Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Altniederländische und altdeutsche Meister.
ergehen sich in sanften Übergängen und Spiegelungen, die Liebe zum
glänzenden Detail aber sucht sich ihre neuen Probleme z. B. in ein-
zelnen höchst vollendeten Stoffbezeichnungen wie die Jaspissäulen,
ader Goldschmuck u. s. w. 1). Das Doppelporträt in der Malersamm-
lung der Uffizien, bez. 1520, welches dort als das des Messys und
seiner Frau gilt, mag von ihm gemalt sein; dass es ihn darstelle, ist
bwenigstens nicht unmöglich. Das Porträt eines Cardinals im Pal.
Corsini zu Rom ist mindestens ein vortreffliches Werk seiner Richtung.

Von der damaligen niederländischen Landschaftmalerei giebt ein
cschönes Bild im Pal. Pallavicini (Str. Carlo Felice) zu Genua einen
Begriff; es ist die Ruhe auf der Flucht in einer jener heimlichen
Waldlandschaften, welche uns eine der schönsten poetischen Seiten
der damaligen nordischen Kunst offenbaren. (Nicht wohl von Pate-
nier.) -- Von Herri de Bles ist nichts in dieser Richtung Bezeich-
dnendes zu nennen; sein Thurmbau von Babel (Acad. von Venedig) ist
eum der Figuren willen gemalt; in seiner Pieta (S. Pietro in Modena,
2. Alt. r.) scheint gerade die Landschaft halb ferraresisch behandelt.

Was sollen wir nun über Lucas von Leyden sagen, der als
"Luca d'Olanda" ein Gattungsbegriff für die italienischen Cu-
stoden geworden ist? Anerkanntermassen gehören ihm die beiden
fEccehomo's in der Tribuna der Uffizien und in der Capelle des Pa-
glazzo reale zu Venedig (hier mit Pilatus und Schergen, unter Dürers
Namen). Es bleibt bedenklich, einem Maler der so verschieden und
so Verschiedenartiges gemalt hat, auf Grund dieser beiden Bilder hin
hundert andere zu- oder abzusprechen. Welche Autorität der lichte
hderbe Profilkopf für sich hat, der in den Uffizien als sein Porträt gilt,
iweiss ich nicht. Die Kreuzabnahme die im Pal. Pallavicini, und die
kthronende Madonna mit heiligen Frauen, die in der Academie von
Venedig seinen Namen führen, sind sicher nicht von ihm. Wie es
lsich mit den beiden Altarwerken im Museum von Neapel (einer An-
betung der Könige und einer Passion mit Donatoren) verhält, kann
ich aus dem Gedächtniss nicht angeben. Eine Menge sogen. Luca's

1) Die vier altniederländischen und altdeutschen Bilder "in einem besondern
*Zimmer" des Pal. Ducale zu Genua habe ich 1854 vergebens zu erfragen
gesucht.

Altniederländische und altdeutsche Meister.
ergehen sich in sanften Übergängen und Spiegelungen, die Liebe zum
glänzenden Detail aber sucht sich ihre neuen Probleme z. B. in ein-
zelnen höchst vollendeten Stoffbezeichnungen wie die Jaspissäulen,
ader Goldschmuck u. s. w. 1). Das Doppelporträt in der Malersamm-
lung der Uffizien, bez. 1520, welches dort als das des Messys und
seiner Frau gilt, mag von ihm gemalt sein; dass es ihn darstelle, ist
bwenigstens nicht unmöglich. Das Porträt eines Cardinals im Pal.
Corsini zu Rom ist mindestens ein vortreffliches Werk seiner Richtung.

Von der damaligen niederländischen Landschaftmalerei giebt ein
cschönes Bild im Pal. Pallavicini (Str. Carlo Felice) zu Genua einen
Begriff; es ist die Ruhe auf der Flucht in einer jener heimlichen
Waldlandschaften, welche uns eine der schönsten poetischen Seiten
der damaligen nordischen Kunst offenbaren. (Nicht wohl von Pate-
nier.) — Von Herri de Bles ist nichts in dieser Richtung Bezeich-
dnendes zu nennen; sein Thurmbau von Babel (Acad. von Venedig) ist
eum der Figuren willen gemalt; in seiner Pietà (S. Pietro in Modena,
2. Alt. r.) scheint gerade die Landschaft halb ferraresisch behandelt.

