Poeſie zweierlei Organe hatte, denn ſie
hat in beiden Vortreffliches und Eigenthümliches geleiſtet,
und zwar ſo, daß man inne wird, weßhalb hier italieniſch,

1) De infelicitate principum, in Poggii opera, fol. 152: Cuius
(Dantis) exstat poema præclarum, neque, si literis latinis
constaret, ulla ex parte poetis superioribus
(den Alten) post-
ponendum
. Laut Boccaccio, vita di Dante, p. 74 warfen ſchon
damals viele „und darunter weiſe“ Leute die Frage auf, warum
wohl Dante nicht lateiniſch gedichtet?
2) Seine Schrift de vulgari eloquio war lange Zeit faſt unbekannt
und wäre auf keinen Fall der ſiegreichen Wirkung der Divina Com-
media
gleichgekommen, ſo werthvoll ſie für uns iſt.
3) Wer den vollen Fanatismus hierin will kennen lernen, vergleiche Lil.
Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis,
a. m. O.
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[247/0257] neval Lupercalia u. ſ. w. Wie ſehr man ſich hüten muß, aus dieſer Stylſache einen voreiligen Schluß auf die ganze Denkweiſe zu ziehen, liegt gerade bei dieſem Autor klar zu Tage. 3. Abſchnitt. Die Geſchichte des lateiniſchen Styles an ſich dürfen wir hier nicht verfolgen. Volle zwei Jahrhunderte hindurch thaten die Humaniſten dergleichen, als ob das Lateiniſche überhaupt die einzige würdige Schriftſprache wäre und bleiben müßte. Poggio 1) bedauert, daß Dante ſein großes Gedicht italieniſch verfaßt habe, und bekanntlich hatte Dante es in der That mit dem Lateiniſchen verſucht und den Anfang des Inferno zuerſt in Hexametern gedichtet. Das ganze Schickſal der italieniſchen Poeſie hing davon ab, daß er nicht in dieſer Weiſe fortfuhr 2), aber noch Petrarca verließ ſich mehr auf ſeine lateiniſchen Dichtungen als auf ſeine Sonette und Canzonen, und die Zumuthung lateiniſch zu dichten, iſt noch an Arioſto ergangen. Einen ſtärkern Zwang hat es in literariſchen Dingen nie gegeben 3), allein die Poeſie entwiſchte demſelben größtentheils und jetzt können wir wohl ohne allzugroßen Optimismus ſagen: es iſt gut daß die italieniſche Poeſie zweierlei Organe hatte, denn ſie hat in beiden Vortreffliches und Eigenthümliches geleiſtet, und zwar ſo, daß man inne wird, weßhalb hier italieniſch, Alleinherrſchaft . Lateiniſchen. 1) De infelicitate principum, in Poggii opera, fol. 152: Cuius (Dantis) exstat poema præclarum, neque, si literis latinis constaret, ulla ex parte poetis superioribus (den Alten) post- ponendum. Laut Boccaccio, vita di Dante, p. 74 warfen ſchon damals viele „und darunter weiſe“ Leute die Frage auf, warum wohl Dante nicht lateiniſch gedichtet? 2) Seine Schrift de vulgari eloquio war lange Zeit faſt unbekannt und wäre auf keinen Fall der ſiegreichen Wirkung der Divina Com- media gleichgekommen, ſo werthvoll ſie für uns iſt. 3) Wer den vollen Fanatismus hierin will kennen lernen, vergleiche Lil. Greg. Gyraldus, de poetis nostri temporis, a. m. O.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/257>, abgerufen am 28.03.2024.