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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Barocksculptur. Relief.
es sollte eher eine Wandgruppe heissen. Übrigens ist Algardi,
beiläufig gesagt, immer eines Blickes werth, weil er das Detail
gewissenhafter behandelt und einen Rest naiven Schönheitssinnes
übrig hat.

Nächst ihm ist der Bolognese Giuseppe Mazza insoweit einer
der Bessern im Relief, als die bolognesische Malerschule in der Com-
position die meisten übrigen Maler überragt. Ausser zahlreichen Ar-
abeiten in den Kirchen seiner Vaterstadt hat er in S. Giovanni e Paolo
zu Venedig (letzte Cap. des rechten Seitenschiffes) in sechs grossen
Bronzereliefs das Leben des heil. Dominicus geschildert; nimmt man
die obern zwei Drittheile mit den Glorien weg, so bleiben ganz tüch-
tige Compositionen übrig, zumal die mit dem Tode des Heiligen.
Dagegen giebt es von Mazza Arbeiten in mehrern Kirchen seiner
Vaterstadt, die nicht besser sind als Anderes aus dieser Zeit.

Für Florenz sind am ehesten zu nennen die drei grossen Altar-
breliefs des Foggini in der Cap. Corsini im Carmine (Querschiff links).
Süssliche Engelchen schieben die Wolken, auf welchen der verhim-
melte Heilige kniet; in dem Schlachtrelief sprengen die Besiegten
links aus dem Rahmen heraus; überall bemerkt man Reminiscenzen
aus Gemälden. Und dabei sind es doch von den tüchtigsten Arbeiten
cder ganzen Richtung. -- In Rom gewährt S. Peter (ausser dem ge-
nannten Relief Algardi's) noch in einer Anzahl kleinerer Sarcophag-
reliefs an den Grabmälern und in Bernini's Relief über dem Haupt-
portal eine Übersicht derjenigen Geschmacksvariationen, welche dann
für die übrige Welt massgebend wurden. -- Die Reliefs über den
dApostelstatuen im Lateran sind von Algardi und seinen Zeitgenossen
entworfen.


Um die Mitte des XVIII. Jahrh. beginnt der Styl sich etwas zu
bessern; während die Auffassung im Ganzen noch dieselbe bleibt,
hören die schlimmsten Excesse des Naturalismus und der davon ab-
geleiteten Manier allmälig auf. Das Raffiniren auf Illusion, welches
noch kurz vorher (S. 696, a) seine Triumphe über die besiegte Schwie-
rigkeit gefeiert, macht einer ruhigern Eleganz Platz. Von diesen Zeit-
genossen eines Rafael Mengs sind natürlich nur wenige zu einigem

Barocksculptur. Relief.
es sollte eher eine Wandgruppe heissen. Übrigens ist Algardi,
beiläufig gesagt, immer eines Blickes werth, weil er das Detail
gewissenhafter behandelt und einen Rest naiven Schönheitssinnes
übrig hat.

Nächst ihm ist der Bolognese Giuseppe Mazza insoweit einer
der Bessern im Relief, als die bolognesische Malerschule in der Com-
position die meisten übrigen Maler überragt. Ausser zahlreichen Ar-
abeiten in den Kirchen seiner Vaterstadt hat er in S. Giovanni e Paolo
zu Venedig (letzte Cap. des rechten Seitenschiffes) in sechs grossen
Bronzereliefs das Leben des heil. Dominicus geschildert; nimmt man
die obern zwei Drittheile mit den Glorien weg, so bleiben ganz tüch-
tige Compositionen übrig, zumal die mit dem Tode des Heiligen.
Dagegen giebt es von Mazza Arbeiten in mehrern Kirchen seiner
Vaterstadt, die nicht besser sind als Anderes aus dieser Zeit.

