sisi: geringe Fragmente eines Altarwerkes, in die Wand eingelassen. -- Die übrigen Gemälde in Diruta, S. Severino, Gualdo, Nocera, unda la Bastia unweit Assisi. -- Im Ganzen wendet Alunno jene hohe Steigerung des Ausdruckes noch sehr mässig an und gleicht sogar im einzelnen Fall eher den Paduanern.
Pietro Perugino (de castello plebis, wie er sich selbst von sei- ner Vaterstadt Citta della pieve nennt, eigentlich Vanucci, 1446--1524) ist in seiner frühern Zeit wesentlich ein Florentiner. Wie weit Alunno oder Piero della Francesca oder in Florenz Verocchio und L. di Credi einzeln auf ihn eingewirkt, kommt wenig in Betracht; die Hauptsache war der Eindruck der dortigen Kunstwelt als Ganzes, der ihn völlig bestimmte. Dieser ersten Periode gehören seine Fresken in der sixti-b nischen Capelle, Christi Taufe und die Verleihung des Amtes der Schlüssel (S. 810, d) an, vielleicht auch die Anbetung der Könige in S. Maria nuova zu Perugia (links vom Bilde Alunno's), Werke welchec bei grosser Tüchtigkeit und Schönheit doch kaum einen Zug von Dem haben, was seine spätern Bilder beseelt. -- Aus der schönsten Mitte seines Lebens stammt dann die Anbetung des Christuskindes in derd Gemäldesammlung der Villa Albani (1491) und das Frescobild im Ca- pitelsaal von S. M. Maddalena de' Pazzi zu Florenz (nur mit erz-e bischöflicher Erlaubniss zugänglich). -- Schon vor 1495 liess sich dann Pietro fest in Perugia nieder und eröffnete seine Schule. Von da an beginnt erst jene grosse Reihe von Gemälden, in welchen er den Ausdruck der Andacht, der Hingebung, des heiligen Schmerzes in die tiefsten Tiefen zu verfolgen scheint.
Wie vieles in seinen Werken soll man ihm nun als baare Münze abnehmen? -- Er kam in Perugia offenbar nur einer bereits herr- schenden Gefühlsrichtung entgegen, die er mit einem ganz andern, durch die gedankenloseste Wiederholung nicht zu tödtenden Schön- heitssinn und mit weit grössern Kunstmitteln zur Darstellung brachte als seine Vorgänger. Als die Leute sich an seinem Ausdruck gar nicht ersättigen konnten, als er inne wurde, was man ausschliesslich an ihm bewunderte, gab er das was er sonst wusste und konnte Preis, vor allem das unablässige florentinische Lebensstudium. Be-
B. Cicerone. 53
Nic. Alunno. Pietro Perugino.
sisi: geringe Fragmente eines Altarwerkes, in die Wand eingelassen. — Die übrigen Gemälde in Diruta, S. Severino, Gualdo, Nocera, unda la Bastia unweit Assisi. — Im Ganzen wendet Alunno jene hohe Steigerung des Ausdruckes noch sehr mässig an und gleicht sogar im einzelnen Fall eher den Paduanern.
Pietro Perugino (de castello plebis, wie er sich selbst von sei- ner Vaterstadt Città della pieve nennt, eigentlich Vanucci, 1446—1524) ist in seiner frühern Zeit wesentlich ein Florentiner. Wie weit Alunno oder Piero della Francesca oder in Florenz Verocchio und L. di Credi einzeln auf ihn eingewirkt, kommt wenig in Betracht; die Hauptsache war der Eindruck der dortigen Kunstwelt als Ganzes, der ihn völlig bestimmte. Dieser ersten Periode gehören seine Fresken in der sixti-b nischen Capelle, Christi Taufe und die Verleihung des Amtes der Schlüssel (S. 810, d) an, vielleicht auch die Anbetung der Könige in S. Maria nuova zu Perugia (links vom Bilde Alunno’s), Werke welchec bei grosser Tüchtigkeit und Schönheit doch kaum einen Zug von Dem haben, was seine spätern Bilder beseelt. — Aus der schönsten Mitte seines Lebens stammt dann die Anbetung des Christuskindes in derd Gemäldesammlung der Villa Albani (1491) und das Frescobild im Ca- pitelsaal von S. M. Maddalena de’ Pazzi zu Florenz (nur mit erz-e bischöflicher Erlaubniss zugänglich). — Schon vor 1495 liess sich dann Pietro fest in Perugia nieder und eröffnete seine Schule. Von da an beginnt erst jene grosse Reihe von Gemälden, in welchen er den Ausdruck der Andacht, der Hingebung, des heiligen Schmerzes in die tiefsten Tiefen zu verfolgen scheint.
