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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Porträtmalerei.

Der Darstellungsart nach sind diese Werke sehr verschieden. Schon
Masaccio giebt eine geistvolle Dreiviertelansicht und hebt das Be-
deutende leicht und sicher hervor. Andrea del Castagno (Jünglings-a
porträt im Pal. Pitti) folgt ihm darin nach Kräften; Sandro dagegen
giebt nur ein Profil. Auch die Oberitaliener sind getheilt, P. della
Francesca giebt Profilköpfe mit der schärfsten und genausten Modelli-
rung, die auch keine Warze verschont, auf einem niedlichen land-
schaftlichen Hintergrunde; auch Conti profilirt; Mantegna und Francia
(auch Perugino) geben die Köpfe ganz von vorn, und suchen durch
schöne Landschaften denselben einen wahrhaft idealen Hintergrund zu
verleihen, Mantegna z. B. durch ein Felsgebirg im letzten Abendschim-
mer. Der Dreiviertelansicht nähert sich das Bild des Medailleurs (mitb
einer Landschaft in Francesca's Art); auch Lorenzo Costa (Pal. Pitti)c
und Giov. Bellini. -- Lor. di Credi ist schon von Lionardo abhängig.

Der Auffassung nach sind einige dieser Bildnisse edle Meister-
werke. Lionardo aber übertrifft sie alle in dem was ihnen eigen
ist, in der Modellirung, und leiht den von ihm Dargestellten einen
Hauch höhern Lebens, der ihm eigen ist und mit seinem Ideal zu-
sammenhängt. Auch er zieht gerne die Landschaft zu Hülfe und vol-
lendet damit im Porträt der Gioconda (Louvre) jene völlig traumhafte
Wirkung, die dieses Bildniss aller Bildnisse ausübt.

In Florenz enthält der Pal. Pitti das Bildniss einer schwarzbe-d
kleideten Dame, der Ginevra Benci. Der Meister, welcher sich im

wiss grossentheils aus Freskea) gesammelt, befanden sich im Palazzo Gio-
vio zu Como. Es waren darunter (laut Vasari, Leben des Piero della Fran-
cesca) z. B. eine ganze Anzahl von Köpfen, welche Rafael nach den bild-
nissreichen Fresken Bramantino's in den vaticanischen Zimmern copiren liess,
ehe er sie herunterschlug um für den Heliodor und die Messe von Bolsena
Raum zu gewinnen; aus Rafaels Nachlass kamen sie durch Giulio Romano
an Paolo Giovio. -- Im XVII. Jahrh. liessen dann die Mediceer die ganze
Sammlung durch hingesandte Maler copiren und diese Copien, die doch immer
eine höhere Autorität als die Holzschnitte besitzen, bilden jetzt einen Theil
der grossen Porträtsammlung der Uffizien (am Gesims der beiden Gänge).*
Eine andere grosse alte Sammlung, die mantuanische, Werke jenes tüch-
tigen Veronesers Franc. Bonsignori (geb. 1455), scheint seit der Katastrophe
von Mantua 1630 verschollen zu sein. (Vgl. Vasari, im Leben des Gio-
condo etc.)
Porträtmalerei.

Der Darstellungsart nach sind diese Werke sehr verschieden. Schon
Masaccio giebt eine geistvolle Dreiviertelansicht und hebt das Be-
deutende leicht und sicher hervor. Andrea del Castagno (Jünglings-a
porträt im Pal. Pitti) folgt ihm darin nach Kräften; Sandro dagegen
giebt nur ein Profil. Auch die Oberitaliener sind getheilt, P. della
Francesca giebt Profilköpfe mit der schärfsten und genausten Modelli-
rung, die auch keine Warze verschont, auf einem niedlichen land-
schaftlichen Hintergrunde; auch Conti profilirt; Mantegna und Francia
(auch Perugino) geben die Köpfe ganz von vorn, und suchen durch
schöne Landschaften denselben einen wahrhaft idealen Hintergrund zu
verleihen, Mantegna z. B. durch ein Felsgebirg im letzten Abendschim-
mer. Der Dreiviertelansicht nähert sich das Bild des Medailleurs (mitb
einer Landschaft in Francesca’s Art); auch Lorenzo Costa (Pal. Pitti)c
und Giov. Bellini. — Lor. di Credi ist schon von Lionardo abhängig.

Der Auffassung nach sind einige dieser Bildnisse edle Meister-
werke. Lionardo aber übertrifft sie alle in dem was ihnen eigen
ist, in der Modellirung, und leiht den von ihm Dargestellten einen
Hauch höhern Lebens, der ihm eigen ist und mit seinem Ideal zu-
sammenhängt. Auch er zieht gerne die Landschaft zu Hülfe und vol-
lendet damit im Porträt der Gioconda (Louvre) jene völlig traumhafte
Wirkung, die dieses Bildniss aller Bildnisse ausübt.

