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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Fürsten, die des Wortes mächtig waren, gerne und gut3. Abschnitt.
selber, italienisch oder lateinisch. Die Kinder des Hauses
Sforza waren hierauf eingeschult, der ganz junge Galeazzo
Maria sagte schon 1455 im großen Rath zu Venedig ein
fließendes Exercitium her 1), und seine Schwester Ippolita
begrüßte den Papst Pius II. auf dem Congreß zu Mantua
1459 mit einer zierlichen Rede 2). Pius II. selbst hat offen-
bar als Redner in allen Zeiten seines Lebens seiner letzten
Standeserhöhung mächtig vorgearbeitet; als größter curialer
Diplomat und Gelehrter wäre er vielleicht doch nicht Papst
geworden ohne den Ruhm und den Zauber seiner Be-
redsamkeit. "Denn nichts war erhabener als der Schwung
"seiner Rede 3)." Gewiß galt er für Unzählige schon deß-
halb als der des Papstthums Würdigste, bereits vor der
Wahl.

Sodann wurden die Fürsten bei jedem feierlichenEmpfangs-
reden etc.

Empfang angeredet und zwar oft in stundenlanger Oration.
Natürlich geschah dieß nur wenn der Fürst als Redefreund
bekannt war oder dafür gelten wollte 4), und wenn man
einen genügenden Redner vorräthig hatte, mochte es ein

ganz ernsthaft unter den Ursachen auf, welche das Unglück Italiens
1494 herbeiführen halfen.
1) Mitgetheilt von Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1160.
2) Pii II. Comment. L. II. p. 107. Vgl. p. 87. -- Eine andere
lateinische Rednerin fürstlichen Standes war Madonna Battista Mon-
tefeltro, vermählte Malatesta, welche Sigismund und Martin haran-
guirte Vgl. Arch. stor. IV, I. p. 442, Nota.
3) De expeditione in Turcas, bei Murat. XXIII, Col. 68. Nihil
enim Pii concionantis maiestate sublimius.
-- Außer dem naiven
Wohlgefallen, womit Pius selbst seine Erfolge schildert, vgl. Cam-
panus, Vita Pii II,
bei Murat. III, II, passim.
4) Carl V. hat doch einmal, als er in Genua der Blumensprache eines
latein. Redners nicht folgen konnte, vor Giovio's Ohren geseufzt:
"Ach wie hat mein Lehrer Hadrian einst Recht gehabt, als er mir
"weissagte, ich würde für meinen kindischen Unfleiß im Lateinischen
"gezüchtigt werden!" -- Paul. Jov. vita Hadriani VI.

Fürſten, die des Wortes mächtig waren, gerne und gut3. Abſchnitt.
ſelber, italieniſch oder lateiniſch. Die Kinder des Hauſes
Sforza waren hierauf eingeſchult, der ganz junge Galeazzo
Maria ſagte ſchon 1455 im großen Rath zu Venedig ein
fließendes Exercitium her 1), und ſeine Schweſter Ippolita
begrüßte den Papſt Pius II. auf dem Congreß zu Mantua
1459 mit einer zierlichen Rede 2). Pius II. ſelbſt hat offen-
bar als Redner in allen Zeiten ſeines Lebens ſeiner letzten
Standeserhöhung mächtig vorgearbeitet; als größter curialer
Diplomat und Gelehrter wäre er vielleicht doch nicht Papſt
geworden ohne den Ruhm und den Zauber ſeiner Be-
redſamkeit. „Denn nichts war erhabener als der Schwung
„ſeiner Rede 3).“ Gewiß galt er für Unzählige ſchon deß-
halb als der des Papſtthums Würdigſte, bereits vor der
Wahl.

Sodann wurden die Fürſten bei jedem feierlichenEmpfangs-
reden ꝛc.

