vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäft verkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht. Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs- maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer- den können.
Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil, den die Privaten bisher kraft privater Rechte oder durch Begrün- dung solcher erzielten, nicht mißbilligt, sondern das Gebiet, auf welchem sich die private Autonomie betätigte, aus anderen Er- wägungen einschränkt; solche Erwägungen werden namentlich wirtschafts- und finanzpolitische sein. Wenn der Staat z. B. den Unterricht oder einen Zweig des Versicherungsgewerbes oder die Versorgung mit Elektrizität an sich zieht. Die Tätigkeit, die hier verboten wird, soll nicht als unzulässig oder minderwertig gekennzeichnet werden; sie ist vielleicht eine dem gesellschaftlichen Körper unentbehrliche Funktion und sie soll nicht mißbilligt, auch nicht unterdrückt, sondern nur in anderer Rechtsform weiter- geführt werden (vgl. S. 136).
Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist, sich für die Zukunft eine andere Tätigkeit zu suchen (und nicht einfach den entgehenden Gewinn als Schaden anrechnen kann, wie wenn das neue Recht nicht sein sollte), ist klar; aber er wird mit Recht geltend machen können, daß kein Grund besteht, ihn gegenüber anderen Gewerbetreibenden in seinem Vermögen zu schädigen, und daß ihm billigerweise Ersatz gebührt für den Schaden, den er dadurch erleidet, daß er sich auf die Gültigkeit der früheren Ordnung verlassen und sich in guten Treuen auf jene erlaubte Tätigkeit eingerichtet hatte.
Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als Gesetzgeber in Verhältnisse eingreift, die er selbst, als Staat, geschaffen hatte, in Rechtsverhältnisse also, die er nicht durch
Die wohlerworbenen Rechte.
vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäft verkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht. Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs- maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer- den können.
Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil, den die Privaten bisher kraft privater Rechte oder durch Begrün- dung solcher erzielten, nicht mißbilligt, sondern das Gebiet, auf welchem sich die private Autonomie betätigte, aus anderen Er- wägungen einschränkt; solche Erwägungen werden namentlich wirtschafts- und finanzpolitische sein. Wenn der Staat z. B. den Unterricht oder einen Zweig des Versicherungsgewerbes oder die Versorgung mit Elektrizität an sich zieht. Die Tätigkeit, die hier verboten wird, soll nicht als unzulässig oder minderwertig gekennzeichnet werden; sie ist vielleicht eine dem gesellschaftlichen Körper unentbehrliche Funktion und sie soll nicht mißbilligt, auch nicht unterdrückt, sondern nur in anderer Rechtsform weiter- geführt werden (vgl. S. 136).
Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist, sich für die Zukunft eine andere Tätigkeit zu suchen (und nicht einfach den entgehenden Gewinn als Schaden anrechnen kann, wie wenn das neue Recht nicht sein sollte), ist klar; aber er wird mit Recht geltend machen können, daß kein Grund besteht, ihn gegenüber anderen Gewerbetreibenden in seinem Vermögen zu schädigen, und daß ihm billigerweise Ersatz gebührt für den Schaden, den er dadurch erleidet, daß er sich auf die Gültigkeit der früheren Ordnung verlassen und sich in guten Treuen auf jene erlaubte Tätigkeit eingerichtet hatte.
Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als Gesetzgeber in Verhältnisse eingreift, die er selbst, als Staat, geschaffen hatte, in Rechtsverhältnisse also, die er nicht durch
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[101/0116]
Die wohlerworbenen Rechte.
vielleicht auch der frühere Fabrikant, der ihm das Geschäft
verkauft hat, ihren Gewinn behalten, während seine Gläubiger
am Verlust teilnehmen. Der Gesetzgeber wird diese Einheit des
privatrechtlichen Vermögenssystems berücksichtigen müssen, und
er wird es um so mehr tun müssen, als er den Mißbrauch
länger geduldet hat. Denn seine Aufgabe ist es ja, alles, was
verbietenswert ist, sofort zu verbieten, und wenn er dieser
Aufgabe vollkommen nachkäme, entstünde unsere Frage nicht.
Wenn sie aber infolge der Unvollkommenheit der Gesetzgebungs-
maschine entsteht, wird sie nicht ohne jede Rücksicht auf die
Einheit des privatrechtlichen Vermögenssystems beantwortet wer-
den können.
Anders verhält es sich aber, wenn das neue Recht den Vorteil,
den die Privaten bisher kraft privater Rechte oder durch Begrün-
dung solcher erzielten, nicht mißbilligt, sondern das Gebiet, auf
welchem sich die private Autonomie betätigte, aus anderen Er-
wägungen einschränkt; solche Erwägungen werden namentlich
wirtschafts- und finanzpolitische sein. Wenn der Staat z. B. den
Unterricht oder einen Zweig des Versicherungsgewerbes oder
die Versorgung mit Elektrizität an sich zieht. Die Tätigkeit, die
hier verboten wird, soll nicht als unzulässig oder minderwertig
gekennzeichnet werden; sie ist vielleicht eine dem gesellschaftlichen
Körper unentbehrliche Funktion und sie soll nicht mißbilligt, auch
nicht unterdrückt, sondern nur in anderer Rechtsform weiter-
geführt werden (vgl. S. 136).
Daß der Betroffene hier wie im ersten Fall verpflichtet ist,
sich für die Zukunft eine andere Tätigkeit zu suchen (und nicht
einfach den entgehenden Gewinn als Schaden anrechnen kann,
wie wenn das neue Recht nicht sein sollte), ist klar; aber er wird
mit Recht geltend machen können, daß kein Grund besteht, ihn
gegenüber anderen Gewerbetreibenden in seinem Vermögen zu
schädigen, und daß ihm billigerweise Ersatz gebührt für den
Schaden, den er dadurch erleidet, daß er sich auf die Gültigkeit
der früheren Ordnung verlassen und sich in guten Treuen auf jene
erlaubte Tätigkeit eingerichtet hatte.
Hierher gehört insbesondere auch der Fall, wo der Staat als
Gesetzgeber in Verhältnisse eingreift, die er selbst, als Staat,
geschaffen hatte, in Rechtsverhältnisse also, die er nicht durch
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/116>, abgerufen am 16.07.2024.
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