Es handelt sich fast immer um eine thronende Madonna mit En- geln und Heiligen; ausserdem kommt am ehesten die Krönung der Maria durch Christus vor 1). Die Heiligen stehen theils einzeln, theils hintereinander geschichtet seitwärts; in der Regel durch eigene Ein- fassungen, Säulchen etc. getrennt. Die Richtung ist meist die der Dreiviertelansicht, damit die Gestalt ebensosehr dem andächtigen Be- schauer als der Jungfrau zugewandt sei; nur die vor ihr Knieenden sind ganz im Profil dargestellt. Seitenblicke zum Behuf der Abwech- selung kommen noch nicht vor. Die Stellung meist ruhig; nur etwa Johannes d. T. mit erhobenem Arm, als Prediger, oder um auf das Kind hinzuweisen. Maria durchgängig von schlichtem Ausdruck, ohne irgend einen Zug besonders gesteigerten Gefühles; beim Kinde der Anfang eines harmlosen Vergnügens, ohne welches in der That kein gesundes Kind still sitzt, etwa das Spiel mit einem Hänfling. Die Färbung im Ganzen licht, wie sie die Tempera verlangt. Die durch- gehende Grundlage bilden roth, blau und gold. (Die Kreise von Che- rubsköpfen ganz blau und ganz roth.) In der Gewandung sind die gewirkt gedachten Prachtmuster ungleichmässiger angewandt als bei den Sienesen, dafür tritt der würdige und schöne Wurf viel mehr als Hauptzweck hervor. Man kann es verfolgen, wie die Kunst an den verhältnissmässig wenigen Hauptmotiven mit Anstrengung weiterbil- det: es ist der Mantel der thronenden Madonna, derjenige der auf dem einen Knie liegenden Figuren, der mit der einen Hand aufge- fasste Mantel der Stehenden, die strammfallende Kutte der h. Mönche, die schwer gestickte Dalmatica der Diaconen u. s. w. Für die Köpfe spricht die Schule hier ihre Absicht deutlicher aus, als in den meisten Fresken. Wenn ich mich nicht täusche, so tritt viel speciell Floren- tinisches im Oval und in der Bildung der Nase und des Mundes zu Tage. Das momentan Beseelte darf man hier überhaupt noch nicht erwarten.
Die Altarstaffeln (Predellen) wiederholen so ziemlich in ihren Geschichten die Compositionen der Fresken; sie sind also eine Ver-
1) Himmelfahrt und Krönung der als irdisches Weib geborenen Jungfrau war jedem Einzelnen eine Gewähr und damit ein Symbol der seligen Unsterblich- keit. Daher ist diese Darstellung besonders häufig an Gräbern, in Bildern von Familiencapellen u. s. w.
Altarwerke.
Es handelt sich fast immer um eine thronende Madonna mit En- geln und Heiligen; ausserdem kommt am ehesten die Krönung der Maria durch Christus vor 1). Die Heiligen stehen theils einzeln, theils hintereinander geschichtet seitwärts; in der Regel durch eigene Ein- fassungen, Säulchen etc. getrennt. Die Richtung ist meist die der Dreiviertelansicht, damit die Gestalt ebensosehr dem andächtigen Be- schauer als der Jungfrau zugewandt sei; nur die vor ihr Knieenden sind ganz im Profil dargestellt. Seitenblicke zum Behuf der Abwech- selung kommen noch nicht vor. Die Stellung meist ruhig; nur etwa Johannes d. T. mit erhobenem Arm, als Prediger, oder um auf das Kind hinzuweisen. Maria durchgängig von schlichtem Ausdruck, ohne irgend einen Zug besonders gesteigerten Gefühles; beim Kinde der Anfang eines harmlosen Vergnügens, ohne welches in der That kein gesundes Kind still sitzt, etwa das Spiel mit einem Hänfling. Die Färbung im Ganzen licht, wie sie die Tempera verlangt. Die durch- gehende Grundlage bilden roth, blau und gold. (Die Kreise von Che- rubsköpfen ganz blau und ganz roth.) In der Gewandung sind die gewirkt gedachten Prachtmuster ungleichmässiger angewandt als bei den Sienesen, dafür tritt der würdige und schöne Wurf viel mehr als Hauptzweck hervor. Man kann es verfolgen, wie die Kunst an den verhältnissmässig wenigen Hauptmotiven mit Anstrengung weiterbil- det: es ist der Mantel der thronenden Madonna, derjenige der auf dem einen Knie liegenden Figuren, der mit der einen Hand aufge- fasste Mantel der Stehenden, die strammfallende Kutte der h. Mönche, die schwer gestickte Dalmatica der Diaconen u. s. w. Für die Köpfe spricht die Schule hier ihre Absicht deutlicher aus, als in den meisten Fresken. Wenn ich mich nicht täusche, so tritt viel speciell Floren- tinisches im Oval und in der Bildung der Nase und des Mundes zu Tage. Das momentan Beseelte darf man hier überhaupt noch nicht erwarten.
