bis zur gemeinen Grimasse übertriebenen Art, welche wir bei Maz- zoni werden kennen lernen. Auf der Basis sitzen und stehen fünf Heldenstatuen, die zum Bedeutendsten der ganzen oberitalischen Sculp- tur gehören; das Äusserliche der Behandlung ist in der Art der Lom- bardi, die Motive (des Sinnens) aber geistvoller und origineller als die meisten Werke derselben. Geringer sind wiederum die obern Theile die Reliefs am Sarcophag selbst und die Reiterstatue darüber, nebst den Tugenden zu beiden Seiten, von verschiedenen Händen. -- Ebenda adas Denkmal der Medea, Coleoni's Tochter, mit drei köstlichen alle- gorischen Figuren. (Die beiden Engel, welche den Altartisch tragen, bei leichter Anmuth doch ernst aufgefasst, mögen von einem treffli- chen Lombarden zu Anfang des XVI. Jahrh. gefertigt sein.) -- An der bAussenseite der Capelle sind ein paar Putten oben und die Sockel- reliefs mit den Geschichten der Genesis und den Thaten des Hercu- les des herben und tüchtigen Styles wegen bemerkenswerth, die Denk- mäler Cäsars und Trajans aber, welche als Aufsätze der Fenster dienen, sowie die in Medaillons angebrachten Köpfe des Augustus und Ha- drian geben wenigstens einen Begriff von der damaligen Vergötterung des Alterthums.
Im Dom von Como lernt man zunächst den Vollender des Baues selbst, Tommaso Rodari, auch als Bildhauer und Decorator ken- cnen; sein Antheil an der nördlichen Seitenpforte 1) und der von ihm dverfertigte erste Altar des rechten Seitenschiffes (datirt 1492, mit Marmorreliefs) verrathen jedoch ein nur mittelmässiges Talent. Die zahlreichen übrigen Sculpturen an und in diesem schönen Gebäude sind zum Theil bedeutender. -- Von mehr oder weniger befangenen lom- bardischen Künstlern der Zeit um 1470--1500 rühren her: die meisten eBildwerke an der Fassade, also die Statuen in den Nischen der Pi- laster, über dem Hauptportal, in den Fenstergewandungen und weiter oben, sowie die Reliefs der drei Portallunetten; ferner im Innern: die Apostel an den Pfeilern des Hauptschiffes, mittelgute Arbeiten ganz
1) Wie dort über die römischen Kaiser, so darf man sich hier über Bacchan- ten, Centauren, Hercules, Genius Imperatoris u. a. Heidenthum nicht ver- wundern. Die Lunettengruppe enthält wenigstens Mariä Heimsuchung.
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Bergamo.
bis zur gemeinen Grimasse übertriebenen Art, welche wir bei Maz- zoni werden kennen lernen. Auf der Basis sitzen und stehen fünf Heldenstatuen, die zum Bedeutendsten der ganzen oberitalischen Sculp- tur gehören; das Äusserliche der Behandlung ist in der Art der Lom- bardi, die Motive (des Sinnens) aber geistvoller und origineller als die meisten Werke derselben. Geringer sind wiederum die obern Theile die Reliefs am Sarcophag selbst und die Reiterstatue darüber, nebst den Tugenden zu beiden Seiten, von verschiedenen Händen. — Ebenda adas Denkmal der Medea, Coleoni’s Tochter, mit drei köstlichen alle- gorischen Figuren. (Die beiden Engel, welche den Altartisch tragen, bei leichter Anmuth doch ernst aufgefasst, mögen von einem treffli- chen Lombarden zu Anfang des XVI. Jahrh. gefertigt sein.) — An der bAussenseite der Capelle sind ein paar Putten oben und die Sockel- reliefs mit den Geschichten der Genesis und den Thaten des Hercu- les des herben und tüchtigen Styles wegen bemerkenswerth, die Denk- mäler Cäsars und Trajans aber, welche als Aufsätze der Fenster dienen, sowie die in Medaillons angebrachten Köpfe des Augustus und Ha- drian geben wenigstens einen Begriff von der damaligen Vergötterung des Alterthums.
