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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla.

Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des
aGiov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am
Ponte della Trinita "der Winter" her; eine tüchtige Arbeit, aber recht
bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn
den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um?
b-- Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tar-
tarughe
in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste
plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das
Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge-
drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild-
kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em-
porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was
man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht
erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo
della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von
Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe.
cAls bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa
mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.

Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro
Francavilla
aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap.
dNiccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und
doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die
esechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er
nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten
fGrabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst
durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme
gzum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino
zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst
manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h.

Weiter gehört hieher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die
hBalustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er-
baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei-
ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke
Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im
iChor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri-
kstusbüste an der Ecke des jetzigen Hotel d'York (1588). Er war da-

Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla.

Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des
aGiov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am
Ponte della Trinità „der Winter“ her; eine tüchtige Arbeit, aber recht
bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn
den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um?
b— Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tar-
tarughe
in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste
plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das
Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge-
drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild-
kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em-
porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was
man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht
erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo
della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von
Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe.
cAls bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa
mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.

Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro
Francavilla
aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap.
dNiccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und
doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die
esechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er
nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten
fGrabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst
durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme
gzum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino
zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst
manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h.

Weiter gehört hieher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die
hBalustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er-
baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei-
ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke
Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im
iChor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri-
kstusbüste an der Ecke des jetzigen Hôtel d’York (1588). Er war da-

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[686/0708] Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla. Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des Giov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am Ponte della Trinità „der Winter“ her; eine tüchtige Arbeit, aber recht bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um? — Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tar- tarughe in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge- drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild- kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em- porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe. Als bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist. a b c Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro Francavilla aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap. Niccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die sechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten Grabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme zum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h. d e f g Weiter gehört hieher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die Balustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er- baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei- ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im Chor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri- stusbüste an der Ecke des jetzigen Hôtel d’York (1588). Er war da- h i k

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/708>, abgerufen am 11.06.2024.