Bildnissmedaillon) und die Schifffahrt, auf dem andern die Abundantia maritima und der "Gedanke", ein nackter Alter mit Büchern; über den Särgen stehen dort S. Franciscus, hier S. Dominicus; unter dem Kuppelrand schweben Engel, in der Kuppel Putten. Und über diess Alles ist doch Ein Styl ausgegossen und der Beschauer lässt sich wenigstens einen Augenblick täuschen als gehöre es zusammen. (Das aAltarbild von Carlo Lotti.)
In Venedig behielten die Dogengräber von der vorhergehenden Epoche her die Form grosser Wandarchitekturen von zwei Ordnungen bei, nur dass dieselben in noch viel colossalerm Massstab ausgeführt wurden. Das Figürliche concentrirt sich hier nicht zu einer allego- rischen Sarcophaggruppe, sondern vertheilt sich in einzeln aufgestellte Statuen vor und zwischen den Säulen, in Reliefs an den Postamenten u. s. w. Ganze Kirchenwände (am liebsten die Frontwand) werden von diesen zum Theil ganz abscheulichen Decorationen in Beschlag genommen. Unverzeihlich bleibt es zumal, dass die Besteller, was sie an der Architektur ausgaben, an den armen Schluckern sparten, welche die Sculpturen in Verding nahmen, sodass die elendesten Arbeiten des berninischen Styles sich gerade in den venezianischen Kirchen finden bmüssen. Eine Ausnahme macht etwa das Mausoleum Valier im rech- ten Seitenschiff von S. Giovanni e Paolo, wofür man wenigstens einen der bessern Berninesken, Baratta, nebst andern Geringern in Anspruch nahm. (Unter den obern Statuen u. a. eine Dogaressa in vollem Co- stüm um 1700.) -- Wie weit das Verlangen geht, überall recht be- greiflich und wirklich zu sein, zeigt auf erheiternde Weise das im clinken Seitenschiff der Frari befindliche Grabmal eines Dogen Pesaro (+ 1669). Vier Mohren tragen als Atlanten das Hauptgesimse; ihre Stellung schien nicht genügend um sie als Besiegte und Galeotten darzustellen; der Künstler, ein gewisser Barthel, gab ihnen zerrissene Hosen von weissem Marmor, durch deren Lücken die schwarzmarmor- nen Kniee hervorgucken; er hatte aber auch genug Mitleid für sie und Nachsicht für den Beschauer, um zwischen ihren Nacken und den Sims dicke Kissen zu schieben; das Tragen thäte ihnen sonst zu wehe.
Von den Altargruppen sind zuerst die frei stehenden zu betrachten. Die beste welche mir vorgekommen ist, befindet sich in
Barocksculptur. Dogengräber.
Bildnissmedaillon) und die Schifffahrt, auf dem andern die Abundantia maritima und der „Gedanke“, ein nackter Alter mit Büchern; über den Särgen stehen dort S. Franciscus, hier S. Dominicus; unter dem Kuppelrand schweben Engel, in der Kuppel Putten. Und über diess Alles ist doch Ein Styl ausgegossen und der Beschauer lässt sich wenigstens einen Augenblick täuschen als gehöre es zusammen. (Das aAltarbild von Carlo Lotti.)
