Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Giovanni da Bologna.
genständen eine gesunde Mythologie ersetzen kann, zumal wenn der Meister das Ziel seiner Kunst nur in äusserer That, nur in kühner Bewegung und starken Linien zu finden im Stande ist. Wie zu er- warten stand, hat die Tugend das Laster durch irgend welche Mittel gebändigt und kniet ihm nun auf dem Rücken. -- Von der Colossal- astatue des Apennin in Pratolino kann der Verf. nicht aus eigener Anschauung berichten. Der "Überfluss" (Copia), auf der höchsten Terrasse des Gartens Boboli, ist ein höchst manierirtes Werk, übri- gens von G. da Bol. nur begonnen.
b
Die sechs kleinern Bronzestatuen von Göttern und Göttinnen in den Uffizien (I. Zimmer d. Br.) scheinen nur um des Balancirens, um der künstlichen Wendung willen vorhanden zu sein; dagegen ist der durch die Luft springend gedachte Mercur (mit dem einen Fuss auf einem -- ehernen -- Windstoss ruhend) eine ganz vortreffliche Ar- beit, die an schöner, lebensvoller Bildung alles Übrige von Gio. da Bol. weit übertrifft und von allen Bronzen des XVI. Jahrh. der Antike am nächsten kömmt.
c
Von kirchlichen Aufgaben sind die Statuen des Altares links vom Chor des Domes zu Lucca ungefähr das Beste. -- Der bronzene Lucas dan Orsanmicchele steht dagegen hinter allen Statuen dieser Kirche durch falsche Bravour und Mangel an Ernst zurück.
Wie durchgängig in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. die Bild- nisse das geniessbarste sind (weil frei von dem falschen Ideal und dem Pathos der historischen und symbolischen Aufgaben), so auch ehier. An der Reiterstatue Cosimo's I auf der Piazza del Gran- duca wird man zwar das Pferd manierirt finden, aber ganz meister- haft edel und leicht ist die Haltung des Fürsten, zumal die Wendung des Kopfes; es war die Zeit des nobeln Reitens! Der Styl des Ein- zelnen ist ernst und vortrefflich. -- Die ungleich geringere Reiterfigur fFerdinands I auf Piazza dell' Annunziata ist ein Werk aus dem Grei- senalter des Künstlers. -- Was nach seinen Entwürfen von Franca- villa in dieser Art ausgeführt würde, ist rohe Decoration, so die gmarmorne Statue Cosimo's I auf Piazza de' Cavalieri in Pisa, und die hFerdinands I am Lungarno daselbst. Der Grossherzog hebt die ge- sunkene Pisa mit ihren beiden Putten nicht empor, sondern hindert sie nur an weiterm Sinken.
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Giovanni da Bologna.
genständen eine gesunde Mythologie ersetzen kann, zumal wenn der Meister das Ziel seiner Kunst nur in äusserer That, nur in kühner Bewegung und starken Linien zu finden im Stande ist. Wie zu er- warten stand, hat die Tugend das Laster durch irgend welche Mittel gebändigt und kniet ihm nun auf dem Rücken. — Von der Colossal- astatue des Apennin in Pratolino kann der Verf. nicht aus eigener Anschauung berichten. Der „Überfluss“ (Copia), auf der höchsten Terrasse des Gartens Boboli, ist ein höchst manierirtes Werk, übri- gens von G. da Bol. nur begonnen.
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Die sechs kleinern Bronzestatuen von Göttern und Göttinnen in den Uffizien (I. Zimmer d. Br.) scheinen nur um des Balancirens, um der künstlichen Wendung willen vorhanden zu sein; dagegen ist der durch die Luft springend gedachte Mercur (mit dem einen Fuss auf einem — ehernen — Windstoss ruhend) eine ganz vortreffliche Ar- beit, die an schöner, lebensvoller Bildung alles Übrige von Gio. da Bol. weit übertrifft und von allen Bronzen des XVI. Jahrh. der Antike am nächsten kömmt.
c
Von kirchlichen Aufgaben sind die Statuen des Altares links vom Chor des Domes zu Lucca ungefähr das Beste. — Der bronzene Lucas dan Orsanmicchele steht dagegen hinter allen Statuen dieser Kirche durch falsche Bravour und Mangel an Ernst zurück.