In Florenz enthält der Pal. Pitti das Bildniss einer schwarzbe-d
kleideten Dame, der Ginevra Benci. Der Meister, welcher sich im

wiss grossentheils aus Freskea) gesammelt, befanden sich im Palazzo Gio-
vio zu Como. Es waren darunter (laut Vasari, Leben des Piero della Fran-
cesca) z. B. eine ganze Anzahl von Köpfen, welche Rafael nach den bild-
nissreichen Fresken Bramantino’s in den vaticanischen Zimmern copiren liess,
ehe er sie herunterschlug um für den Heliodor und die Messe von Bolsena
Raum zu gewinnen; aus Rafaels Nachlass kamen sie durch Giulio Romano
an Paolo Giovio. — Im XVII. Jahrh. liessen dann die Mediceer die ganze
Sammlung durch hingesandte Maler copiren und diese Copien, die doch immer
eine höhere Autorität als die Holzschnitte besitzen, bilden jetzt einen Theil
der grossen Porträtsammlung der Uffizien (am Gesims der beiden Gänge).*
Eine andere grosse alte Sammlung, die mantuanische, Werke jenes tüch-
tigen Veronesers Franc. Bonsignori (geb. 1455), scheint seit der Katastrophe
von Mantua 1630 verschollen zu sein. (Vgl. Vasari, im Leben des Gio-
condo etc.)
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[861/0883] Porträtmalerei. Der Darstellungsart nach sind diese Werke sehr verschieden. Schon Masaccio giebt eine geistvolle Dreiviertelansicht und hebt das Be- deutende leicht und sicher hervor. Andrea del Castagno (Jünglings- porträt im Pal. Pitti) folgt ihm darin nach Kräften; Sandro dagegen giebt nur ein Profil. Auch die Oberitaliener sind getheilt, P. della Francesca giebt Profilköpfe mit der schärfsten und genausten Modelli- rung, die auch keine Warze verschont, auf einem niedlichen land- schaftlichen Hintergrunde; auch Conti profilirt; Mantegna und Francia (auch Perugino) geben die Köpfe ganz von vorn, und suchen durch schöne Landschaften denselben einen wahrhaft idealen Hintergrund zu verleihen, Mantegna z. B. durch ein Felsgebirg im letzten Abendschim- mer. Der Dreiviertelansicht nähert sich das Bild des Medailleurs (mit einer Landschaft in Francesca’s Art); auch Lorenzo Costa (Pal. Pitti) und Giov. Bellini. — Lor. di Credi ist schon von Lionardo abhängig. a b c Der Auffassung nach sind einige dieser Bildnisse edle Meister- werke. Lionardo aber übertrifft sie alle in dem was ihnen eigen ist, in der Modellirung, und leiht den von ihm Dargestellten einen Hauch höhern Lebens, der ihm eigen ist und mit seinem Ideal zu- sammenhängt. Auch er zieht gerne die Landschaft zu Hülfe und vol- lendet damit im Porträt der Gioconda (Louvre) jene völlig traumhafte Wirkung, die dieses Bildniss aller Bildnisse ausübt. In Florenz enthält der Pal. Pitti das Bildniss einer schwarzbe- kleideten Dame, der Ginevra Benci. Der Meister, welcher sich im 1) d 1) wiss grossentheils aus Freskea) gesammelt, befanden sich im Palazzo Gio- vio zu Como. Es waren darunter (laut Vasari, Leben des Piero della Fran- cesca) z. B. eine ganze Anzahl von Köpfen, welche Rafael nach den bild- nissreichen Fresken Bramantino’s in den vaticanischen Zimmern copiren liess, ehe er sie herunterschlug um für den Heliodor und die Messe von Bolsena Raum zu gewinnen; aus Rafaels Nachlass kamen sie durch Giulio Romano an Paolo Giovio. — Im XVII. Jahrh. liessen dann die Mediceer die ganze Sammlung durch hingesandte Maler copiren und diese Copien, die doch immer eine höhere Autorität als die Holzschnitte besitzen, bilden jetzt einen Theil der grossen Porträtsammlung der Uffizien (am Gesims der beiden Gänge). Eine andere grosse alte Sammlung, die mantuanische, Werke jenes tüch- tigen Veronesers Franc. Bonsignori (geb. 1455), scheint seit der Katastrophe von Mantua 1630 verschollen zu sein. (Vgl. Vasari, im Leben des Gio- condo etc.)

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/883>, abgerufen am 17.06.2024.