auf eine gekrönte Frau; wahrscheinlich eine etwas ungewöhnliche Darstellung der Krönung Mariä, womit auch die oben erscheinende Glorie w ohl stimmen würde. In den Köpfen, zumal der Hauptper- sonen, ist ei ne eigenthümliche classische Idealität erstrebt, die in der damaligen Sculptur sonst kaum vorkömmt. -- Von den untern Sculp- turen der Scuola di S. Marco kommen die zwei ziemlich befange-a nen Löwen weniger in Betracht als die zwei Thaten des heil. Marcus, bei welchen dem Künstler nicht bloss römische, sondern griechische Reliefs scheinen vorgelegen zu haben, wie besonders aus der Behand- lung der hinten stehenden Personen erhellt. Womit dann die perspec- tivisch gegebene Halle, die den Raum darstellt, wunderlich contrastirt. -- Ebenfalls noch früh: das Dogengrab Mocenigo (+ 1485) in S. Gio-b vanni e Paolo, links vom Portal; hier ist von den allegorischen Sei- tenfiguren die eine nach einem bekannten antiken Musenmotiv unmit- telbar copirt; in den Sockelrelief sucht Tullio eher seine Manier mit dem süssen Ausdruck Leopardo's zu verbinden.
Von den spätern Arbeiten der beiden Brüder enthält die Capelle des h. Antonius im Santo zu Padua das Wichtigste. Wir lernen hier (im neunten Relief, wo der Heilige ein kleines Kind zum Sprechenc bringt) den Antonio Lombardi als bedeutenden Componisten kennen; von der Schönheit der Antike erscheint er auf unbefangnere Weise durchdrungen und geleitet als Tullio. Letzterm gehören das sechsted und das siebente Relief (wie der Heilige die Leiche eines Geizhalses öffnet und statt des Herzens einen Stein findet; wie er das gebrochene Bein eines Jünglings heilt); das erstere, bez. 1525, muss ein Werk seines hohen Alters sein, und es ist das freiere, weichere von beiden; denn das siebente hat bei bedeutenden Schönheiten auch noch alle Unarten der frühern Werke Tullio's.
Ein Zeitgenosse, vielleicht ebenfalls eher Lombarde als Venezianer, Antonio Dentone, hält in den Bildnissfiguren an dem charakter- vollen Naturalismus fest, während seine Idealfiguren theils eine mehr allgemeine Formenbildung, theils ein Hinneigen zu dem übertriebenen Ausdruck eines Mazzoni verrathen. So das Relief einer Pieta mite Heiligen, in der Salute (Vorraum der Sacristei), wenn ihm dasselbe
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Antonio und Tullio Lombardo.
auf eine gekrönte Frau; wahrscheinlich eine etwas ungewöhnliche Darstellung der Krönung Mariä, womit auch die oben erscheinende Glorie w ohl stimmen würde. In den Köpfen, zumal der Hauptper- sonen, ist ei ne eigenthümliche classische Idealität erstrebt, die in der damaligen Sculptur sonst kaum vorkömmt. — Von den untern Sculp- turen der Scuola di S. Marco kommen die zwei ziemlich befange-a nen Löwen weniger in Betracht als die zwei Thaten des heil. Marcus, bei welchen dem Künstler nicht bloss römische, sondern griechische Reliefs scheinen vorgelegen zu haben, wie besonders aus der Behand- lung der hinten stehenden Personen erhellt. Womit dann die perspec- tivisch gegebene Halle, die den Raum darstellt, wunderlich contrastirt. — Ebenfalls noch früh: das Dogengrab Mocenigo († 1485) in S. Gio-b vanni e Paolo, links vom Portal; hier ist von den allegorischen Sei- tenfiguren die eine nach einem bekannten antiken Musenmotiv unmit- telbar copirt; in den Sockelrelief sucht Tullio eher seine Manier mit dem süssen Ausdruck Leopardo’s zu verbinden.
Von den spätern Arbeiten der beiden Brüder enthält die Capelle des h. Antonius im Santo zu Padua das Wichtigste. Wir lernen hier (im neunten Relief, wo der Heilige ein kleines Kind zum Sprechenc bringt) den Antonio Lombardi als bedeutenden Componisten kennen; von der Schönheit der Antike erscheint er auf unbefangnere Weise durchdrungen und geleitet als Tullio. Letzterm gehören das sechsted und das siebente Relief (wie der Heilige die Leiche eines Geizhalses öffnet und statt des Herzens einen Stein findet; wie er das gebrochene Bein eines Jünglings heilt); das erstere, bez. 1525, muss ein Werk seines hohen Alters sein, und es ist das freiere, weichere von beiden; denn das siebente hat bei bedeutenden Schönheiten auch noch alle Unarten der frühern Werke Tullio’s.
Ein Zeitgenosse, vielleicht ebenfalls eher Lombarde als Venezianer, Antonio Dentone, hält in den Bildnissfiguren an dem charakter- vollen Naturalismus fest, während seine Idealfiguren theils eine mehr allgemeine Formenbildung, theils ein Hinneigen zu dem übertriebenen Ausdruck eines Mazzoni verrathen. So das Relief einer Pietà mite Heiligen, in der Salute (Vorraum der Sacristei), wenn ihm dasselbe
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Antonio und Tullio Lombardo.
auf eine gekrönte Frau; wahrscheinlich eine etwas ungewöhnliche
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Glorie w ohl stimmen würde. In den Köpfen, zumal der Hauptper-
sonen, ist ei ne eigenthümliche classische Idealität erstrebt, die in der
damaligen Sculptur sonst kaum vorkömmt. — Von den untern Sculp-
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nen Löwen weniger in Betracht als die zwei Thaten des heil. Marcus,
bei welchen dem Künstler nicht bloss römische, sondern griechische
Reliefs scheinen vorgelegen zu haben, wie besonders aus der Behand-
lung der hinten stehenden Personen erhellt. Womit dann die perspec-
tivisch gegebene Halle, die den Raum darstellt, wunderlich contrastirt.
— Ebenfalls noch früh: das Dogengrab Mocenigo († 1485) in S. Gio-
vanni e Paolo, links vom Portal; hier ist von den allegorischen Sei-
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dem süssen Ausdruck Leopardo’s zu verbinden.
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des h. Antonius im Santo zu Padua das Wichtigste. Wir lernen
hier (im neunten Relief, wo der Heilige ein kleines Kind zum Sprechen
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von der Schönheit der Antike erscheint er auf unbefangnere Weise
durchdrungen und geleitet als Tullio. Letzterm gehören das sechste
und das siebente Relief (wie der Heilige die Leiche eines Geizhalses
öffnet und statt des Herzens einen Stein findet; wie er das gebrochene
Bein eines Jünglings heilt); das erstere, bez. 1525, muss ein Werk
seines hohen Alters sein, und es ist das freiere, weichere von beiden;
denn das siebente hat bei bedeutenden Schönheiten auch noch alle
Unarten der frühern Werke Tullio’s.
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Ein Zeitgenosse, vielleicht ebenfalls eher Lombarde als Venezianer,
Antonio Dentone, hält in den Bildnissfiguren an dem charakter-
vollen Naturalismus fest, während seine Idealfiguren theils eine mehr
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Ausdruck eines Mazzoni verrathen. So das Relief einer Pietà mit
Heiligen, in der Salute (Vorraum der Sacristei), wenn ihm dasselbe
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/649>, abgerufen am 18.12.2024.
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