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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Malerei des XV. Jahrhunderts. Umbrien.
und harten Äusserungen desselben vorlieb, wie die Legendenfresken
ades Bened. Bonfigli in einem obern Raum des Pal. del Commune
zu Perugia (seit 1454) beweisen, Compositionen, deren eigenthüm-
lichster Werth in den sehr gut dargestellten Baulichkeiten besteht.
b(Vom Dems. in S. Pietro, hinten links, eine Pieta; in S. Domenico,
S. Bernardino, u. a. a. O. in Perugia mehreres.) -- Aber eine deutlichere
Vorahnung des spätern Schulgenius liegt doch eher in den harmlosen Ma-
lereien, welche an einzelnen Häusern der genannten Städte, besonders zu
Assisi, auch in und an kleinern Kirchen u. s. w. insgemein die Mutter
Gottes und die Schutzheiligen verherrlichen. So ist z. B. das Kirch-
clein S. Antonio in Assisi (an der Strasse, die von S. Francesco nach
der Piazza führt, rechts) aussen und innen von verschiedenen Händen
bemalt; Einiges ist sienesisch holdselig, Anderes sind Versuche in
florentinischem Sinn; zwei Heilige im Bilde der Hinterwand haben
auch schon etwas Verzücktes; sonst herrscht eher Das vor, was wir
Gemüthlichkeit zu nennen pflegen.

Auch Fiorenzo di Lorenzo geht über diese Linie noch nicht
dhinaus. (In der Sacristei von S. Francesco de' conventuali zu Peru-
gia: Petrus, Paulus und eine Madonnenlunette.)

Erst Niccolo Alunno von Foligno schlägt denjenigen Ton
an, welcher dann bei Perugino so mächtig weiterklingt: es ist der
Seelenausdruck bis zur schwärmerischen, ekstatischen Hingebung, in
Köpfen von zartester, reinster Jugendschönheit. Niccolo's Bildung
war eine ziemlich geringe, seine Malerei bisweilen roh, seine Anord-
nung unbehülflich, -- allein noch heute dringt bisweilen ein Maler
mit eben so beschränkten äussern Mitteln; durch den blossen Aus-
druck zu einer hohen; wenn auch nur provincialen Geltung durch.
eVon seinen zugänglichern Werken (z. B. im Pal. Colonna zu Rom,
fin der Brera zu Mailand, wo sich eine bedeutende Madonna mit En-
geln vom Jahr 1465 befindet) ist wohl das wichtigste, eine Ver-
kündigung mit Gott-Vater und einer frommen Gemeinde, in S. Maria
nuova zu Perugia (Querschiff links); wunderbare Bildung der Köpfe
des Gabriel und der Madonna; die Andacht der Engel völlig naiv.
g-- In Foligno: S. Maria infra portas: verdorbene Fresken; -- S. Nic-
hcolo: Altarbild von mehrern Tafeln, eines der bestausgeführten; auch
eine Krönung Mariä mit 2 knieenden Heiligen. -- Im Dom von As-

Malerei des XV. Jahrhunderts. Umbrien.
und harten Äusserungen desselben vorlieb, wie die Legendenfresken
ades Bened. Bonfigli in einem obern Raum des Pal. del Commune
zu Perugia (seit 1454) beweisen, Compositionen, deren eigenthüm-
lichster Werth in den sehr gut dargestellten Baulichkeiten besteht.
b(Vom Dems. in S. Pietro, hinten links, eine Pietà; in S. Domenico,
S. Bernardino, u. a. a. O. in Perugia mehreres.) — Aber eine deutlichere
Vorahnung des spätern Schulgenius liegt doch eher in den harmlosen Ma-
lereien, welche an einzelnen Häusern der genannten Städte, besonders zu
Assisi, auch in und an kleinern Kirchen u. s. w. insgemein die Mutter
Gottes und die Schutzheiligen verherrlichen. So ist z. B. das Kirch-
clein S. Antonio in Assisi (an der Strasse, die von S. Francesco nach
der Piazza führt, rechts) aussen und innen von verschiedenen Händen
bemalt; Einiges ist sienesisch holdselig, Anderes sind Versuche in
florentinischem Sinn; zwei Heilige im Bilde der Hinterwand haben
auch schon etwas Verzücktes; sonst herrscht eher Das vor, was wir
Gemüthlichkeit zu nennen pflegen.

Auch Fiorenzo di Lorenzo geht über diese Linie noch nicht
dhinaus. (In der Sacristei von S. Francesco de’ conventuali zu Peru-
gia: Petrus, Paulus und eine Madonnenlunette.)

