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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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und gewissermaßen zwei- oder dreifach gelten, nämlich je an
einem anderen Ort, in jedem Staat kraft einer besonderen Zwangs-
organisation. In jedem Gebiet gilt sie dann selbständig, unab-
hängig von der Geltung in den anderen, z. B. der französische
code civil in Frankreich, Belgien und (früher) in Baden und im
Berner Jura. Es sind formell, d. h. abgesehen vom Inhalt, mehrere
Gesetze.

Wenn das Gesagte richtig ist, so steht die Geltung einer Rechts-
ordnung in engem Zusammenhang mit der Organisation. Geltung
hat diejenige Rechtsordnung, für die eine ihr entsprechende Orga-
nisation einsteht1. Findet eine Verfassung mit ihrem Organi-
sationsplan niemand, der sich zur Übernahme ihrer Ämter hergibt,
und ihre Amtsverrichtungen ausübt, so tritt sie nicht in Geltung.
Geltung haben diejenigen Teile der Rechtsordnung, für welche
sich die offiziellen Organe einsetzen. Versagen z. B. die Gerichte
planmäßig die Folge, läßt die Regierung eine Polizeivorschrift
folgerichtig unausgeführt, geht das Parlament bewußtermaßen
über eine Verfahrensvorschrift hinweg, so gelten diese Teile der
Rechtsordnung nicht mehr. Wird umgekehrt eine Norm durch
die amtliche Vertretung der Rechtsordnung, die staatlichen Be-
hörden, anerkannt und geschützt, die nicht auf dem ordentlichen
Wege der Gesetzgebung entstanden ist, so erlangt sie dadurch
Geltung. Denn diese Organisation entscheidet letztinstanzlich
darüber, was gilt2. Ja selbst eine neue organisatorische Norm,
welche die bisherige Organisation ändert, z. B. einer Behörde die
Zuständigkeit entzieht, die sie bisher hatte, oder ihre Wahlart
abändert, kann auf diesem Wege Geltung erlangen, wenn der
abgeänderte Plan durch die ihm entsprechenden Behörden un-
gehindert durchgesetzt wird.

Geltung setzt Organisation voraus: der Zwang, der dem
Recht zur Seite stehen muß, kann nur ausgeübt werden zur Durch-

1 Marck, Substanz- und Funktionsbegriff (1925) 145: "Dessen (des
Staates) Aufgabe ist, durch Organisation die Normen, die eben jene Or-
ganisation rechtlich sanktionieren, zur Durchführung zu bringen." Aber
nicht seine Verfassung hat der Verband zu erfüllen, sondern das (materielle)
Verhaltungsrecht. Carre de Malberg, Theorie generale de l'Etat I 57--67,
239. -- Kaltenborn, Kritik des Völkerrechts (1877) 259.
2 v. Stintzing, Macht und Recht (Rede 1876) 11, 16, 18, 21.
Burckhardt, Organisation. 12

Die Geltung des Rechts.
und gewissermaßen zwei- oder dreifach gelten, nämlich je an
einem anderen Ort, in jedem Staat kraft einer besonderen Zwangs-
organisation. In jedem Gebiet gilt sie dann selbständig, unab-
hängig von der Geltung in den anderen, z. B. der französische
code civil in Frankreich, Belgien und (früher) in Baden und im
Berner Jura. Es sind formell, d. h. abgesehen vom Inhalt, mehrere
Gesetze.

Wenn das Gesagte richtig ist, so steht die Geltung einer Rechts-
ordnung in engem Zusammenhang mit der Organisation. Geltung
hat diejenige Rechtsordnung, für die eine ihr entsprechende Orga-
nisation einsteht1. Findet eine Verfassung mit ihrem Organi-
sationsplan niemand, der sich zur Übernahme ihrer Ämter hergibt,
und ihre Amtsverrichtungen ausübt, so tritt sie nicht in Geltung.
Geltung haben diejenigen Teile der Rechtsordnung, für welche
sich die offiziellen Organe einsetzen. Versagen z. B. die Gerichte
planmäßig die Folge, läßt die Regierung eine Polizeivorschrift
folgerichtig unausgeführt, geht das Parlament bewußtermaßen
über eine Verfahrensvorschrift hinweg, so gelten diese Teile der
Rechtsordnung nicht mehr. Wird umgekehrt eine Norm durch
die amtliche Vertretung der Rechtsordnung, die staatlichen Be-
hörden, anerkannt und geschützt, die nicht auf dem ordentlichen
Wege der Gesetzgebung entstanden ist, so erlangt sie dadurch
Geltung. Denn diese Organisation entscheidet letztinstanzlich
darüber, was gilt2. Ja selbst eine neue organisatorische Norm,
welche die bisherige Organisation ändert, z. B. einer Behörde die
Zuständigkeit entzieht, die sie bisher hatte, oder ihre Wahlart
abändert, kann auf diesem Wege Geltung erlangen, wenn der
abgeänderte Plan durch die ihm entsprechenden Behörden un-
gehindert durchgesetzt wird.

