das Hochfeierliche, die Pracht der Goldmuster, die symmetrisch schwe- benden Engelschwärme u. dgl. in früher Vollständigkeit.
Das Ende dieser halb von Giotto's Geist. berührten Malweise verzieht sich mit Bartolo da Siena und seinen Schülern Taddeo di Bartolo und Domenico di Bartolo bis weit in das XV. Jahrh. hinein. Ihre Andachtsbilder (Acad.) zehren von der Inspiration desa Pietro Lorenzetti u. A., wenn sie auch scheinbar reicher sind; Tad- deo's Fresken in der obern Capelle des Pal. pubblico sind nicht besserb als giotteskes Mittelgut; diejenigen vor dem Gitter (grosse Männer des Alterthums, Planetengottheiten u. s. w.) nicht einmal dieses. Mit Domenico bricht der Styl um und der Realismus des XV. Jahrhun- derts dringt ein, doch einstweilen nur stellenweise, sodass sich im Ganzen noch die alte Auffassung und sehr viel von der alten Detail- bildung behauptet. Die Meister dieses wunderlichen Zwitterstyles (Acad., dritter Raum), ein Giovanni di Paolo, Pietro di Giovanni, Sanoc di Pietro, Pietro di Domenico sind neben ihren Zeitgenossen aus an- dern Schulen nicht der Rede werth. Wie es sich mit denjenigen Sienesen verhielt, die sich entschiedener der neuen Auffassung in die Arme warfen, wie Matteo di Giovanni u. a., wird unten kurz berührt werden.
Das stolze Siena, das um das Jahr 1300 zur Anführerschaft in der italienischen Malerei berufen schien, sollte erst zwei Jahrhunderte später denjenigen Augenblick erleben, da seine Maler, abgeschlossen und wenig gekannt, das Panier der wahren Kunst höher empor hiel- ten als irgend eine Schule Italiens mit Ausnahme der venezianischen.
Ist nun der Maler, welcher im Camposanto zu Pisa, oder der- jenige, welcher in der Cap. degli Spagnuoli zu Florenz Symon von Siena heisst, identisch mit Simone di Martino? Namengebungen sind überhaupt nicht die Aufgabe dieses Buches. An Simone di Martino erinnern die Allegorien der Wissenschaften in der Cap. d. Spagn. we- nigstens im Ausdruck der Köpfe ziemlich direct (S. 751, e); dagegen möchten die Sachen im Camposanto von einem Spätern herrühren, welcher beiden Schulen zugleich angehörte.
Schule von Siena.
das Hochfeierliche, die Pracht der Goldmuster, die symmetrisch schwe- benden Engelschwärme u. dgl. in früher Vollständigkeit.
Das Ende dieser halb von Giotto’s Geist. berührten Malweise verzieht sich mit Bartolo da Siena und seinen Schülern Taddeo di Bartolo und Domenico di Bartolo bis weit in das XV. Jahrh. hinein. Ihre Andachtsbilder (Acad.) zehren von der Inspiration desa Pietro Lorenzetti u. A., wenn sie auch scheinbar reicher sind; Tad- deo’s Fresken in der obern Capelle des Pal. pubblico sind nicht besserb als giotteskes Mittelgut; diejenigen vor dem Gitter (grosse Männer des Alterthums, Planetengottheiten u. s. w.) nicht einmal dieses. Mit Domenico bricht der Styl um und der Realismus des XV. Jahrhun- derts dringt ein, doch einstweilen nur stellenweise, sodass sich im Ganzen noch die alte Auffassung und sehr viel von der alten Detail- bildung behauptet. Die Meister dieses wunderlichen Zwitterstyles (Acad., dritter Raum), ein Giovanni di Paolo, Pietro di Giovanni, Sanoc di Pietro, Pietro di Domenico sind neben ihren Zeitgenossen aus an- dern Schulen nicht der Rede werth. Wie es sich mit denjenigen Sienesen verhielt, die sich entschiedener der neuen Auffassung in die Arme warfen, wie Matteo di Giovanni u. a., wird unten kurz berührt werden.
Das stolze Siena, das um das Jahr 1300 zur Anführerschaft in der italienischen Malerei berufen schien, sollte erst zwei Jahrhunderte später denjenigen Augenblick erleben, da seine Maler, abgeschlossen und wenig gekannt, das Panier der wahren Kunst höher empor hiel- ten als irgend eine Schule Italiens mit Ausnahme der venezianischen.
Ist nun der Maler, welcher im Camposanto zu Pisa, oder der- jenige, welcher in der Cap. degli Spagnuoli zu Florenz Symon von Siena heisst, identisch mit Simone di Martino? Namengebungen sind überhaupt nicht die Aufgabe dieses Buches. An Simone di Martino erinnern die Allegorien der Wissenschaften in der Cap. d. Spagn. we- nigstens im Ausdruck der Köpfe ziemlich direct (S. 751, e); dagegen möchten die Sachen im Camposanto von einem Spätern herrühren, welcher beiden Schulen zugleich angehörte.
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Schule von Siena.
das Hochfeierliche, die Pracht der Goldmuster, die symmetrisch schwe-
benden Engelschwärme u. dgl. in früher Vollständigkeit.
Das Ende dieser halb von Giotto’s Geist. berührten Malweise
verzieht sich mit Bartolo da Siena und seinen Schülern Taddeo
di Bartolo und Domenico di Bartolo bis weit in das XV. Jahrh.
hinein. Ihre Andachtsbilder (Acad.) zehren von der Inspiration des
Pietro Lorenzetti u. A., wenn sie auch scheinbar reicher sind; Tad-
deo’s Fresken in der obern Capelle des Pal. pubblico sind nicht besser
als giotteskes Mittelgut; diejenigen vor dem Gitter (grosse Männer
des Alterthums, Planetengottheiten u. s. w.) nicht einmal dieses. Mit
Domenico bricht der Styl um und der Realismus des XV. Jahrhun-
derts dringt ein, doch einstweilen nur stellenweise, sodass sich im
Ganzen noch die alte Auffassung und sehr viel von der alten Detail-
bildung behauptet. Die Meister dieses wunderlichen Zwitterstyles
(Acad., dritter Raum), ein Giovanni di Paolo, Pietro di Giovanni, Sano
di Pietro, Pietro di Domenico sind neben ihren Zeitgenossen aus an-
dern Schulen nicht der Rede werth. Wie es sich mit denjenigen
Sienesen verhielt, die sich entschiedener der neuen Auffassung in die
Arme warfen, wie Matteo di Giovanni u. a., wird unten kurz berührt
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Das stolze Siena, das um das Jahr 1300 zur Anführerschaft in
der italienischen Malerei berufen schien, sollte erst zwei Jahrhunderte
später denjenigen Augenblick erleben, da seine Maler, abgeschlossen
und wenig gekannt, das Panier der wahren Kunst höher empor hiel-
ten als irgend eine Schule Italiens mit Ausnahme der venezianischen.
Ist nun der Maler, welcher im Camposanto zu Pisa, oder der-
jenige, welcher in der Cap. degli Spagnuoli zu Florenz Symon von
Siena heisst, identisch mit Simone di Martino? Namengebungen sind
überhaupt nicht die Aufgabe dieses Buches. An Simone di Martino
erinnern die Allegorien der Wissenschaften in der Cap. d. Spagn. we-
nigstens im Ausdruck der Köpfe ziemlich direct (S. 751, e); dagegen
möchten die Sachen im Camposanto von einem Spätern herrühren,
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/801>, abgerufen am 18.12.2024.
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