aweit man in der Allegorie ging, beweisen die Statuen des Novelli, Pieratti u. A. in der Grotte hinten am grossen Hofe des Pal. Pitti, "die Gesetzgebung, der Eifer, die Herrschaft, die Milde"; Moses: dessen Eigenschaften diess sein sollen, steht (von Porphyr gemeisselt) in der Mitte. -- Wie weit man aber vom wirklichen Alterthum trotz aller classischen Gegenstände entfernt war, zeigen die beiden lächer- blichen Statuen des Jupiter und Janus von Francavilla, welche in der untern Halle des Pal. Brignole zu Genua stehen. (Derjenige Pal. dieses Namens, welcher dem rothen gegenüber an der Str. nuova steht.) Nach den grossen Köpfen, kümmerlichen Leibern, forcirten Gewändern und prahlerisch michelangelesken Händen zu urtheilen glaubt man einen echten Bandinelli vor sich zu haben.
Neben diesen etwas hohlen und müssigen Schaustellungen, die immerhin ihre Stelle in Nischen oder im Freien wirksam ausfüllen, meldet sich -- ausser jenen decorativen Fratzen -- bald auch eine eigentliche Genresculptur, von halb pastoralem, halb possenhaftem cCharakter; Figuren von Jaques Callot als Statuen ausgeführt u. dgl. (Garten Boboli etc.) Die künstlerische Nichtigkeit dieser Productionen verbietet uns jede nähere Betrachtung. Sie haben übrigens eine Nach- folge gefunden, welche noch jetzt nicht erloschen ist und in Mailand ganze Ateliers beschäftigt. (Chargen, auch in moderner Tracht, auf Gartenmauern etc.)
In Rom macht sich in den ersten Jahrzehnden nach Michelan- gelo's Tode nicht eine schwülstige Ausbeutung seiner Ideen, sondern eher eine tiefe Ermattung geltend. Ausser den paar Florentinern sind es vereinzelte, wenig namhafte Meister, welche die Altargruppen und die Grabstatuen dieser Zeit fertigten. So Giov. Batt. della Porta, dvon welchem in S. Pudentiana (hinten links) die Gruppe der Schlüs- selverleihung gearbeitet ist; -- Giov. Batt. Cotignola, von wel- echem sich derselbe Gegenstand sehr ähnlich behandelt findet in S. Ago- stino (4. Cap. rechts); -- die beiden Casignola, von welchen die fthronende Statue Pauls IV über dessen Sarcophag in der Minerva (Cap. Caraffa) gearbeitet ist, mit tüchtig individuellem Kopfe, sonst gesucht und ungeschickt. Die Papstgräber sind überhaupt um diese Zeit ein interessanter Gradmesser für die kirchliche Intention sowohl
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Spätere Römer.
aweit man in der Allegorie ging, beweisen die Statuen des Novelli, Pieratti u. A. in der Grotte hinten am grossen Hofe des Pal. Pitti, „die Gesetzgebung, der Eifer, die Herrschaft, die Milde“; Moses: dessen Eigenschaften diess sein sollen, steht (von Porphyr gemeisselt) in der Mitte. — Wie weit man aber vom wirklichen Alterthum trotz aller classischen Gegenstände entfernt war, zeigen die beiden lächer- blichen Statuen des Jupiter und Janus von Francavilla, welche in der untern Halle des Pal. Brignole zu Genua stehen. (Derjenige Pal. dieses Namens, welcher dem rothen gegenüber an der Str. nuova steht.) Nach den grossen Köpfen, kümmerlichen Leibern, forcirten Gewändern und prahlerisch michelangelesken Händen zu urtheilen glaubt man einen echten Bandinelli vor sich zu haben.
Neben diesen etwas hohlen und müssigen Schaustellungen, die immerhin ihre Stelle in Nischen oder im Freien wirksam ausfüllen, meldet sich — ausser jenen decorativen Fratzen — bald auch eine eigentliche Genresculptur, von halb pastoralem, halb possenhaftem cCharakter; Figuren von Jaques Callot als Statuen ausgeführt u. dgl. (Garten Boboli etc.) Die künstlerische Nichtigkeit dieser Productionen verbietet uns jede nähere Betrachtung. Sie haben übrigens eine Nach- folge gefunden, welche noch jetzt nicht erloschen ist und in Mailand ganze Ateliers beschäftigt. (Chargen, auch in moderner Tracht, auf Gartenmauern etc.)