Im Dom von Como lernt man zunächst den Vollender des Baues selbst, Tommaso Rodari, auch als Bildhauer und Decorator ken- cnen; sein Antheil an der nördlichen Seitenpforte 1) und der von ihm dverfertigte erste Altar des rechten Seitenschiffes (datirt 1492, mit Marmorreliefs) verrathen jedoch ein nur mittelmässiges Talent. Die zahlreichen übrigen Sculpturen an und in diesem schönen Gebäude sind zum Theil bedeutender. — Von mehr oder weniger befangenen lom- bardischen Künstlern der Zeit um 1470—1500 rühren her: die meisten eBildwerke an der Fassade, also die Statuen in den Nischen der Pi- laster, über dem Hauptportal, in den Fenstergewandungen und weiter oben, sowie die Reliefs der drei Portallunetten; ferner im Innern: die Apostel an den Pfeilern des Hauptschiffes, mittelgute Arbeiten ganz
1) Wie dort über die römischen Kaiser, so darf man sich hier über Bacchan- ten, Centauren, Hercules, Genius Imperatoris u. a. Heidenthum nicht ver- wundern. Die Lunettengruppe enthält wenigstens Mariä Heimsuchung.
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[632/0654]
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Bergamo.
bis zur gemeinen Grimasse übertriebenen Art, welche wir bei Maz-
zoni werden kennen lernen. Auf der Basis sitzen und stehen fünf
Heldenstatuen, die zum Bedeutendsten der ganzen oberitalischen Sculp-
tur gehören; das Äusserliche der Behandlung ist in der Art der Lom-
bardi, die Motive (des Sinnens) aber geistvoller und origineller als die
meisten Werke derselben. Geringer sind wiederum die obern Theile
die Reliefs am Sarcophag selbst und die Reiterstatue darüber, nebst
den Tugenden zu beiden Seiten, von verschiedenen Händen. — Ebenda
das Denkmal der Medea, Coleoni’s Tochter, mit drei köstlichen alle-
gorischen Figuren. (Die beiden Engel, welche den Altartisch tragen,
bei leichter Anmuth doch ernst aufgefasst, mögen von einem treffli-
chen Lombarden zu Anfang des XVI. Jahrh. gefertigt sein.) — An der
Aussenseite der Capelle sind ein paar Putten oben und die Sockel-
reliefs mit den Geschichten der Genesis und den Thaten des Hercu-
les des herben und tüchtigen Styles wegen bemerkenswerth, die Denk-
mäler Cäsars und Trajans aber, welche als Aufsätze der Fenster dienen,
sowie die in Medaillons angebrachten Köpfe des Augustus und Ha-
drian geben wenigstens einen Begriff von der damaligen Vergötterung
des Alterthums.
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Im Dom von Como lernt man zunächst den Vollender des Baues
selbst, Tommaso Rodari, auch als Bildhauer und Decorator ken-
nen; sein Antheil an der nördlichen Seitenpforte 1) und der von ihm
verfertigte erste Altar des rechten Seitenschiffes (datirt 1492, mit
Marmorreliefs) verrathen jedoch ein nur mittelmässiges Talent. Die
zahlreichen übrigen Sculpturen an und in diesem schönen Gebäude
sind zum Theil bedeutender. — Von mehr oder weniger befangenen lom-
bardischen Künstlern der Zeit um 1470—1500 rühren her: die meisten
Bildwerke an der Fassade, also die Statuen in den Nischen der Pi-
laster, über dem Hauptportal, in den Fenstergewandungen und weiter
oben, sowie die Reliefs der drei Portallunetten; ferner im Innern: die
Apostel an den Pfeilern des Hauptschiffes, mittelgute Arbeiten ganz
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1) Wie dort über die römischen Kaiser, so darf man sich hier über Bacchan-
ten, Centauren, Hercules, Genius Imperatoris u. a. Heidenthum nicht ver-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/654>, abgerufen am 18.12.2024.
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