Wie durchgängig in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. die Bild- nisse das geniessbarste sind (weil frei von dem falschen Ideal und dem Pathos der historischen und symbolischen Aufgaben), so auch ehier. An der Reiterstatue Cosimo’s I auf der Piazza del Gran- duca wird man zwar das Pferd manierirt finden, aber ganz meister- haft edel und leicht ist die Haltung des Fürsten, zumal die Wendung des Kopfes; es war die Zeit des nobeln Reitens! Der Styl des Ein- zelnen ist ernst und vortrefflich. — Die ungleich geringere Reiterfigur fFerdinands I auf Piazza dell’ Annunziata ist ein Werk aus dem Grei- senalter des Künstlers. — Was nach seinen Entwürfen von Franca- villa in dieser Art ausgeführt würde, ist rohe Decoration, so die gmarmorne Statue Cosimo’s I auf Piazza de’ Cavalieri in Pisa, und die hFerdinands I am Lungarno daselbst. Der Grossherzog hebt die ge- sunkene Pisa mit ihren beiden Putten nicht empor, sondern hindert sie nur an weiterm Sinken.
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[684/0706]
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Giovanni da Bologna.
genständen eine gesunde Mythologie ersetzen kann, zumal wenn der
Meister das Ziel seiner Kunst nur in äusserer That, nur in kühner
Bewegung und starken Linien zu finden im Stande ist. Wie zu er-
warten stand, hat die Tugend das Laster durch irgend welche Mittel
gebändigt und kniet ihm nun auf dem Rücken. — Von der Colossal-
statue des Apennin in Pratolino kann der Verf. nicht aus eigener
Anschauung berichten. Der „Überfluss“ (Copia), auf der höchsten
Terrasse des Gartens Boboli, ist ein höchst manierirtes Werk, übri-
gens von G. da Bol. nur begonnen.
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Die sechs kleinern Bronzestatuen von Göttern und Göttinnen in
den Uffizien (I. Zimmer d. Br.) scheinen nur um des Balancirens, um
der künstlichen Wendung willen vorhanden zu sein; dagegen ist der
durch die Luft springend gedachte Mercur (mit dem einen Fuss auf
einem — ehernen — Windstoss ruhend) eine ganz vortreffliche Ar-
beit, die an schöner, lebensvoller Bildung alles Übrige von Gio. da
Bol. weit übertrifft und von allen Bronzen des XVI. Jahrh. der Antike
am nächsten kömmt.
Von kirchlichen Aufgaben sind die Statuen des Altares links vom
Chor des Domes zu Lucca ungefähr das Beste. — Der bronzene Lucas
an Orsanmicchele steht dagegen hinter allen Statuen dieser Kirche
durch falsche Bravour und Mangel an Ernst zurück.
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Wie durchgängig in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. die Bild-
nisse das geniessbarste sind (weil frei von dem falschen Ideal und
dem Pathos der historischen und symbolischen Aufgaben), so auch
hier. An der Reiterstatue Cosimo’s I auf der Piazza del Gran-
duca wird man zwar das Pferd manierirt finden, aber ganz meister-
haft edel und leicht ist die Haltung des Fürsten, zumal die Wendung
des Kopfes; es war die Zeit des nobeln Reitens! Der Styl des Ein-
zelnen ist ernst und vortrefflich. — Die ungleich geringere Reiterfigur
Ferdinands I auf Piazza dell’ Annunziata ist ein Werk aus dem Grei-
senalter des Künstlers. — Was nach seinen Entwürfen von Franca-
villa in dieser Art ausgeführt würde, ist rohe Decoration, so die
marmorne Statue Cosimo’s I auf Piazza de’ Cavalieri in Pisa, und die
Ferdinands I am Lungarno daselbst. Der Grossherzog hebt die ge-
sunkene Pisa mit ihren beiden Putten nicht empor, sondern hindert
sie nur an weiterm Sinken.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/706>, abgerufen am 10.06.2024.
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