In Venedig behielten die Dogengräber von der vorhergehenden Epoche her die Form grosser Wandarchitekturen von zwei Ordnungen bei, nur dass dieselben in noch viel colossalerm Massstab ausgeführt wurden. Das Figürliche concentrirt sich hier nicht zu einer allego- rischen Sarcophaggruppe, sondern vertheilt sich in einzeln aufgestellte Statuen vor und zwischen den Säulen, in Reliefs an den Postamenten u. s. w. Ganze Kirchenwände (am liebsten die Frontwand) werden von diesen zum Theil ganz abscheulichen Decorationen in Beschlag genommen. Unverzeihlich bleibt es zumal, dass die Besteller, was sie an der Architektur ausgaben, an den armen Schluckern sparten, welche die Sculpturen in Verding nahmen, sodass die elendesten Arbeiten des berninischen Styles sich gerade in den venezianischen Kirchen finden bmüssen. Eine Ausnahme macht etwa das Mausoleum Valier im rech- ten Seitenschiff von S. Giovanni e Paolo, wofür man wenigstens einen der bessern Berninesken, Baratta, nebst andern Geringern in Anspruch nahm. (Unter den obern Statuen u. a. eine Dogaressa in vollem Co- stüm um 1700.) — Wie weit das Verlangen geht, überall recht be- greiflich und wirklich zu sein, zeigt auf erheiternde Weise das im clinken Seitenschiff der Frari befindliche Grabmal eines Dogen Pesaro († 1669). Vier Mohren tragen als Atlanten das Hauptgesimse; ihre Stellung schien nicht genügend um sie als Besiegte und Galeotten darzustellen; der Künstler, ein gewisser Barthel, gab ihnen zerrissene Hosen von weissem Marmor, durch deren Lücken die schwarzmarmor- nen Kniee hervorgucken; er hatte aber auch genug Mitleid für sie und Nachsicht für den Beschauer, um zwischen ihren Nacken und den Sims dicke Kissen zu schieben; das Tragen thäte ihnen sonst zu wehe.
Von den Altargruppen sind zuerst die frei stehenden zu betrachten. Die beste welche mir vorgekommen ist, befindet sich in
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Barocksculptur. Dogengräber.
Bildnissmedaillon) und die Schifffahrt, auf dem andern die Abundantia
maritima und der „Gedanke“, ein nackter Alter mit Büchern; über
den Särgen stehen dort S. Franciscus, hier S. Dominicus; unter dem
Kuppelrand schweben Engel, in der Kuppel Putten. Und über diess
Alles ist doch Ein Styl ausgegossen und der Beschauer lässt sich
wenigstens einen Augenblick täuschen als gehöre es zusammen. (Das
Altarbild von Carlo Lotti.)
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In Venedig behielten die Dogengräber von der vorhergehenden
Epoche her die Form grosser Wandarchitekturen von zwei Ordnungen
bei, nur dass dieselben in noch viel colossalerm Massstab ausgeführt
wurden. Das Figürliche concentrirt sich hier nicht zu einer allego-
rischen Sarcophaggruppe, sondern vertheilt sich in einzeln aufgestellte
Statuen vor und zwischen den Säulen, in Reliefs an den Postamenten
u. s. w. Ganze Kirchenwände (am liebsten die Frontwand) werden
von diesen zum Theil ganz abscheulichen Decorationen in Beschlag
genommen. Unverzeihlich bleibt es zumal, dass die Besteller, was sie
an der Architektur ausgaben, an den armen Schluckern sparten, welche
die Sculpturen in Verding nahmen, sodass die elendesten Arbeiten des
berninischen Styles sich gerade in den venezianischen Kirchen finden
müssen. Eine Ausnahme macht etwa das Mausoleum Valier im rech-
ten Seitenschiff von S. Giovanni e Paolo, wofür man wenigstens einen
der bessern Berninesken, Baratta, nebst andern Geringern in Anspruch
nahm. (Unter den obern Statuen u. a. eine Dogaressa in vollem Co-
stüm um 1700.) — Wie weit das Verlangen geht, überall recht be-
greiflich und wirklich zu sein, zeigt auf erheiternde Weise das im
linken Seitenschiff der Frari befindliche Grabmal eines Dogen Pesaro
(† 1669). Vier Mohren tragen als Atlanten das Hauptgesimse; ihre
Stellung schien nicht genügend um sie als Besiegte und Galeotten
darzustellen; der Künstler, ein gewisser Barthel, gab ihnen zerrissene
Hosen von weissem Marmor, durch deren Lücken die schwarzmarmor-
nen Kniee hervorgucken; er hatte aber auch genug Mitleid für sie
und Nachsicht für den Beschauer, um zwischen ihren Nacken und den
Sims dicke Kissen zu schieben; das Tragen thäte ihnen sonst zu wehe.
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Von den Altargruppen sind zuerst die frei stehenden zu
betrachten. Die beste welche mir vorgekommen ist, befindet sich in
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/728>, abgerufen am 18.12.2024.
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