Was sollen wir nun über Lucas von Leyden sagen, der als
Luca d’Olanda“ ein Gattungsbegriff für die italienischen Cu-
stoden geworden ist? Anerkanntermassen gehören ihm die beiden
fEccehomo’s in der Tribuna der Uffizien und in der Capelle des Pa-
glazzo reale zu Venedig (hier mit Pilatus und Schergen, unter Dürers
Namen). Es bleibt bedenklich, einem Maler der so verschieden und
so Verschiedenartiges gemalt hat, auf Grund dieser beiden Bilder hin
hundert andere zu- oder abzusprechen. Welche Autorität der lichte
hderbe Profilkopf für sich hat, der in den Uffizien als sein Porträt gilt,
iweiss ich nicht. Die Kreuzabnahme die im Pal. Pallavicini, und die
kthronende Madonna mit heiligen Frauen, die in der Academie von
Venedig seinen Namen führen, sind sicher nicht von ihm. Wie es
lsich mit den beiden Altarwerken im Museum von Neapel (einer An-
betung der Könige und einer Passion mit Donatoren) verhält, kann
ich aus dem Gedächtniss nicht angeben. Eine Menge sogen. Luca’s

1) Die vier altniederländischen und altdeutschen Bilder „in einem besondern
*Zimmer“ des Pal. Ducale zu Genua habe ich 1854 vergebens zu erfragen
gesucht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0872" n="850"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Altniederländische und altdeutsche Meister.</hi></fw><lb/>
ergehen sich in sanften Übergängen und Spiegelungen, die Liebe zum<lb/>
glänzenden Detail aber sucht sich ihre neuen Probleme z. B. in ein-<lb/>
zelnen höchst vollendeten Stoffbezeichnungen wie die Jaspissäulen,<lb/><note place="left">a</note>der Goldschmuck u. s. w. <note place="foot" n="1)">Die vier altniederländischen und altdeutschen Bilder &#x201E;in einem besondern<lb/><note place="left">*</note>Zimmer&#x201C; des Pal. Ducale zu Genua habe ich 1854 vergebens zu erfragen<lb/>
gesucht.</note>. Das Doppelporträt in der Malersamm-<lb/>
lung der Uffizien, bez. 1520, welches dort als das des Messys und<lb/>
seiner Frau gilt, mag von ihm gemalt sein; dass es ihn darstelle, ist<lb/><note place="left">b</note>wenigstens nicht unmöglich. Das Porträt eines Cardinals im Pal.<lb/>
Corsini zu Rom ist mindestens ein vortreffliches Werk seiner Richtung.</p><lb/>
        <p>Von der damaligen niederländischen Landschaftmalerei giebt ein<lb/><note place="left">c</note>schönes Bild im Pal. Pallavicini (Str. Carlo Felice) zu Genua einen<lb/>
Begriff; es ist die Ruhe auf der Flucht in einer jener heimlichen<lb/>
Waldlandschaften, welche uns eine der schönsten poetischen Seiten<lb/>
der damaligen nordischen Kunst offenbaren. (Nicht wohl von Pate-<lb/>
nier.) &#x2014; Von <hi rendition="#g">Herri de Bles</hi> ist nichts in dieser Richtung Bezeich-<lb/><note place="left">d</note>nendes zu nennen; sein Thurmbau von Babel (Acad. von Venedig) ist<lb/><note place="left">e</note>um der Figuren willen gemalt; in seiner Pietà (S. Pietro in Modena,<lb/>
2. Alt. r.) scheint gerade die Landschaft halb ferraresisch behandelt.</p><lb/>
        <p>Was sollen wir nun über <hi rendition="#g">Lucas von Leyden</hi> sagen, der als<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Luca d&#x2019;Olanda</hi>&#x201C; ein Gattungsbegriff für die italienischen Cu-<lb/>
stoden geworden ist? Anerkanntermassen gehören ihm die beiden<lb/><note place="left">f</note>Eccehomo&#x2019;s in der Tribuna der Uffizien und in der Capelle des Pa-<lb/><note place="left">g</note>lazzo reale zu Venedig (hier mit Pilatus und Schergen, unter Dürers<lb/>