In Rom macht sich in den ersten Jahrzehnden nach Michelan- gelo’s Tode nicht eine schwülstige Ausbeutung seiner Ideen, sondern eher eine tiefe Ermattung geltend. Ausser den paar Florentinern sind es vereinzelte, wenig namhafte Meister, welche die Altargruppen und die Grabstatuen dieser Zeit fertigten. So Giov. Batt. della Porta, dvon welchem in S. Pudentiana (hinten links) die Gruppe der Schlüs- selverleihung gearbeitet ist; — Giov. Batt. Cotignola, von wel- echem sich derselbe Gegenstand sehr ähnlich behandelt findet in S. Ago- stino (4. Cap. rechts); — die beiden Casignola, von welchen die fthronende Statue Pauls IV über dessen Sarcophag in der Minerva (Cap. Caraffa) gearbeitet ist, mit tüchtig individuellem Kopfe, sonst gesucht und ungeschickt. Die Papstgräber sind überhaupt um diese Zeit ein interessanter Gradmesser für die kirchliche Intention sowohl
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Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Spätere Römer.
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„die Gesetzgebung, der Eifer, die Herrschaft, die Milde“; Moses:
dessen Eigenschaften diess sein sollen, steht (von Porphyr gemeisselt)
in der Mitte. — Wie weit man aber vom wirklichen Alterthum trotz
aller classischen Gegenstände entfernt war, zeigen die beiden lächer-
lichen Statuen des Jupiter und Janus von Francavilla, welche in
der untern Halle des Pal. Brignole zu Genua stehen. (Derjenige Pal.
dieses Namens, welcher dem rothen gegenüber an der Str. nuova
steht.) Nach den grossen Köpfen, kümmerlichen Leibern, forcirten
Gewändern und prahlerisch michelangelesken Händen zu urtheilen
glaubt man einen echten Bandinelli vor sich zu haben.
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Neben diesen etwas hohlen und müssigen Schaustellungen, die
immerhin ihre Stelle in Nischen oder im Freien wirksam ausfüllen,
meldet sich — ausser jenen decorativen Fratzen — bald auch eine
eigentliche Genresculptur, von halb pastoralem, halb possenhaftem
Charakter; Figuren von Jaques Callot als Statuen ausgeführt u. dgl.
(Garten Boboli etc.) Die künstlerische Nichtigkeit dieser Productionen
verbietet uns jede nähere Betrachtung. Sie haben übrigens eine Nach-
folge gefunden, welche noch jetzt nicht erloschen ist und in Mailand
ganze Ateliers beschäftigt. (Chargen, auch in moderner Tracht, auf
Gartenmauern etc.)
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In Rom macht sich in den ersten Jahrzehnden nach Michelan-
gelo’s Tode nicht eine schwülstige Ausbeutung seiner Ideen, sondern
eher eine tiefe Ermattung geltend. Ausser den paar Florentinern sind
es vereinzelte, wenig namhafte Meister, welche die Altargruppen und
die Grabstatuen dieser Zeit fertigten. So Giov. Batt. della Porta,
von welchem in S. Pudentiana (hinten links) die Gruppe der Schlüs-
selverleihung gearbeitet ist; — Giov. Batt. Cotignola, von wel-
chem sich derselbe Gegenstand sehr ähnlich behandelt findet in S. Ago-
stino (4. Cap. rechts); — die beiden Casignola, von welchen die
thronende Statue Pauls IV über dessen Sarcophag in der Minerva
(Cap. Caraffa) gearbeitet ist, mit tüchtig individuellem Kopfe, sonst
gesucht und ungeschickt. Die Papstgräber sind überhaupt um diese
Zeit ein interessanter Gradmesser für die kirchliche Intention sowohl
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/710>, abgerufen am 18.12.2024.
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