vollends irdisch wirklich. Ein Gemälde, das schon seiner Gattung nach -- als Processionsfahne -- eine Ausnahme bilden mochte (wie diess bei der sixtin. Mad. mit Wahrscheinlichkeit angenommen wird), darf indess nicht als Norm für Altarbilder dienen.
Von der Madonna del pesce, welche mit so manchem Mei- sterwerk unter den spanischen Vicekönigen aus Neapel nach Spanien akam, findet man in S. Paolo zu Neapel (im Durchgang aus der Kirche zur Sacristei) noch eine alte Copie. In dieser höchst liebenswürdigen Composition ist Maria wieder in die Mitte der Heiligen herabgerückt, wie in der Mad. del baldacchino, aber die hohe Auffassung der For- men, der reine Schwung der Composition zeugt von der spätern, voll- endeten Epoche des Meisters.
So hat denn Rafael, mit einziger Ausnahme der sixtinischen Ma- donna, überall in seiner Maria nur das Weibliche nach allen Kräften verklärt und es darauf ankommen lassen, ob man die Mutter Gottes, die Königin der Engel, die mit allem Glanz der Mystik gefeierte Her- rin des Himmels darin erkennen werde oder nicht. Er ist immer so wenig symbolisch als möglich; seine Kunst lebt nicht von Beziehun- gen, die ausserhalb der Form liegen, -- so sehr ihm auch das Sym- bolische da zu Gebote stand, wo es hingehört, wie die Fresken im Vatican zeigen. Auch sein Christuskind ist mit einziger Ausnahme des grandios unheimlichen Knaben auf dem Arm der sixtin. Madonna nur der reinste Hauch kindlicher Schönheit. Italien ist reich gesegnet in dieser Hinsicht, sodass dem Maler oft nur die Wahl schwer fällt, und seit Lippo Lippi und Luca della Robbia hatte die Kunst uner- müdlich nach der höchsten Beseelung der Kindesgestalt gestrebt; Ra- fael kam und zog das Resultat. Sein Christus- und sein Johanneskind zeigen mit Ausnahme der frühsten, peruginisch-sentimentalen Bilder nichts als das schönste Jugendleben, dessen gesunde Äusserung indess nur bis an die Grenzen des Schalkhaften verfolgt wird und erst bei Giulio Romano (anderwärts bei Andrea del Sarto) in das Muthwillige übergeht, um endlich bei spätern Generationen in das Süssliche zu fallen.
Dieses blosse schöne Dasein, welches das Wesen des Kindes ist, hört auf mit der ersten Thätigkeit. Es giebt von R. keine Darstellung
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
vollends irdisch wirklich. Ein Gemälde, das schon seiner Gattung nach — als Processionsfahne — eine Ausnahme bilden mochte (wie diess bei der sixtin. Mad. mit Wahrscheinlichkeit angenommen wird), darf indess nicht als Norm für Altarbilder dienen.
Von der Madonna del pesce, welche mit so manchem Mei- sterwerk unter den spanischen Vicekönigen aus Neapel nach Spanien akam, findet man in S. Paolo zu Neapel (im Durchgang aus der Kirche zur Sacristei) noch eine alte Copie. In dieser höchst liebenswürdigen Composition ist Maria wieder in die Mitte der Heiligen herabgerückt, wie in der Mad. del baldacchino, aber die hohe Auffassung der For- men, der reine Schwung der Composition zeugt von der spätern, voll- endeten Epoche des Meisters.
