In den Profangruppen wird das Capitel der mythischen Ent- führungsscenen umständlich behandelt; Bernini gab schon in seiner frühen Gruppe "Apoll und Daphne" (S. 694, b) dasjenige Übermass desa Momentanen, womit jene Zeit glücklich zu machen war; ausserdem ge- hört sein Pluto (S. 694, a) hieher. Mit der Zeit geriethen solche Sujets in die Hände von Garten-Steinmetzen, und fielen dann bisweilen so lächerlich aus, dass man das Anstössige völlig vergisst. Irgend etwas von dem plastischen Ernste des Sabinerinnenraubes von Giov. Bologna wird man im XVII. und XVIII. Jahrh. vergebens suchen.
Von den Brunnengruppen ist zum Theil schon die Rede ge- wesen (S. 396 u. f.). In derjenigen auf Piazza Navona (S. 694, c) strebtb Bernini nach dem Ausdruck elementarischer Naturgewalten in Michel- angelo's Sinne, allein statt eines blossen gewaltigen Seins kann er auch hier sein Pathos nicht unterdrücken, ein Nachtheil, welchen die einfach tüchtige Detailarbeit nicht wieder gut machen kann. Hier lernt man Giov. Bologna's Brunnen im Garten Boboli (S. 683, b) schätzen, welcher einen streng architektonischen Sinn in plastischen Gestalten ausdrückt und keines irrationellen Elementes bedarf, wie in Bernini's Werk der mit unsäglicher Schlauheit arrangirte Naturfels ist.
Ebenso muss man die Prachtgräber dieser Zeit mit ihrer Art von Gruppenbildung kennen, um Michelangelo's Gräber in der Sa- cristei von S. Lorenzo ganz zu würdigen. Bernini selber begann die neue Reihe mit dem Grabmal Urbans VIII im Chor von S. Peter,c und endete mit demjenigen Alexanders VII (über einer Thür seitwärts vom linken Querschiff); der Typus des erstgenannten herrscht dann weiter in den Grabmälern Leo's XI (von Algardi), Innocenz XI (von Monnot), Gregors XIII (erst lange nach dessen Tode errichtet, 1723, von Camillo Rusconi, das beste der Reihe), und Benedicts XIV (von Pietro Bracci), wozu noch dasjenige Benedicts XIII in der Minervad (ebenfalls von Bracci) und dasjenige Clemens XII im Lateran (Cap.e Corsini) zu rechnen sind.
Durchgängig das Beste oder Leidlichste sind natürlich die über den Särgen thronenden, stehenden oder knienden Porträtstatuen der Päpste, zumal bei Bernini selbst. Im Übrigen aber wird die Nische, in welcher der Sarcophag steht, nur als eine Art Schaubühne behandelt, auf welcher Etwas vorgehen muss. Noch Gugl. della Porta
Profane Gruppen. Brunnengruppen. Grabgruppen.
In den Profangruppen wird das Capitel der mythischen Ent- führungsscenen umständlich behandelt; Bernini gab schon in seiner frühen Gruppe „Apoll und Daphne“ (S. 694, b) dasjenige Übermass desa Momentanen, womit jene Zeit glücklich zu machen war; ausserdem ge- hört sein Pluto (S. 694, a) hieher. Mit der Zeit geriethen solche Sujets in die Hände von Garten-Steinmetzen, und fielen dann bisweilen so lächerlich aus, dass man das Anstössige völlig vergisst. Irgend etwas von dem plastischen Ernste des Sabinerinnenraubes von Giov. Bologna wird man im XVII. und XVIII. Jahrh. vergebens suchen.
Von den Brunnengruppen ist zum Theil schon die Rede ge- wesen (S. 396 u. f.). In derjenigen auf Piazza Navona (S. 694, c) strebtb Bernini nach dem Ausdruck elementarischer Naturgewalten in Michel- angelo’s Sinne, allein statt eines blossen gewaltigen Seins kann er auch hier sein Pathos nicht unterdrücken, ein Nachtheil, welchen die einfach tüchtige Detailarbeit nicht wieder gut machen kann. Hier lernt man Giov. Bologna’s Brunnen im Garten Boboli (S. 683, b) schätzen, welcher einen streng architektonischen Sinn in plastischen Gestalten ausdrückt und keines irrationellen Elementes bedarf, wie in Bernini’s Werk der mit unsäglicher Schlauheit arrangirte Naturfels ist.
