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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.nisten; doch hing es ganz davon ab, wie weit er sich den
Sachinhalt des Alterthums angeeignet hatte, um auch als
Jurist, Mediciner, Philosoph oder Astronom auftreten zu
können. Die innern Verhältnisse der Wissenschaft wie die
äußern des Docenten waren noch sehr beweglich. So-
dann ist nicht zu übersehen, daß einzelne Juristen und
Mediciner weit die höchsten Besoldungen hatten und behielten,
erstere hauptsächlich als große Consulenten des sie besolden-
den Staates für seine Ansprüche und Processe. In Padua
gab es im XV. Jahrhundert eine juridische Besoldung von
1000 Ducaten jährlich 1) und einen berühmten Arzt wollte
man mit 2000 Ducaten und dem Recht der Praxis an-
stellen 2), nachdem derselbe bisher in Pisa 700 Goldgulden
gehabt hatte. Als der Jurist Bartolommeo Socini, Pro-
fessor in Pisa, eine venezianische Anstellung in Padua an-
nahm und dorthin reisen wollte, verhaftete ihn die floren-
tinische Regierung und wollte ihn nur gegen eine Caution
von 18,000 Goldgulden freilassen 3). Schon wegen einer
solchen Werthschätzung dieser Fächer wäre es begreiflich, daß
bedeutende Philologen sich als Juristen und Mediciner
geltend machten; andererseits mußte allmälig, wer in irgend
einem Fache Etwas vorstellen wollte, eine starke huma-
nistische Farbe annehmen. Anderweitiger practischer Thä-
tigkeiten der Humanisten wird bald gedacht werden.

Die Anstellungen der Philologen als solcher jedoch,
wenn auch im einzelnen Fall mit ziemlich hohen Besoldun-
gen 4) und Nebenemolumenten verbunden, gehören im Ganzen
zu den flüchtigen, vorübergehenden, so daß ein und derselbe

1) Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 990.
2) Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 52, vom J. 1491.
3) Allegretto, Diarei sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 824.
4) Filelfo hat bei seiner Berufung an die neugegründete Universität
Pisa 500 Goldgulden wenigstens verlangt. Vgl. Fabroni, Laurent.
magn. Adnot.
41.

3. Abſchnitt.niſten; doch hing es ganz davon ab, wie weit er ſich den
Sachinhalt des Alterthums angeeignet hatte, um auch als
Juriſt, Mediciner, Philoſoph oder Aſtronom auftreten zu
können. Die innern Verhältniſſe der Wiſſenſchaft wie die
äußern des Docenten waren noch ſehr beweglich. So-
dann iſt nicht zu überſehen, daß einzelne Juriſten und
Mediciner weit die höchſten Beſoldungen hatten und behielten,
erſtere hauptſächlich als große Conſulenten des ſie beſolden-
den Staates für ſeine Anſprüche und Proceſſe. In Padua
gab es im XV. Jahrhundert eine juridiſche Beſoldung von
1000 Ducaten jährlich 1) und einen berühmten Arzt wollte
man mit 2000 Ducaten und dem Recht der Praxis an-
ſtellen 2), nachdem derſelbe bisher in Piſa 700 Goldgulden
gehabt hatte. Als der Juriſt Bartolommeo Socini, Pro-
feſſor in Piſa, eine venezianiſche Anſtellung in Padua an-
nahm und dorthin reiſen wollte, verhaftete ihn die floren-
tiniſche Regierung und wollte ihn nur gegen eine Caution
von 18,000 Goldgulden freilaſſen 3). Schon wegen einer
ſolchen Werthſchätzung dieſer Fächer wäre es begreiflich, daß
bedeutende Philologen ſich als Juriſten und Mediciner
geltend machten; andererſeits mußte allmälig, wer in irgend
einem Fache Etwas vorſtellen wollte, eine ſtarke huma-
niſtiſche Farbe annehmen. Anderweitiger practiſcher Thä-
tigkeiten der Humaniſten wird bald gedacht werden.

Die Anſtellungen der Philologen als ſolcher jedoch,
wenn auch im einzelnen Fall mit ziemlich hohen Beſoldun-
gen 4) und Nebenemolumenten verbunden, gehören im Ganzen
zu den flüchtigen, vorübergehenden, ſo daß ein und derſelbe

1) Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 990.
2) Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 52, vom J. 1491.
3) Allegretto, Diarî sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 824.
4) Filelfo hat bei ſeiner Berufung an die neugegründete Univerſität
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[206/0216] niſten; doch hing es ganz davon ab, wie weit er ſich den Sachinhalt des Alterthums angeeignet hatte, um auch als Juriſt, Mediciner, Philoſoph oder Aſtronom auftreten zu können. Die innern Verhältniſſe der Wiſſenſchaft wie die äußern des Docenten waren noch ſehr beweglich. So- dann iſt nicht zu überſehen, daß einzelne Juriſten und Mediciner weit die höchſten Beſoldungen hatten und behielten, erſtere hauptſächlich als große Conſulenten des ſie beſolden- den Staates für ſeine Anſprüche und Proceſſe. In Padua gab es im XV. Jahrhundert eine juridiſche Beſoldung von 1000 Ducaten jährlich 1) und einen berühmten Arzt wollte man mit 2000 Ducaten und dem Recht der Praxis an- ſtellen 2), nachdem derſelbe bisher in Piſa 700 Goldgulden gehabt hatte. Als der Juriſt Bartolommeo Socini, Pro- feſſor in Piſa, eine venezianiſche Anſtellung in Padua an- nahm und dorthin reiſen wollte, verhaftete ihn die floren- tiniſche Regierung und wollte ihn nur gegen eine Caution von 18,000 Goldgulden freilaſſen 3). Schon wegen einer ſolchen Werthſchätzung dieſer Fächer wäre es begreiflich, daß bedeutende Philologen ſich als Juriſten und Mediciner geltend machten; andererſeits mußte allmälig, wer in irgend einem Fache Etwas vorſtellen wollte, eine ſtarke huma- niſtiſche Farbe annehmen. Anderweitiger practiſcher Thä- tigkeiten der Humaniſten wird bald gedacht werden. 3. Abſchnitt. Die Anſtellungen der Philologen als ſolcher jedoch, wenn auch im einzelnen Fall mit ziemlich hohen Beſoldun- gen 4) und Nebenemolumenten verbunden, gehören im Ganzen zu den flüchtigen, vorübergehenden, ſo daß ein und derſelbe 1) Marin Sanudo, bei Murat. XXII, Col. 990. 2) Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 52, vom J. 1491. 3) Allegretto, Diarî sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 824. 4) Filelfo hat bei ſeiner Berufung an die neugegründete Univerſität Piſa 500 Goldgulden wenigſtens verlangt. Vgl. Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 41.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/216>, abgerufen am 26.04.2024.