So hat denn Rafael, mit einziger Ausnahme der sixtinischen Ma- donna, überall in seiner Maria nur das Weibliche nach allen Kräften verklärt und es darauf ankommen lassen, ob man die Mutter Gottes, die Königin der Engel, die mit allem Glanz der Mystik gefeierte Her- rin des Himmels darin erkennen werde oder nicht. Er ist immer so wenig symbolisch als möglich; seine Kunst lebt nicht von Beziehun- gen, die ausserhalb der Form liegen, — so sehr ihm auch das Sym- bolische da zu Gebote stand, wo es hingehört, wie die Fresken im Vatican zeigen. Auch sein Christuskind ist mit einziger Ausnahme des grandios unheimlichen Knaben auf dem Arm der sixtin. Madonna nur der reinste Hauch kindlicher Schönheit. Italien ist reich gesegnet in dieser Hinsicht, sodass dem Maler oft nur die Wahl schwer fällt, und seit Lippo Lippi und Luca della Robbia hatte die Kunst uner- müdlich nach der höchsten Beseelung der Kindesgestalt gestrebt; Ra- fael kam und zog das Resultat. Sein Christus- und sein Johanneskind zeigen mit Ausnahme der frühsten, peruginisch-sentimentalen Bilder nichts als das schönste Jugendleben, dessen gesunde Äusserung indess nur bis an die Grenzen des Schalkhaften verfolgt wird und erst bei Giulio Romano (anderwärts bei Andrea del Sarto) in das Muthwillige übergeht, um endlich bei spätern Generationen in das Süssliche zu fallen.
Dieses blosse schöne Dasein, welches das Wesen des Kindes ist, hört auf mit der ersten Thätigkeit. Es giebt von R. keine Darstellung
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[902/0924]
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
vollends irdisch wirklich. Ein Gemälde, das schon seiner Gattung
nach — als Processionsfahne — eine Ausnahme bilden mochte (wie
diess bei der sixtin. Mad. mit Wahrscheinlichkeit angenommen wird),
darf indess nicht als Norm für Altarbilder dienen.
Von der Madonna del pesce, welche mit so manchem Mei-
sterwerk unter den spanischen Vicekönigen aus Neapel nach Spanien
kam, findet man in S. Paolo zu Neapel (im Durchgang aus der Kirche
zur Sacristei) noch eine alte Copie. In dieser höchst liebenswürdigen
Composition ist Maria wieder in die Mitte der Heiligen herabgerückt,
wie in der Mad. del baldacchino, aber die hohe Auffassung der For-
men, der reine Schwung der Composition zeugt von der spätern, voll-
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So hat denn Rafael, mit einziger Ausnahme der sixtinischen Ma-
donna, überall in seiner Maria nur das Weibliche nach allen Kräften
verklärt und es darauf ankommen lassen, ob man die Mutter Gottes,
die Königin der Engel, die mit allem Glanz der Mystik gefeierte Her-
rin des Himmels darin erkennen werde oder nicht. Er ist immer so
wenig symbolisch als möglich; seine Kunst lebt nicht von Beziehun-
gen, die ausserhalb der Form liegen, — so sehr ihm auch das Sym-
bolische da zu Gebote stand, wo es hingehört, wie die Fresken im
Vatican zeigen. Auch sein Christuskind ist mit einziger Ausnahme
des grandios unheimlichen Knaben auf dem Arm der sixtin. Madonna
nur der reinste Hauch kindlicher Schönheit. Italien ist reich gesegnet
in dieser Hinsicht, sodass dem Maler oft nur die Wahl schwer fällt,
und seit Lippo Lippi und Luca della Robbia hatte die Kunst uner-
müdlich nach der höchsten Beseelung der Kindesgestalt gestrebt; Ra-
fael kam und zog das Resultat. Sein Christus- und sein Johanneskind
zeigen mit Ausnahme der frühsten, peruginisch-sentimentalen Bilder
nichts als das schönste Jugendleben, dessen gesunde Äusserung indess
nur bis an die Grenzen des Schalkhaften verfolgt wird und erst bei
Giulio Romano (anderwärts bei Andrea del Sarto) in das Muthwillige
übergeht, um endlich bei spätern Generationen in das Süssliche zu
fallen.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 902. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/924>, abgerufen am 18.12.2024.
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