Die Altarstaffeln (Predellen) wiederholen so ziemlich in ihren Geschichten die Compositionen der Fresken; sie sind also eine Ver-
1) Himmelfahrt und Krönung der als irdisches Weib geborenen Jungfrau war jedem Einzelnen eine Gewähr und damit ein Symbol der seligen Unsterblich- keit. Daher ist diese Darstellung besonders häufig an Gräbern, in Bildern von Familiencapellen u. s. w.
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Altarwerke.
Es handelt sich fast immer um eine thronende Madonna mit En-
geln und Heiligen; ausserdem kommt am ehesten die Krönung der
Maria durch Christus vor 1). Die Heiligen stehen theils einzeln, theils
hintereinander geschichtet seitwärts; in der Regel durch eigene Ein-
fassungen, Säulchen etc. getrennt. Die Richtung ist meist die der
Dreiviertelansicht, damit die Gestalt ebensosehr dem andächtigen Be-
schauer als der Jungfrau zugewandt sei; nur die vor ihr Knieenden
sind ganz im Profil dargestellt. Seitenblicke zum Behuf der Abwech-
selung kommen noch nicht vor. Die Stellung meist ruhig; nur etwa
Johannes d. T. mit erhobenem Arm, als Prediger, oder um auf das
Kind hinzuweisen. Maria durchgängig von schlichtem Ausdruck, ohne
irgend einen Zug besonders gesteigerten Gefühles; beim Kinde der
Anfang eines harmlosen Vergnügens, ohne welches in der That kein
gesundes Kind still sitzt, etwa das Spiel mit einem Hänfling. Die
Färbung im Ganzen licht, wie sie die Tempera verlangt. Die durch-
gehende Grundlage bilden roth, blau und gold. (Die Kreise von Che-
rubsköpfen ganz blau und ganz roth.) In der Gewandung sind die
gewirkt gedachten Prachtmuster ungleichmässiger angewandt als bei
den Sienesen, dafür tritt der würdige und schöne Wurf viel mehr als
Hauptzweck hervor. Man kann es verfolgen, wie die Kunst an den
verhältnissmässig wenigen Hauptmotiven mit Anstrengung weiterbil-
det: es ist der Mantel der thronenden Madonna, derjenige der auf
dem einen Knie liegenden Figuren, der mit der einen Hand aufge-
fasste Mantel der Stehenden, die strammfallende Kutte der h. Mönche,
die schwer gestickte Dalmatica der Diaconen u. s. w. Für die Köpfe
spricht die Schule hier ihre Absicht deutlicher aus, als in den meisten
Fresken. Wenn ich mich nicht täusche, so tritt viel speciell Floren-
tinisches im Oval und in der Bildung der Nase und des Mundes zu
Tage. Das momentan Beseelte darf man hier überhaupt noch nicht
erwarten.
Die Altarstaffeln (Predellen) wiederholen so ziemlich in ihren
Geschichten die Compositionen der Fresken; sie sind also eine Ver-
1) Himmelfahrt und Krönung der als irdisches Weib geborenen Jungfrau war
jedem Einzelnen eine Gewähr und damit ein Symbol der seligen Unsterblich-
keit. Daher ist diese Darstellung besonders häufig an Gräbern, in Bildern
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/797>, abgerufen am 18.12.2024.
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