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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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im höchsten Grade die Individualität des Tyrannen, des2. Abschnitt.
Condottiere 1) selbst, sodann diejenige des vom ihm prote-
girten aber auch rücksichtslos ausgenützten Talentes, des
Geheimschreibers, Beamten, Dichters, Gesellschafters. Der
Geist dieser Leute lernt nothgedrungen alle seine innern
Hülfsquellen kennen, die dauernden wie die des Augen-
blickes; auch ihr Lebensgenuß wird ein durch geistige Mittel
erhöhter und concentrirter, um einer vielleicht nur kurzen
Zeit der Macht und des Einflusses einen größtmöglichen
Werth zu verleihen.

Aber auch die Beherrschten gingen nicht völlig ohneDie
Unterthanen.

einen derartigen Antrieb aus. Wir wollen diejenigen ganz
außer Berechnung lassen, welche ihr Leben in geheimem
Widerstreben, in Verschwörungen verzehrten, und bloß derer
gedenken, die sich darein fügten, reine Privatleute zu blei-
ben etwa wie die meisten Städtebewohner des byzantinischen
Reiches und der mohammedanischen Staaten. Gewiß wurde
es z. B. den Unterthanen der Visconti oft schwer genug ge-
macht, die Würde des Hauses und der Person zu behaupten,
und Unzählige mögen durch die Knechtschaft am sittlichen
Character Einbuße erlitten haben. Nicht so an dem, was
man individuellen Character nennt, denn gerade innerhalbDeren Privat-
leben.

der allgemeinen politischen Machtlosigkeit gediehen wohl die
verschiedenen Richtungen und Bestrebungen des Privatlebens
um so stärker und vielseitiger. Reichthum und Bildung,
so weit sie sich zeigen und wetteifern durften, in Verbin-

1) Auch wohl die ihrer Gemahlinnen, wie man im Hause Sforza und
in verschiedenen oberitalischen Herrscherfamilien bemerkt. Man vgl.
in den Clarae mulieres des Jacobus Bergomensis die Biographien
der Battista Malatesta, Paola Gonzaga, Orsina Torella, Bona Lom-
barda, Riccarda von Este und der wichtigern Frauen der Familie
Sforza. Es ist mehr als eine wahre Virago darunter und auch die
Ergänzung der individuellen Entwicklung durch hohe humanistische
Cultur fehlt nicht.

im höchſten Grade die Individualität des Tyrannen, des2. Abſchnitt.
Condottiere 1) ſelbſt, ſodann diejenige des vom ihm prote-
girten aber auch rückſichtslos ausgenützten Talentes, des
Geheimſchreibers, Beamten, Dichters, Geſellſchafters. Der
Geiſt dieſer Leute lernt nothgedrungen alle ſeine innern
Hülfsquellen kennen, die dauernden wie die des Augen-
blickes; auch ihr Lebensgenuß wird ein durch geiſtige Mittel
erhöhter und concentrirter, um einer vielleicht nur kurzen
Zeit der Macht und des Einfluſſes einen größtmöglichen
Werth zu verleihen.

Aber auch die Beherrſchten gingen nicht völlig ohneDie
Unterthanen.

einen derartigen Antrieb aus. Wir wollen diejenigen ganz
außer Berechnung laſſen, welche ihr Leben in geheimem
Widerſtreben, in Verſchwörungen verzehrten, und bloß derer
gedenken, die ſich darein fügten, reine Privatleute zu blei-
ben etwa wie die meiſten Städtebewohner des byzantiniſchen
Reiches und der mohammedaniſchen Staaten. Gewiß wurde
es z. B. den Unterthanen der Visconti oft ſchwer genug ge-
macht, die Würde des Hauſes und der Perſon zu behaupten,
und Unzählige mögen durch die Knechtſchaft am ſittlichen
Character Einbuße erlitten haben. Nicht ſo an dem, was
man individuellen Character nennt, denn gerade innerhalbDeren Privat-
leben.

der allgemeinen politiſchen Machtloſigkeit gediehen wohl die
verſchiedenen Richtungen und Beſtrebungen des Privatlebens
um ſo ſtärker und vielſeitiger. Reichthum und Bildung,
ſo weit ſie ſich zeigen und wetteifern durften, in Verbin-

1) Auch wohl die ihrer Gemahlinnen, wie man im Hauſe Sforza und
in verſchiedenen oberitaliſchen Herrſcherfamilien bemerkt. Man vgl.
in den Claræ mulieres des Jacobus Bergomenſis die Biographien
der Battiſta Malateſta, Paola Gonzaga, Orſina Torella, Bona Lom-
barda, Riccarda von Eſte und der wichtigern Frauen der Familie
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Cultur fehlt nicht.
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[133/0143] im höchſten Grade die Individualität des Tyrannen, des Condottiere 1) ſelbſt, ſodann diejenige des vom ihm prote- girten aber auch rückſichtslos ausgenützten Talentes, des Geheimſchreibers, Beamten, Dichters, Geſellſchafters. Der Geiſt dieſer Leute lernt nothgedrungen alle ſeine innern Hülfsquellen kennen, die dauernden wie die des Augen- blickes; auch ihr Lebensgenuß wird ein durch geiſtige Mittel erhöhter und concentrirter, um einer vielleicht nur kurzen Zeit der Macht und des Einfluſſes einen größtmöglichen Werth zu verleihen. 2. Abſchnitt. Aber auch die Beherrſchten gingen nicht völlig ohne einen derartigen Antrieb aus. Wir wollen diejenigen ganz außer Berechnung laſſen, welche ihr Leben in geheimem Widerſtreben, in Verſchwörungen verzehrten, und bloß derer gedenken, die ſich darein fügten, reine Privatleute zu blei- ben etwa wie die meiſten Städtebewohner des byzantiniſchen Reiches und der mohammedaniſchen Staaten. Gewiß wurde es z. B. den Unterthanen der Visconti oft ſchwer genug ge- macht, die Würde des Hauſes und der Perſon zu behaupten, und Unzählige mögen durch die Knechtſchaft am ſittlichen Character Einbuße erlitten haben. Nicht ſo an dem, was man individuellen Character nennt, denn gerade innerhalb der allgemeinen politiſchen Machtloſigkeit gediehen wohl die verſchiedenen Richtungen und Beſtrebungen des Privatlebens um ſo ſtärker und vielſeitiger. Reichthum und Bildung, ſo weit ſie ſich zeigen und wetteifern durften, in Verbin- Die Unterthanen. Deren Privat- leben. 1) Auch wohl die ihrer Gemahlinnen, wie man im Hauſe Sforza und in verſchiedenen oberitaliſchen Herrſcherfamilien bemerkt. Man vgl. in den Claræ mulieres des Jacobus Bergomenſis die Biographien der Battiſta Malateſta, Paola Gonzaga, Orſina Torella, Bona Lom- barda, Riccarda von Eſte und der wichtigern Frauen der Familie Sforza. Es iſt mehr als eine wahre Virago darunter und auch die Ergänzung der individuellen Entwicklung durch hohe humaniſtiſche Cultur fehlt nicht.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/143>, abgerufen am 25.11.2024.