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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Die Francia. Aspertini.
hag) eine alte Schulcopie in der Pinac. zu Bologna. -- Eine späterea
Annunziata in der Brera.b

Giacomo Francia's Hauptwerk, freilich in der Auffassung
nicht von seinem Vater, sondern von den Venetianern inspirirt und daher
frei von Sentimentalität, ist die prächtige im Freien sitzende Madonnac
mit S. Franz, S. Bernardin, S. Sebastian und S. Mauritius, datirt 1526,
in der Pinac. zu Bologna. Was sonst dort und anderswo von ihm
vorhanden ist, zeigt eine bald reinere, bald gemischtere Reproduction
der Gedanken seines Vaters. Eins der frühsten Bilder: die Anbetungd
des Kindes, in S. Cristina, erster Altar, rechts.

Zeitweise wurde die Werkstatt eine Halbfigurenfabrik und die
Veräusserlichung und Gedankenlosigkeit ging so weit, als in den
schlimmsten Augenblicken bei Perugino. Das ennuyirte, mürrische
Wesen verräth besonders die Madonnen dieser Art von Weitem.

Amico Aspertini ging in seinem frühsten Bilde (er nennt ese
sein tirocinium), das um 1495 gemalt sein möchte, ganz auf die am
meisten perugineske Stimmung des Francia ein. Es ist eine grosse
Anbetung des Kindes durch Madonna, Donatoren und Heilige, in der
Pinac. zu Bologna. Die Fresken einer Cap. links in S. Frediano zuf
Lucca (Geschichten des Christusbildes "volto santo" etc.), zierlich und
genau ausgeführt, mit einzelnem reizendem Detail, verrathen dann Ein-
drücke aller Art, wie sie der nie recht durchgebildete und selbstän-
dige Phantast unterweges in sich aufnahm. -- Als er einmal für Gior-
gione begeistert sein mochte, malte er das Bild in S. Martino zug
Bologna (fünfter Altar, rechts), Madonna mit den heil. Bischöfen
S. Martin und S. Nicolaus nebst den von diesem geretteten drei
Mädchen. -- Von seinem Bruder Guido A. eine gute, wesentlichh
ferraresische Anbetung der Könige, in der Pinac. zu Bologna.


In Neapel waren unter dem letzten Anjou (Rene) und unter Al-
fons von Aragonien Bilder der flandrischen Schule (s. unten) zu einem
solchen Ansehen gelangt, dass sich mehrere einheimische Maler un-

Die Francia. Aspertini.
hag) eine alte Schulcopie in der Pinac. zu Bologna. — Eine späterea
Annunziata in der Brera.b

Giacomo Francia’s Hauptwerk, freilich in der Auffassung
nicht von seinem Vater, sondern von den Venetianern inspirirt und daher
frei von Sentimentalität, ist die prächtige im Freien sitzende Madonnac
mit S. Franz, S. Bernardin, S. Sebastian und S. Mauritius, datirt 1526,
in der Pinac. zu Bologna. Was sonst dort und anderswo von ihm
vorhanden ist, zeigt eine bald reinere, bald gemischtere Reproduction
der Gedanken seines Vaters. Eins der frühsten Bilder: die Anbetungd
des Kindes, in S. Cristina, erster Altar, rechts.

Zeitweise wurde die Werkstatt eine Halbfigurenfabrik und die
Veräusserlichung und Gedankenlosigkeit ging so weit, als in den
schlimmsten Augenblicken bei Perugino. Das ennuyirte, mürrische
Wesen verräth besonders die Madonnen dieser Art von Weitem.

Amico Aspertini ging in seinem frühsten Bilde (er nennt ese
sein tirocinium), das um 1495 gemalt sein möchte, ganz auf die am
meisten perugineske Stimmung des Francia ein. Es ist eine grosse
Anbetung des Kindes durch Madonna, Donatoren und Heilige, in der
Pinac. zu Bologna. Die Fresken einer Cap. links in S. Frediano zuf
Lucca (Geschichten des Christusbildes „volto santo“ etc.), zierlich und
genau ausgeführt, mit einzelnem reizendem Detail, verrathen dann Ein-
drücke aller Art, wie sie der nie recht durchgebildete und selbstän-
dige Phantast unterweges in sich aufnahm. — Als er einmal für Gior-
gione begeistert sein mochte, malte er das Bild in S. Martino zug
Bologna (fünfter Altar, rechts), Madonna mit den heil. Bischöfen
S. Martin und S. Nicolaus nebst den von diesem geretteten drei
Mädchen. — Von seinem Bruder Guido A. eine gute, wesentlichh
ferraresische Anbetung der Könige, in der Pinac. zu Bologna.


In Neapel waren unter dem letzten Anjou (René) und unter Al-
fons von Aragonien Bilder der flandrischen Schule (s. unten) zu einem
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[843/0865] Die Francia. Aspertini. hag) eine alte Schulcopie in der Pinac. zu Bologna. — Eine spätere Annunziata in der Brera. a b Giacomo Francia’s Hauptwerk, freilich in der Auffassung nicht von seinem Vater, sondern von den Venetianern inspirirt und daher frei von Sentimentalität, ist die prächtige im Freien sitzende Madonna mit S. Franz, S. Bernardin, S. Sebastian und S. Mauritius, datirt 1526, in der Pinac. zu Bologna. Was sonst dort und anderswo von ihm vorhanden ist, zeigt eine bald reinere, bald gemischtere Reproduction der Gedanken seines Vaters. Eins der frühsten Bilder: die Anbetung des Kindes, in S. Cristina, erster Altar, rechts. c d Zeitweise wurde die Werkstatt eine Halbfigurenfabrik und die Veräusserlichung und Gedankenlosigkeit ging so weit, als in den schlimmsten Augenblicken bei Perugino. Das ennuyirte, mürrische Wesen verräth besonders die Madonnen dieser Art von Weitem. Amico Aspertini ging in seinem frühsten Bilde (er nennt es sein tirocinium), das um 1495 gemalt sein möchte, ganz auf die am meisten perugineske Stimmung des Francia ein. Es ist eine grosse Anbetung des Kindes durch Madonna, Donatoren und Heilige, in der Pinac. zu Bologna. Die Fresken einer Cap. links in S. Frediano zu Lucca (Geschichten des Christusbildes „volto santo“ etc.), zierlich und genau ausgeführt, mit einzelnem reizendem Detail, verrathen dann Ein- drücke aller Art, wie sie der nie recht durchgebildete und selbstän- dige Phantast unterweges in sich aufnahm. — Als er einmal für Gior- gione begeistert sein mochte, malte er das Bild in S. Martino zu Bologna (fünfter Altar, rechts), Madonna mit den heil. Bischöfen S. Martin und S. Nicolaus nebst den von diesem geretteten drei Mädchen. — Von seinem Bruder Guido A. eine gute, wesentlich ferraresische Anbetung der Könige, in der Pinac. zu Bologna. e f g h In Neapel waren unter dem letzten Anjou (René) und unter Al- fons von Aragonien Bilder der flandrischen Schule (s. unten) zu einem solchen Ansehen gelangt, dass sich mehrere einheimische Maler un-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 843. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/865>, abgerufen am 17.06.2024.