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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Siena. Schule von Umbrien.
lichkeiten interessant. Von den Übrigen sind die welche noch halb
an der alten Weise festhielten, oben (S. 779) genannt worden. Unter
den entschiednern Realisten ist Vecchietta ("Lorenzo di Pietro")
als Maler ganz ungeniessbar (S. 241, 614), Francesco di Giorgio
(Academie zu Siena: Anbetung des Kindes, und Krönung Mariä) viel-a
leicht der am meisten durchgebildete, Matteo di Giovanni (M. da
Siena) aber unstreitig der widerlichste. Die drei Redactionen seines
"Kindermordes" (S. Agostino, Nebencap. rechts, 1482, -- Concezioneb
oder Servi, rechts, 1491, -- und: Museum von Neapel, mit verfälsch-c
tem Datum) sind einer der lächerlichsten Excesse des XV. Jahrh.;
Matteo erscheint als der italienische Michel Wolgemuth. (Anderes in
der Acad. und in S. Domenico, 2. Cap. 1. vom Chor.) Ein Christusd
in einer Engelglorie, unten viele Heilige in reicher Landschaft (1491,e
Acad.), von Benvenuto di Giovanni, ist wenigstens ohne die
Affectation von dessen Mitschüler Matteo gemalt.

Von Fungai, Pacchiarotto etc. wird beim XVI. Jahrhundert die
Rede sein.


Weiter nach Süden thront das steile Perugia über dem Tiber-
thal, Assisi und Spello schweben an Bergabhängen, Foligno liegt in
der Ebene, Spoleto schaut nieder auf das Thal des Clitumnus. In
diesen Gegenden stand die umbrische Schule auf; ihre Thätigkeit
reichte östlich auch in die Bergstädte des Hochapennins und jenseits
desselben in die Mark Ancona hinein.

In dieser Heimath des heil. Franciscus scheint sich ein stärkerer
Zug der Andacht als anderswo in dem profanen Italien der Renais-
sance erhalten zu haben. Wenn derselbe nun in der Malerei jenen
unerhört intensiven Ausdruck fand, so kommt dabei auch sehr in
Betracht die von den eigentlichen Herden der Renaissance entfernte
Lage, die Vertheilung der Kräfte auf verschiedene Orte (sodass vor
Pietro Alles den Charakter von Localmalerei hat), die mehr ländliche,
einfache Sinnesweise der Besteller, mochten es nun Bewohner jener
steilen Wein- und Ölstädtchen oder abgelegener Klöster sein, endlich
der Einfluss Siena's, dessen letzte Idealisten, wie Taddeo di Bartolo
(S. 779) selbst in Perugia arbeiteten. Wo man den neuen florenti-
nischen Styl haben konnte, nahm man Anfangs selbst mit befangenen

Siena. Schule von Umbrien.
lichkeiten interessant. Von den Übrigen sind die welche noch halb
an der alten Weise festhielten, oben (S. 779) genannt worden. Unter
den entschiednern Realisten ist Vecchietta („Lorenzo di Pietro“)
als Maler ganz ungeniessbar (S. 241, 614), Francesco di Giorgio
(Academie zu Siena: Anbetung des Kindes, und Krönung Mariä) viel-a
leicht der am meisten durchgebildete, Matteo di Giovanni (M. da
Siena) aber unstreitig der widerlichste. Die drei Redactionen seines
„Kindermordes“ (S. Agostino, Nebencap. rechts, 1482, — Concezioneb
oder Servi, rechts, 1491, — und: Museum von Neapel, mit verfälsch-c
tem Datum) sind einer der lächerlichsten Excesse des XV. Jahrh.;
Matteo erscheint als der italienische Michel Wolgemuth. (Anderes in
der Acad. und in S. Domenico, 2. Cap. 1. vom Chor.) Ein Christusd
in einer Engelglorie, unten viele Heilige in reicher Landschaft (1491,e
Acad.), von Benvenuto di Giovanni, ist wenigstens ohne die
Affectation von dessen Mitschüler Matteo gemalt.

Von Fungai, Pacchiarotto etc. wird beim XVI. Jahrhundert die
Rede sein.