Ebenso muss man die Prachtgräber dieser Zeit mit ihrer Art von Gruppenbildung kennen, um Michelangelo’s Gräber in der Sa- cristei von S. Lorenzo ganz zu würdigen. Bernini selber begann die neue Reihe mit dem Grabmal Urbans VIII im Chor von S. Peter,c und endete mit demjenigen Alexanders VII (über einer Thür seitwärts vom linken Querschiff); der Typus des erstgenannten herrscht dann weiter in den Grabmälern Leo’s XI (von Algardi), Innocenz XI (von Monnot), Gregors XIII (erst lange nach dessen Tode errichtet, 1723, von Camillo Rusconi, das beste der Reihe), und Benedicts XIV (von Pietro Bracci), wozu noch dasjenige Benedicts XIII in der Minervad (ebenfalls von Bracci) und dasjenige Clemens XII im Lateran (Cap.e Corsini) zu rechnen sind.
Durchgängig das Beste oder Leidlichste sind natürlich die über den Särgen thronenden, stehenden oder knienden Porträtstatuen der Päpste, zumal bei Bernini selbst. Im Übrigen aber wird die Nische, in welcher der Sarcophag steht, nur als eine Art Schaubühne behandelt, auf welcher Etwas vorgehen muss. Noch Gugl. della Porta
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Profane Gruppen. Brunnengruppen. Grabgruppen.
In den Profangruppen wird das Capitel der mythischen Ent-
führungsscenen umständlich behandelt; Bernini gab schon in seiner
frühen Gruppe „Apoll und Daphne“ (S. 694, b) dasjenige Übermass des
Momentanen, womit jene Zeit glücklich zu machen war; ausserdem ge-
hört sein Pluto (S. 694, a) hieher. Mit der Zeit geriethen solche Sujets
in die Hände von Garten-Steinmetzen, und fielen dann bisweilen so
lächerlich aus, dass man das Anstössige völlig vergisst. Irgend etwas
von dem plastischen Ernste des Sabinerinnenraubes von Giov. Bologna
wird man im XVII. und XVIII. Jahrh. vergebens suchen.
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Von den Brunnengruppen ist zum Theil schon die Rede ge-
wesen (S. 396 u. f.). In derjenigen auf Piazza Navona (S. 694, c) strebt
Bernini nach dem Ausdruck elementarischer Naturgewalten in Michel-
angelo’s Sinne, allein statt eines blossen gewaltigen Seins kann er
auch hier sein Pathos nicht unterdrücken, ein Nachtheil, welchen die
einfach tüchtige Detailarbeit nicht wieder gut machen kann. Hier
lernt man Giov. Bologna’s Brunnen im Garten Boboli (S. 683, b) schätzen,
welcher einen streng architektonischen Sinn in plastischen Gestalten
ausdrückt und keines irrationellen Elementes bedarf, wie in Bernini’s
Werk der mit unsäglicher Schlauheit arrangirte Naturfels ist.
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Ebenso muss man die Prachtgräber dieser Zeit mit ihrer Art
von Gruppenbildung kennen, um Michelangelo’s Gräber in der Sa-
cristei von S. Lorenzo ganz zu würdigen. Bernini selber begann die
neue Reihe mit dem Grabmal Urbans VIII im Chor von S. Peter,
und endete mit demjenigen Alexanders VII (über einer Thür seitwärts
vom linken Querschiff); der Typus des erstgenannten herrscht dann
weiter in den Grabmälern Leo’s XI (von Algardi), Innocenz XI (von
Monnot), Gregors XIII (erst lange nach dessen Tode errichtet, 1723,
von Camillo Rusconi, das beste der Reihe), und Benedicts XIV (von
Pietro Bracci), wozu noch dasjenige Benedicts XIII in der Minerva
(ebenfalls von Bracci) und dasjenige Clemens XII im Lateran (Cap.
Corsini) zu rechnen sind.
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Durchgängig das Beste oder Leidlichste sind natürlich die über
den Särgen thronenden, stehenden oder knienden Porträtstatuen
der Päpste, zumal bei Bernini selbst. Im Übrigen aber wird die
Nische, in welcher der Sarcophag steht, nur als eine Art Schaubühne
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 701. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/723>, abgerufen am 18.12.2024.
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