2. Abschnitt.individuelle Araber gegenüber den andern Asiaten als Racenmenschen. Es wird nicht schwer sein nachzuweisen, daß die politischen Verhältnisse hieran den stärksten Antheil gehabt haben.
Das Erwachen der Persönlich- keit.Schon in viel frühern Zeiten giebt sich stellenweise eine Entwicklung der auf sich selbst gestellten Persönlichkeit zu erkennen, wie sie gleichzeitig im Norden nicht so vor- kömmt oder sich nicht so enthüllt. Der Kreis kräftiger Frevler des X. Jahrhunderts, welchen Liutprand schildert, einige Zeitgenossen Gregors VII. (man lese Benzo von Alba), einige Gegner der ersten Hohenstaufen zeigen Physiogno- mien dieser Art. Mit Ausgang des XIII. Jahrhunderts aber beginnt Italien plötzlich von Persönlichkeiten zu wim- meln; der Bann, welcher auf dem Individualismus gele- gen, ist hier völlig gebrochen; schrankenlos specialisiren sich tausend einzelne Gesichter. Dante's große Dichtung wäre in jedem andern Lande schon deßhalb unmöglich gewesen, weil das übrige Europa noch unter jenem Banne der Race lag; für Italien ist der hehre Dichter schon durch die Fülle des Individuellen der nationalste Herold seiner Zeit ge- worden. Doch die Darstellung des Menschenreichthums in Literatur und Kunst, die vielartig schildernde Characteristik wird in besondern Abschnitten zu besprechen sein; hier han- delt es sich nur um die psychologische Thatsache selbst. Mit voller Ganzheit und Entschiedenheit tritt sie in die Geschichte ein; Italien weiß im XIV. Jahrhundert wenig von fal- scher Bescheidenheit und von Heuchelei überhaupt; kein Mensch scheut sich davor, aufzufallen, anders zu sein und zu scheinen 1) als die andern.
Die Gewalt- herrscher.Zunächst entwickelt die Gewaltherrschaft, wie wir sahen,
1) In Florenz gab es um 1390 deßhalb keine herrschende Mode der männlichen Kleidung mehr, weil Jeder sich auf besondere Weise zu tragen suchte. Vgl. die Canzone des Franco Sacchetti: contro alle nuove foggie, in den Rime, publ. dal Poggiali, p. 52.
2. Abſchnitt.individuelle Araber gegenüber den andern Aſiaten als Racenmenſchen. Es wird nicht ſchwer ſein nachzuweiſen, daß die politiſchen Verhältniſſe hieran den ſtärkſten Antheil gehabt haben.
Das Erwachen der Perſönlich- keit.Schon in viel frühern Zeiten giebt ſich ſtellenweiſe eine Entwicklung der auf ſich ſelbſt geſtellten Perſönlichkeit zu erkennen, wie ſie gleichzeitig im Norden nicht ſo vor- kömmt oder ſich nicht ſo enthüllt. Der Kreis kräftiger Frevler des X. Jahrhunderts, welchen Liutprand ſchildert, einige Zeitgenoſſen Gregors VII. (man leſe Benzo von Alba), einige Gegner der erſten Hohenſtaufen zeigen Phyſiogno- mien dieſer Art. Mit Ausgang des XIII. Jahrhunderts aber beginnt Italien plötzlich von Perſönlichkeiten zu wim- meln; der Bann, welcher auf dem Individualismus gele- gen, iſt hier völlig gebrochen; ſchrankenlos ſpecialiſiren ſich tauſend einzelne Geſichter. Dante's große Dichtung wäre in jedem andern Lande ſchon deßhalb unmöglich geweſen, weil das übrige Europa noch unter jenem Banne der Race lag; für Italien iſt der hehre Dichter ſchon durch die Fülle des Individuellen der nationalſte Herold ſeiner Zeit ge- worden. Doch die Darſtellung des Menſchenreichthums in Literatur und Kunſt, die vielartig ſchildernde Characteriſtik wird in beſondern Abſchnitten zu beſprechen ſein; hier han- delt es ſich nur um die pſychologiſche Thatſache ſelbſt. Mit voller Ganzheit und Entſchiedenheit tritt ſie in die Geſchichte ein; Italien weiß im XIV. Jahrhundert wenig von fal- ſcher Beſcheidenheit und von Heuchelei überhaupt; kein Menſch ſcheut ſich davor, aufzufallen, anders zu ſein und zu ſcheinen 1) als die andern.