Wie vieles in seinen Werken soll man ihm nun als baare Münze abnehmen? — Er kam in Perugia offenbar nur einer bereits herr- schenden Gefühlsrichtung entgegen, die er mit einem ganz andern, durch die gedankenloseste Wiederholung nicht zu tödtenden Schön- heitssinn und mit weit grössern Kunstmitteln zur Darstellung brachte als seine Vorgänger. Als die Leute sich an seinem Ausdruck gar nicht ersättigen konnten, als er inne wurde, was man ausschliesslich an ihm bewunderte, gab er das was er sonst wusste und konnte Preis, vor allem das unablässige florentinische Lebensstudium. Be-
B. Cicerone. 53
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[833/0855]
Nic. Alunno. Pietro Perugino.
sisi: geringe Fragmente eines Altarwerkes, in die Wand eingelassen.
— Die übrigen Gemälde in Diruta, S. Severino, Gualdo, Nocera, und
la Bastia unweit Assisi. — Im Ganzen wendet Alunno jene hohe
Steigerung des Ausdruckes noch sehr mässig an und gleicht sogar im
einzelnen Fall eher den Paduanern.
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Pietro Perugino (de castello plebis, wie er sich selbst von sei-
ner Vaterstadt Città della pieve nennt, eigentlich Vanucci, 1446—1524)
ist in seiner frühern Zeit wesentlich ein Florentiner. Wie weit Alunno
oder Piero della Francesca oder in Florenz Verocchio und L. di Credi
einzeln auf ihn eingewirkt, kommt wenig in Betracht; die Hauptsache
war der Eindruck der dortigen Kunstwelt als Ganzes, der ihn völlig
bestimmte. Dieser ersten Periode gehören seine Fresken in der sixti-
nischen Capelle, Christi Taufe und die Verleihung des Amtes der
Schlüssel (S. 810, d) an, vielleicht auch die Anbetung der Könige in
S. Maria nuova zu Perugia (links vom Bilde Alunno’s), Werke welche
bei grosser Tüchtigkeit und Schönheit doch kaum einen Zug von Dem
haben, was seine spätern Bilder beseelt. — Aus der schönsten Mitte
seines Lebens stammt dann die Anbetung des Christuskindes in der
Gemäldesammlung der Villa Albani (1491) und das Frescobild im Ca-
pitelsaal von S. M. Maddalena de’ Pazzi zu Florenz (nur mit erz-
bischöflicher Erlaubniss zugänglich). — Schon vor 1495 liess sich dann
Pietro fest in Perugia nieder und eröffnete seine Schule. Von da an
beginnt erst jene grosse Reihe von Gemälden, in welchen er den
Ausdruck der Andacht, der Hingebung, des heiligen Schmerzes in die
tiefsten Tiefen zu verfolgen scheint.
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Wie vieles in seinen Werken soll man ihm nun als baare Münze
abnehmen? — Er kam in Perugia offenbar nur einer bereits herr-
schenden Gefühlsrichtung entgegen, die er mit einem ganz andern,
durch die gedankenloseste Wiederholung nicht zu tödtenden Schön-
heitssinn und mit weit grössern Kunstmitteln zur Darstellung brachte
als seine Vorgänger. Als die Leute sich an seinem Ausdruck gar
nicht ersättigen konnten, als er inne wurde, was man ausschliesslich
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 833. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/855>, abgerufen am 18.12.2024.
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