Erst Niccolò Alunno von Foligno schlägt denjenigen Ton
an, welcher dann bei Perugino so mächtig weiterklingt: es ist der
Seelenausdruck bis zur schwärmerischen, ekstatischen Hingebung, in
Köpfen von zartester, reinster Jugendschönheit. Niccolò’s Bildung
war eine ziemlich geringe, seine Malerei bisweilen roh, seine Anord-
nung unbehülflich, — allein noch heute dringt bisweilen ein Maler
mit eben so beschränkten äussern Mitteln; durch den blossen Aus-
druck zu einer hohen; wenn auch nur provincialen Geltung durch.
eVon seinen zugänglichern Werken (z. B. im Pal. Colonna zu Rom,
fin der Brera zu Mailand, wo sich eine bedeutende Madonna mit En-
geln vom Jahr 1465 befindet) ist wohl das wichtigste, eine Ver-
kündigung mit Gott-Vater und einer frommen Gemeinde, in S. Maria
nuova zu Perugia (Querschiff links); wunderbare Bildung der Köpfe
des Gabriel und der Madonna; die Andacht der Engel völlig naiv.
g— In Foligno: S. Maria infra portas: verdorbene Fresken; — S. Nic-
hcolò: Altarbild von mehrern Tafeln, eines der bestausgeführten; auch
eine Krönung Mariä mit 2 knieenden Heiligen. — Im Dom von As-

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[832/0854] Malerei des XV. Jahrhunderts. Umbrien. und harten Äusserungen desselben vorlieb, wie die Legendenfresken des Bened. Bonfigli in einem obern Raum des Pal. del Commune zu Perugia (seit 1454) beweisen, Compositionen, deren eigenthüm- lichster Werth in den sehr gut dargestellten Baulichkeiten besteht. (Vom Dems. in S. Pietro, hinten links, eine Pietà; in S. Domenico, S. Bernardino, u. a. a. O. in Perugia mehreres.) — Aber eine deutlichere Vorahnung des spätern Schulgenius liegt doch eher in den harmlosen Ma- lereien, welche an einzelnen Häusern der genannten Städte, besonders zu Assisi, auch in und an kleinern Kirchen u. s. w. insgemein die Mutter Gottes und die Schutzheiligen verherrlichen. So ist z. B. das Kirch- lein S. Antonio in Assisi (an der Strasse, die von S. Francesco nach der Piazza führt, rechts) aussen und innen von verschiedenen Händen bemalt; Einiges ist sienesisch holdselig, Anderes sind Versuche in florentinischem Sinn; zwei Heilige im Bilde der Hinterwand haben auch schon etwas Verzücktes; sonst herrscht eher Das vor, was wir Gemüthlichkeit zu nennen pflegen. a b c Auch Fiorenzo di Lorenzo geht über diese Linie noch nicht hinaus. (In der Sacristei von S. Francesco de’ conventuali zu Peru- gia: Petrus, Paulus und eine Madonnenlunette.) d Erst Niccolò Alunno von Foligno schlägt denjenigen Ton an, welcher dann bei Perugino so mächtig weiterklingt: es ist der Seelenausdruck bis zur schwärmerischen, ekstatischen Hingebung, in Köpfen von zartester, reinster Jugendschönheit. Niccolò’s Bildung war eine ziemlich geringe, seine Malerei bisweilen roh, seine Anord- nung unbehülflich, — allein noch heute dringt bisweilen ein Maler mit eben so beschränkten äussern Mitteln; durch den blossen Aus- druck zu einer hohen; wenn auch nur provincialen Geltung durch. Von seinen zugänglichern Werken (z. B. im Pal. Colonna zu Rom, in der Brera zu Mailand, wo sich eine bedeutende Madonna mit En- geln vom Jahr 1465 befindet) ist wohl das wichtigste, eine Ver- kündigung mit Gott-Vater und einer frommen Gemeinde, in S. Maria nuova zu Perugia (Querschiff links); wunderbare Bildung der Köpfe des Gabriel und der Madonna; die Andacht der Engel völlig naiv. — In Foligno: S. Maria infra portas: verdorbene Fresken; — S. Nic- colò: Altarbild von mehrern Tafeln, eines der bestausgeführten; auch eine Krönung Mariä mit 2 knieenden Heiligen. — Im Dom von As- e f g h

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/854>, abgerufen am 17.06.2024.