Die Gewalt- herrſcher.Zunächſt entwickelt die Gewaltherrſchaft, wie wir ſahen,
1) In Florenz gab es um 1390 deßhalb keine herrſchende Mode der männlichen Kleidung mehr, weil Jeder ſich auf beſondere Weiſe zu tragen ſuchte. Vgl. die Canzone des Franco Sacchetti: contro alle nuove foggie, in den Rime, publ. dal Poggiali, p. 52.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0142"n="132"/><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">2. Abſchnitt.</hi></hi></note>individuelle Araber gegenüber den andern Aſiaten als<lb/>
Racenmenſchen. Es wird nicht ſchwer ſein nachzuweiſen,<lb/>
daß die politiſchen Verhältniſſe hieran den ſtärkſten Antheil<lb/>
gehabt haben.</p><lb/><p><noteplace="left">Das Erwachen<lb/>
der Perſönlich-<lb/>
keit.</note>Schon in viel frühern Zeiten giebt ſich ſtellenweiſe<lb/>
eine Entwicklung der auf ſich ſelbſt geſtellten Perſönlichkeit<lb/>
zu erkennen, wie ſie gleichzeitig im Norden nicht ſo vor-<lb/>
kömmt oder ſich nicht ſo enthüllt. Der Kreis kräftiger<lb/>
Frevler des <hirendition="#aq">X.</hi> Jahrhunderts, welchen Liutprand ſchildert,<lb/>
einige Zeitgenoſſen Gregors <hirendition="#aq">VII.</hi> (man leſe Benzo von Alba),<lb/>
einige Gegner der erſten Hohenſtaufen zeigen Phyſiogno-<lb/>
mien dieſer Art. Mit Ausgang des <hirendition="#aq">XIII.</hi> Jahrhunderts<lb/>
aber beginnt Italien plötzlich von Perſönlichkeiten zu wim-<lb/>
meln; der Bann, welcher auf dem Individualismus gele-<lb/>
gen, iſt hier völlig gebrochen; ſchrankenlos ſpecialiſiren ſich<lb/>
tauſend einzelne Geſichter. Dante's große Dichtung wäre<lb/>
in jedem andern Lande ſchon deßhalb unmöglich geweſen,<lb/>
weil das übrige Europa noch unter jenem Banne der Race<lb/>
lag; für Italien iſt der hehre Dichter ſchon durch die Fülle<lb/>
des Individuellen der nationalſte Herold ſeiner Zeit ge-<lb/>
worden. Doch die Darſtellung des Menſchenreichthums in<lb/>
Literatur und Kunſt, die vielartig ſchildernde Characteriſtik<lb/>
wird in beſondern Abſchnitten zu beſprechen ſein; hier han-<lb/>
delt es ſich nur um die pſychologiſche Thatſache ſelbſt. Mit<lb/>
voller Ganzheit und Entſchiedenheit tritt ſie in die Geſchichte<lb/>
ein; Italien weiß im <hirendition="#aq">XIV.</hi> Jahrhundert wenig von fal-<lb/>ſcher Beſcheidenheit und von Heuchelei überhaupt; kein<lb/>
Menſch ſcheut ſich davor, aufzufallen, anders zu ſein und<lb/>
zu ſcheinen <noteplace="foot"n="1)">In Florenz gab es um 1390 deßhalb keine herrſchende Mode der<lb/>
männlichen Kleidung mehr, weil Jeder ſich auf beſondere Weiſe zu<lb/>
tragen ſuchte. Vgl. die Canzone des Franco Sacchetti: <hirendition="#aq">contro alle<lb/>
nuove foggie,</hi> in den <hirendition="#aq">Rime, publ. dal Poggiali, p.</hi> 52.</note> als die andern.</p><lb/><p><noteplace="left">Die Gewalt-<lb/>
herrſcher.</note>Zunächſt entwickelt die Gewaltherrſchaft, wie wir ſahen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[132/0142]
individuelle Araber gegenüber den andern Aſiaten als
Racenmenſchen. Es wird nicht ſchwer ſein nachzuweiſen,
daß die politiſchen Verhältniſſe hieran den ſtärkſten Antheil
gehabt haben.
2. Abſchnitt.
Schon in viel frühern Zeiten giebt ſich ſtellenweiſe
eine Entwicklung der auf ſich ſelbſt geſtellten Perſönlichkeit
zu erkennen, wie ſie gleichzeitig im Norden nicht ſo vor-
kömmt oder ſich nicht ſo enthüllt. Der Kreis kräftiger
Frevler des X. Jahrhunderts, welchen Liutprand ſchildert,
einige Zeitgenoſſen Gregors VII. (man leſe Benzo von Alba),
einige Gegner der erſten Hohenſtaufen zeigen Phyſiogno-
mien dieſer Art. Mit Ausgang des XIII. Jahrhunderts
aber beginnt Italien plötzlich von Perſönlichkeiten zu wim-
meln; der Bann, welcher auf dem Individualismus gele-
gen, iſt hier völlig gebrochen; ſchrankenlos ſpecialiſiren ſich
tauſend einzelne Geſichter. Dante's große Dichtung wäre
in jedem andern Lande ſchon deßhalb unmöglich geweſen,
weil das übrige Europa noch unter jenem Banne der Race
lag; für Italien iſt der hehre Dichter ſchon durch die Fülle
des Individuellen der nationalſte Herold ſeiner Zeit ge-
worden. Doch die Darſtellung des Menſchenreichthums in
Literatur und Kunſt, die vielartig ſchildernde Characteriſtik
wird in beſondern Abſchnitten zu beſprechen ſein; hier han-
delt es ſich nur um die pſychologiſche Thatſache ſelbſt. Mit
voller Ganzheit und Entſchiedenheit tritt ſie in die Geſchichte
ein; Italien weiß im XIV. Jahrhundert wenig von fal-
ſcher Beſcheidenheit und von Heuchelei überhaupt; kein
Menſch ſcheut ſich davor, aufzufallen, anders zu ſein und
zu ſcheinen 1) als die andern.
Das Erwachen
der Perſönlich-
keit.
Zunächſt entwickelt die Gewaltherrſchaft, wie wir ſahen,
Die Gewalt-
herrſcher.
1) In Florenz gab es um 1390 deßhalb keine herrſchende Mode der
männlichen Kleidung mehr, weil Jeder ſich auf beſondere Weiſe zu
tragen ſuchte. Vgl. die Canzone des Franco Sacchetti: contro alle
nuove foggie, in den Rime, publ. dal Poggiali, p. 52.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/142>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.