I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
(wie Kokain) als gesundheitsschädlich, der Betrieb von Glücks- spielen als unsittlich, die Verwendung von leichtentzündbaren Stoffen in der Fabrik als feuergefährlich, die Veranstaltung von Ausverkäufen als unredlich verboten werden, können die dadurch betroffenen Gewerbetreibenden nicht Ersatz für den entgehenden Gewinn verlangen, denn eben diesen Gewinn will der Gesetzgeber als unzulässig bezeichnen.
Auch hier aber stellt sich die Schwierigkeit ein, die Last des mit dem Verbot oder mit der Aufhebung des Privatrechts ent- standenen Schadens gerecht zu verteilen und nicht der Willkür des Zufalls zu überlassen.
Das System der Privatrechte ist ein zusammenhängendes Ganzes; jeder, der am privatrechtlichen Verkehr teilnimmt, parti- zipiert am Ganzen, d. h. an den Wirkungen des Ganzen; es wird ihm davon, im Verhältnis zu seinen Leistungen, mehr oder weniger zukommen, nach der Gunst der Umstände und dem Zufall seiner Fähigkeiten. Aber wenn der staatliche Gesetzgeber in dieses System eine Bresche legt durch die Niederlegung eines bisher dazu gehörigen Werkes, ist es keineswegs gesagt, daß diejenigen, die hinter diesem Werke standen, den meisten Nutzen davon hat- ten und verdienen, die Kosten der Niederlegung allein zu tragen.
Wenn z. B. die Sklaverei abgeschafft wird, wird mancher denken: Sklavenhalter brauche man nicht zu entschädigen für die Aufhebung ihres schändlichen Handwerkes; aber soll der Baumwollhändler, der die von den Schwarzen gepflanzte Baum- wolle mit Gewinn verkauft hat, seinen ganzen Gewinn behalten, und der Architekt, der dem Sklavenhalter eine Villa gebaut, den seinen? Wenn das Gesetz den Schwarzen die Rechtspersönlich- keit abspricht, warum soll derjenige bestraft werden, der diese menschlichen Sachen als solche behandelt und vielleicht mensch- lich behandelt hat?
Wenn das Absinthgetränk verboten wird (Schweizer. BV Art. 32), wird wohl der Fabrikant, der aus der gewerbsmäßigen Herstellung Nutzen gezogen hat, Ersatz weder für den entgehenden Gewinn noch für die Entwertung seiner Einrichtungen verlangen können. Aber wenn er nun das in seinem Geschäft investierte Kapital verliert, bleibt es unbefriedigend, daß der Händler, der das Produkt weiterverkaufte, der Wirt, der es ausschenkte, und
I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
(wie Kokain) als gesundheitsschädlich, der Betrieb von Glücks- spielen als unsittlich, die Verwendung von leichtentzündbaren Stoffen in der Fabrik als feuergefährlich, die Veranstaltung von Ausverkäufen als unredlich verboten werden, können die dadurch betroffenen Gewerbetreibenden nicht Ersatz für den entgehenden Gewinn verlangen, denn eben diesen Gewinn will der Gesetzgeber als unzulässig bezeichnen.
Auch hier aber stellt sich die Schwierigkeit ein, die Last des mit dem Verbot oder mit der Aufhebung des Privatrechts ent- standenen Schadens gerecht zu verteilen und nicht der Willkür des Zufalls zu überlassen.
Das System der Privatrechte ist ein zusammenhängendes Ganzes; jeder, der am privatrechtlichen Verkehr teilnimmt, parti- zipiert am Ganzen, d. h. an den Wirkungen des Ganzen; es wird ihm davon, im Verhältnis zu seinen Leistungen, mehr oder weniger zukommen, nach der Gunst der Umstände und dem Zufall seiner Fähigkeiten. Aber wenn der staatliche Gesetzgeber in dieses System eine Bresche legt durch die Niederlegung eines bisher dazu gehörigen Werkes, ist es keineswegs gesagt, daß diejenigen, die hinter diesem Werke standen, den meisten Nutzen davon hat- ten und verdienen, die Kosten der Niederlegung allein zu tragen.