Weiter nach Süden thront das steile Perugia über dem Tiber-
thal, Assisi und Spello schweben an Bergabhängen, Foligno liegt in
der Ebene, Spoleto schaut nieder auf das Thal des Clitumnus. In
diesen Gegenden stand die umbrische Schule auf; ihre Thätigkeit
reichte östlich auch in die Bergstädte des Hochapennins und jenseits
desselben in die Mark Ancona hinein.

In dieser Heimath des heil. Franciscus scheint sich ein stärkerer
Zug der Andacht als anderswo in dem profanen Italien der Renais-
sance erhalten zu haben. Wenn derselbe nun in der Malerei jenen
unerhört intensiven Ausdruck fand, so kommt dabei auch sehr in
Betracht die von den eigentlichen Herden der Renaissance entfernte
Lage, die Vertheilung der Kräfte auf verschiedene Orte (sodass vor
Pietro Alles den Charakter von Localmalerei hat), die mehr ländliche,
einfache Sinnesweise der Besteller, mochten es nun Bewohner jener
steilen Wein- und Ölstädtchen oder abgelegener Klöster sein, endlich
der Einfluss Siena’s, dessen letzte Idealisten, wie Taddeo di Bartolo
(S. 779) selbst in Perugia arbeiteten. Wo man den neuen florenti-
nischen Styl haben konnte, nahm man Anfangs selbst mit befangenen

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[831/0853] Siena. Schule von Umbrien. lichkeiten interessant. Von den Übrigen sind die welche noch halb an der alten Weise festhielten, oben (S. 779) genannt worden. Unter den entschiednern Realisten ist Vecchietta („Lorenzo di Pietro“) als Maler ganz ungeniessbar (S. 241, 614), Francesco di Giorgio (Academie zu Siena: Anbetung des Kindes, und Krönung Mariä) viel- leicht der am meisten durchgebildete, Matteo di Giovanni (M. da Siena) aber unstreitig der widerlichste. Die drei Redactionen seines „Kindermordes“ (S. Agostino, Nebencap. rechts, 1482, — Concezione oder Servi, rechts, 1491, — und: Museum von Neapel, mit verfälsch- tem Datum) sind einer der lächerlichsten Excesse des XV. Jahrh.; Matteo erscheint als der italienische Michel Wolgemuth. (Anderes in der Acad. und in S. Domenico, 2. Cap. 1. vom Chor.) Ein Christus in einer Engelglorie, unten viele Heilige in reicher Landschaft (1491, Acad.), von Benvenuto di Giovanni, ist wenigstens ohne die Affectation von dessen Mitschüler Matteo gemalt. a b c d e Von Fungai, Pacchiarotto etc. wird beim XVI. Jahrhundert die Rede sein. Weiter nach Süden thront das steile Perugia über dem Tiber- thal, Assisi und Spello schweben an Bergabhängen, Foligno liegt in der Ebene, Spoleto schaut nieder auf das Thal des Clitumnus. In diesen Gegenden stand die umbrische Schule auf; ihre Thätigkeit reichte östlich auch in die Bergstädte des Hochapennins und jenseits desselben in die Mark Ancona hinein. In dieser Heimath des heil. Franciscus scheint sich ein stärkerer Zug der Andacht als anderswo in dem profanen Italien der Renais- sance erhalten zu haben. Wenn derselbe nun in der Malerei jenen unerhört intensiven Ausdruck fand, so kommt dabei auch sehr in Betracht die von den eigentlichen Herden der Renaissance entfernte Lage, die Vertheilung der Kräfte auf verschiedene Orte (sodass vor Pietro Alles den Charakter von Localmalerei hat), die mehr ländliche, einfache Sinnesweise der Besteller, mochten es nun Bewohner jener steilen Wein- und Ölstädtchen oder abgelegener Klöster sein, endlich der Einfluss Siena’s, dessen letzte Idealisten, wie Taddeo di Bartolo (S. 779) selbst in Perugia arbeiteten. Wo man den neuen florenti- nischen Styl haben konnte, nahm man Anfangs selbst mit befangenen

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/853>, abgerufen am 18.12.2024.