Empfang angeredet und zwar oft in ſtundenlanger Oration.
Natürlich geſchah dieß nur wenn der Fürſt als Redefreund
bekannt war oder dafür gelten wollte 4), und wenn man
einen genügenden Redner vorräthig hatte, mochte es ein

ganz ernſthaft unter den Urſachen auf, welche das Unglück Italiens
1494 herbeiführen halfen.
1) Mitgetheilt von Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1160.
2) Pii II. Comment. L. II. p. 107. Vgl. p. 87. — Eine andere
lateiniſche Rednerin fürſtlichen Standes war Madonna Battiſta Mon-
tefeltro, vermählte Malateſta, welche Sigismund und Martin haran-
guirte Vgl. Arch. stor. IV, I. p. 442, Nota.
3) De expeditione in Turcas, bei Murat. XXIII, Col. 68. Nihil
enim Pii concionantis maiestate sublimius.
— Außer dem naiven
Wohlgefallen, womit Pius ſelbſt ſeine Erfolge ſchildert, vgl. Cam-
panus, Vita Pii II,
bei Murat. III, II, passim.
4) Carl V. hat doch einmal, als er in Genua der Blumenſprache eines
latein. Redners nicht folgen konnte, vor Giovio's Ohren geſeufzt:
„Ach wie hat mein Lehrer Hadrian einſt Recht gehabt, als er mir
„weiſſagte, ich würde für meinen kindiſchen Unfleiß im Lateiniſchen
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[229/0239] Fürſten, die des Wortes mächtig waren, gerne und gut ſelber, italieniſch oder lateiniſch. Die Kinder des Hauſes Sforza waren hierauf eingeſchult, der ganz junge Galeazzo Maria ſagte ſchon 1455 im großen Rath zu Venedig ein fließendes Exercitium her 1), und ſeine Schweſter Ippolita begrüßte den Papſt Pius II. auf dem Congreß zu Mantua 1459 mit einer zierlichen Rede 2). Pius II. ſelbſt hat offen- bar als Redner in allen Zeiten ſeines Lebens ſeiner letzten Standeserhöhung mächtig vorgearbeitet; als größter curialer Diplomat und Gelehrter wäre er vielleicht doch nicht Papſt geworden ohne den Ruhm und den Zauber ſeiner Be- redſamkeit. „Denn nichts war erhabener als der Schwung „ſeiner Rede 3).“ Gewiß galt er für Unzählige ſchon deß- halb als der des Papſtthums Würdigſte, bereits vor der Wahl. 3. Abſchnitt. Sodann wurden die Fürſten bei jedem feierlichen Empfang angeredet und zwar oft in ſtundenlanger Oration. Natürlich geſchah dieß nur wenn der Fürſt als Redefreund bekannt war oder dafür gelten wollte 4), und wenn man einen genügenden Redner vorräthig hatte, mochte es ein 4) Empfangs- reden ꝛc. 1) Mitgetheilt von Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 1160. 2) Pii II. Comment. L. II. p. 107. Vgl. p. 87. — Eine andere lateiniſche Rednerin fürſtlichen Standes war Madonna Battiſta Mon- tefeltro, vermählte Malateſta, welche Sigismund und Martin haran- guirte Vgl. Arch. stor. IV, I. p. 442, Nota. 3) De expeditione in Turcas, bei Murat. XXIII, Col. 68. Nihil enim Pii concionantis maiestate sublimius. — Außer dem naiven Wohlgefallen, womit Pius ſelbſt ſeine Erfolge ſchildert, vgl. Cam- panus, Vita Pii II, bei Murat. III, II, passim. 4) Carl V. hat doch einmal, als er in Genua der Blumenſprache eines latein. Redners nicht folgen konnte, vor Giovio's Ohren geſeufzt: „Ach wie hat mein Lehrer Hadrian einſt Recht gehabt, als er mir „weiſſagte, ich würde für meinen kindiſchen Unfleiß im Lateiniſchen „gezüchtigt werden!“ — Paul. Jov. vita Hadriani VI. 4) ganz ernſthaft unter den Urſachen auf, welche das Unglück Italiens 1494 herbeiführen halfen.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/239>, abgerufen am 26.04.2024.