Geltung setzt Organisation voraus: der Zwang, der dem
Recht zur Seite stehen muß, kann nur ausgeübt werden zur Durch-

1 Marck, Substanz- und Funktionsbegriff (1925) 145: „Dessen (des
Staates) Aufgabe ist, durch Organisation die Normen, die eben jene Or-
ganisation rechtlich sanktionieren, zur Durchführung zu bringen.“ Aber
nicht seine Verfassung hat der Verband zu erfüllen, sondern das (materielle)
Verhaltungsrecht. Carré de Malberg, Théorie générale de l'Etat I 57—67,
239. — Kaltenborn, Kritik des Völkerrechts (1877) 259.
2 v. Stintzing, Macht und Recht (Rede 1876) 11, 16, 18, 21.
Burckhardt, Organisation. 12
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[177/0192] Die Geltung des Rechts. und gewissermaßen zwei- oder dreifach gelten, nämlich je an einem anderen Ort, in jedem Staat kraft einer besonderen Zwangs- organisation. In jedem Gebiet gilt sie dann selbständig, unab- hängig von der Geltung in den anderen, z. B. der französische code civil in Frankreich, Belgien und (früher) in Baden und im Berner Jura. Es sind formell, d. h. abgesehen vom Inhalt, mehrere Gesetze. Wenn das Gesagte richtig ist, so steht die Geltung einer Rechts- ordnung in engem Zusammenhang mit der Organisation. Geltung hat diejenige Rechtsordnung, für die eine ihr entsprechende Orga- nisation einsteht 1. Findet eine Verfassung mit ihrem Organi- sationsplan niemand, der sich zur Übernahme ihrer Ämter hergibt, und ihre Amtsverrichtungen ausübt, so tritt sie nicht in Geltung. Geltung haben diejenigen Teile der Rechtsordnung, für welche sich die offiziellen Organe einsetzen. Versagen z. B. die Gerichte planmäßig die Folge, läßt die Regierung eine Polizeivorschrift folgerichtig unausgeführt, geht das Parlament bewußtermaßen über eine Verfahrensvorschrift hinweg, so gelten diese Teile der Rechtsordnung nicht mehr. Wird umgekehrt eine Norm durch die amtliche Vertretung der Rechtsordnung, die staatlichen Be- hörden, anerkannt und geschützt, die nicht auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung entstanden ist, so erlangt sie dadurch Geltung. Denn diese Organisation entscheidet letztinstanzlich darüber, was gilt 2. Ja selbst eine neue organisatorische Norm, welche die bisherige Organisation ändert, z. B. einer Behörde die Zuständigkeit entzieht, die sie bisher hatte, oder ihre Wahlart abändert, kann auf diesem Wege Geltung erlangen, wenn der abgeänderte Plan durch die ihm entsprechenden Behörden un- gehindert durchgesetzt wird. Geltung setzt Organisation voraus: der Zwang, der dem Recht zur Seite stehen muß, kann nur ausgeübt werden zur Durch- 1 Marck, Substanz- und Funktionsbegriff (1925) 145: „Dessen (des Staates) Aufgabe ist, durch Organisation die Normen, die eben jene Or- ganisation rechtlich sanktionieren, zur Durchführung zu bringen.“ Aber nicht seine Verfassung hat der Verband zu erfüllen, sondern das (materielle) Verhaltungsrecht. Carré de Malberg, Théorie générale de l'Etat I 57—67, 239. — Kaltenborn, Kritik des Völkerrechts (1877) 259. 2 v. Stintzing, Macht und Recht (Rede 1876) 11, 16, 18, 21. Burckhardt, Organisation. 12

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/192>, abgerufen am 25.11.2024.