Wenn z. B. die Sklaverei abgeschafft wird, wird mancher denken: Sklavenhalter brauche man nicht zu entschädigen für die Aufhebung ihres schändlichen Handwerkes; aber soll der Baumwollhändler, der die von den Schwarzen gepflanzte Baum- wolle mit Gewinn verkauft hat, seinen ganzen Gewinn behalten, und der Architekt, der dem Sklavenhalter eine Villa gebaut, den seinen? Wenn das Gesetz den Schwarzen die Rechtspersönlich- keit abspricht, warum soll derjenige bestraft werden, der diese menschlichen Sachen als solche behandelt und vielleicht mensch- lich behandelt hat?
Wenn das Absinthgetränk verboten wird (Schweizer. BV Art. 32), wird wohl der Fabrikant, der aus der gewerbsmäßigen Herstellung Nutzen gezogen hat, Ersatz weder für den entgehenden Gewinn noch für die Entwertung seiner Einrichtungen verlangen können. Aber wenn er nun das in seinem Geschäft investierte Kapital verliert, bleibt es unbefriedigend, daß der Händler, der das Produkt weiterverkaufte, der Wirt, der es ausschenkte, und
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I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
(wie Kokain) als gesundheitsschädlich, der Betrieb von Glücks-
spielen als unsittlich, die Verwendung von leichtentzündbaren
Stoffen in der Fabrik als feuergefährlich, die Veranstaltung von
Ausverkäufen als unredlich verboten werden, können die dadurch
betroffenen Gewerbetreibenden nicht Ersatz für den entgehenden
Gewinn verlangen, denn eben diesen Gewinn will der Gesetzgeber
als unzulässig bezeichnen.
Auch hier aber stellt sich die Schwierigkeit ein, die Last des
mit dem Verbot oder mit der Aufhebung des Privatrechts ent-
standenen Schadens gerecht zu verteilen und nicht der Willkür
des Zufalls zu überlassen.
Das System der Privatrechte ist ein zusammenhängendes
Ganzes; jeder, der am privatrechtlichen Verkehr teilnimmt, parti-
zipiert am Ganzen, d. h. an den Wirkungen des Ganzen; es wird
ihm davon, im Verhältnis zu seinen Leistungen, mehr oder weniger
zukommen, nach der Gunst der Umstände und dem Zufall seiner
Fähigkeiten. Aber wenn der staatliche Gesetzgeber in dieses
System eine Bresche legt durch die Niederlegung eines bisher
dazu gehörigen Werkes, ist es keineswegs gesagt, daß diejenigen,
die hinter diesem Werke standen, den meisten Nutzen davon hat-
ten und verdienen, die Kosten der Niederlegung allein zu tragen.
Wenn z. B. die Sklaverei abgeschafft wird, wird mancher
denken: Sklavenhalter brauche man nicht zu entschädigen für
die Aufhebung ihres schändlichen Handwerkes; aber soll der
Baumwollhändler, der die von den Schwarzen gepflanzte Baum-
wolle mit Gewinn verkauft hat, seinen ganzen Gewinn behalten,
und der Architekt, der dem Sklavenhalter eine Villa gebaut, den
seinen? Wenn das Gesetz den Schwarzen die Rechtspersönlich-
keit abspricht, warum soll derjenige bestraft werden, der diese
menschlichen Sachen als solche behandelt und vielleicht mensch-
lich behandelt hat?
Wenn das Absinthgetränk verboten wird (Schweizer. BV
Art. 32), wird wohl der Fabrikant, der aus der gewerbsmäßigen
Herstellung Nutzen gezogen hat, Ersatz weder für den entgehenden
Gewinn noch für die Entwertung seiner Einrichtungen verlangen
können. Aber wenn er nun das in seinem Geschäft investierte
Kapital verliert, bleibt es unbefriedigend, daß der Händler, der
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/115>, abgerufen am 16.07.2024.
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