Namen). Es bleibt bedenklich, einem Maler der so verschieden und<lb/>
so Verschiedenartiges gemalt hat, auf Grund dieser beiden Bilder hin<lb/>
hundert andere zu- oder abzusprechen. Welche Autorität der lichte<lb/><note place="left">h</note>derbe Profilkopf für sich hat, der in den Uffizien als sein Porträt gilt,<lb/><note place="left">i</note>weiss ich nicht. Die Kreuzabnahme die im Pal. Pallavicini, und die<lb/><note place="left">k</note>thronende Madonna mit heiligen Frauen, die in der Academie von<lb/>
Venedig seinen Namen führen, sind sicher nicht von ihm. Wie es<lb/><note place="left">l</note>sich mit den beiden Altarwerken im Museum von Neapel (einer An-<lb/>
betung der Könige und einer Passion mit Donatoren) verhält, kann<lb/>
ich aus dem Gedächtniss nicht angeben. Eine Menge sogen. Luca&#x2019;s<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[850/0872] Altniederländische und altdeutsche Meister. ergehen sich in sanften Übergängen und Spiegelungen, die Liebe zum glänzenden Detail aber sucht sich ihre neuen Probleme z. B. in ein- zelnen höchst vollendeten Stoffbezeichnungen wie die Jaspissäulen, der Goldschmuck u. s. w. 1). Das Doppelporträt in der Malersamm- lung der Uffizien, bez. 1520, welches dort als das des Messys und seiner Frau gilt, mag von ihm gemalt sein; dass es ihn darstelle, ist wenigstens nicht unmöglich. Das Porträt eines Cardinals im Pal. Corsini zu Rom ist mindestens ein vortreffliches Werk seiner Richtung. a b Von der damaligen niederländischen Landschaftmalerei giebt ein schönes Bild im Pal. Pallavicini (Str. Carlo Felice) zu Genua einen Begriff; es ist die Ruhe auf der Flucht in einer jener heimlichen Waldlandschaften, welche uns eine der schönsten poetischen Seiten der damaligen nordischen Kunst offenbaren. (Nicht wohl von Pate- nier.) — Von Herri de Bles ist nichts in dieser Richtung Bezeich- nendes zu nennen; sein Thurmbau von Babel (Acad. von Venedig) ist um der Figuren willen gemalt; in seiner Pietà (S. Pietro in Modena, 2. Alt. r.) scheint gerade die Landschaft halb ferraresisch behandelt. c d e Was sollen wir nun über Lucas von Leyden sagen, der als „Luca d’Olanda“ ein Gattungsbegriff für die italienischen Cu- stoden geworden ist? Anerkanntermassen gehören ihm die beiden Eccehomo’s in der Tribuna der Uffizien und in der Capelle des Pa- lazzo reale zu Venedig (hier mit Pilatus und Schergen, unter Dürers Namen). Es bleibt bedenklich, einem Maler der so verschieden und so Verschiedenartiges gemalt hat, auf Grund dieser beiden Bilder hin hundert andere zu- oder abzusprechen. Welche Autorität der lichte derbe Profilkopf für sich hat, der in den Uffizien als sein Porträt gilt, weiss ich nicht. Die Kreuzabnahme die im Pal. Pallavicini, und die thronende Madonna mit heiligen Frauen, die in der Academie von Venedig seinen Namen führen, sind sicher nicht von ihm. Wie es sich mit den beiden Altarwerken im Museum von Neapel (einer An- betung der Könige und einer Passion mit Donatoren) verhält, kann ich aus dem Gedächtniss nicht angeben. Eine Menge sogen. Luca’s f g h i k l 1) Die vier altniederländischen und altdeutschen Bilder „in einem besondern Zimmer“ des Pal. Ducale zu Genua habe ich 1854 vergebens zu erfragen gesucht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/872
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 850. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/872>, abgerufen am 17.06.2024.