Für Florenz sind am ehesten zu nennen die drei grossen Altar-
breliefs des Foggini in der Cap. Corsini im Carmine (Querschiff links).
Süssliche Engelchen schieben die Wolken, auf welchen der verhim-
melte Heilige kniet; in dem Schlachtrelief sprengen die Besiegten
links aus dem Rahmen heraus; überall bemerkt man Reminiscenzen
aus Gemälden. Und dabei sind es doch von den tüchtigsten Arbeiten
cder ganzen Richtung. — In Rom gewährt S. Peter (ausser dem ge-
nannten Relief Algardi’s) noch in einer Anzahl kleinerer Sarcophag-
reliefs an den Grabmälern und in Bernini’s Relief über dem Haupt-
portal eine Übersicht derjenigen Geschmacksvariationen, welche dann
für die übrige Welt massgebend wurden. — Die Reliefs über den
dApostelstatuen im Lateran sind von Algardi und seinen Zeitgenossen
entworfen.


Um die Mitte des XVIII. Jahrh. beginnt der Styl sich etwas zu
bessern; während die Auffassung im Ganzen noch dieselbe bleibt,
hören die schlimmsten Excesse des Naturalismus und der davon ab-
geleiteten Manier allmälig auf. Das Raffiniren auf Illusion, welches
noch kurz vorher (S. 696, a) seine Triumphe über die besiegte Schwie-
rigkeit gefeiert, macht einer ruhigern Eleganz Platz. Von diesen Zeit-
genossen eines Rafael Mengs sind natürlich nur wenige zu einigem

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[712/0734] Barocksculptur. Relief. es sollte eher eine Wandgruppe heissen. Übrigens ist Algardi, beiläufig gesagt, immer eines Blickes werth, weil er das Detail gewissenhafter behandelt und einen Rest naiven Schönheitssinnes übrig hat. Nächst ihm ist der Bolognese Giuseppe Mazza insoweit einer der Bessern im Relief, als die bolognesische Malerschule in der Com- position die meisten übrigen Maler überragt. Ausser zahlreichen Ar- beiten in den Kirchen seiner Vaterstadt hat er in S. Giovanni e Paolo zu Venedig (letzte Cap. des rechten Seitenschiffes) in sechs grossen Bronzereliefs das Leben des heil. Dominicus geschildert; nimmt man die obern zwei Drittheile mit den Glorien weg, so bleiben ganz tüch- tige Compositionen übrig, zumal die mit dem Tode des Heiligen. Dagegen giebt es von Mazza Arbeiten in mehrern Kirchen seiner Vaterstadt, die nicht besser sind als Anderes aus dieser Zeit. a Für Florenz sind am ehesten zu nennen die drei grossen Altar- reliefs des Foggini in der Cap. Corsini im Carmine (Querschiff links). Süssliche Engelchen schieben die Wolken, auf welchen der verhim- melte Heilige kniet; in dem Schlachtrelief sprengen die Besiegten links aus dem Rahmen heraus; überall bemerkt man Reminiscenzen aus Gemälden. Und dabei sind es doch von den tüchtigsten Arbeiten der ganzen Richtung. — In Rom gewährt S. Peter (ausser dem ge- nannten Relief Algardi’s) noch in einer Anzahl kleinerer Sarcophag- reliefs an den Grabmälern und in Bernini’s Relief über dem Haupt- portal eine Übersicht derjenigen Geschmacksvariationen, welche dann für die übrige Welt massgebend wurden. — Die Reliefs über den Apostelstatuen im Lateran sind von Algardi und seinen Zeitgenossen entworfen. b c d Um die Mitte des XVIII. Jahrh. beginnt der Styl sich etwas zu bessern; während die Auffassung im Ganzen noch dieselbe bleibt, hören die schlimmsten Excesse des Naturalismus und der davon ab- geleiteten Manier allmälig auf. Das Raffiniren auf Illusion, welches noch kurz vorher (S. 696, a) seine Triumphe über die besiegte Schwie- rigkeit gefeiert, macht einer ruhigern Eleganz Platz. Von diesen Zeit- genossen eines Rafael Mengs sind natürlich nur wenige zu einigem

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/734>, abgerufen am 11.06.2024.