Von den Mitgenossen Giovanni's, die wir uns hauptsächlich beim Dom von Orvieto um ihn versammelt denken dürfen, ist der als Bau- meister berühmte Florentiner Arnolfo del Cambio mit grösserer Befangenheit auf den germanischen Sculpturstyl eingegangen. Am Brunnen von Perugia beweisen es die Statuetten der mittlern Schale;a sie stehen als fühlten sie Nischen um und über sich. Auch die Fi- guren an den Tabernakeln von S. Paul und S. Cecilia in Rom habenb bei würdiger Gemessenheit doch etwas Unfreies, das von Giovanni's Art weit abweicht.
Agostino und Angelo von Siena, die Erbauer der hintern Fronte des dortigen Domes (S. 135) haben ausser ihrer Mitarbeit in Orvieto nur ein Hauptwerk hinterlassen, von nur zweifelhaftem Werthe. Die Sculptur ist schon seit der Trajanssäule immer in Verlegenheit gewesen, wenn sie eine Übermasse von Thatsachen an einem und dem- selben Denkmal verewigen sollte. So haben sich auch die Beiden we- nig zu helfen gewusst, als sie 1330 das Mausoleum des politisch und kriegerisch berühmten Bischofs Guido Tarlati im Dom von Arezzoc (Seitenschiff links) arbeiteten. Die übliche Form -- eine Nische mit Sarcophag und Giebel -- behielten sie vergrössert bei und erzählten dem Beschauer in vier Reihen von je vier Reliefs übereinander die Thaten des Helden. Da Vasari's Aussage sich streng genommen nur auf die Anordnung des Grabes im Ganzen bezieht, so möchte es wohl zweifelhaft bleiben, dass Giotto zu diesen ziemlich ungeschickten Com- positionen die einzelnen Zeichnungen geliefert habe. Viel besser sind die zwischen den Reliefs angebrachten Statuetten.
Auch die letzten Cosmaten wurden sowohl decorativ als pla- stisch vom Styl und vielleicht vom persönlichen Einfluss Giovanni's berührt und die oben erwähnten Prälatengräber in der Minerva und ind S. Maria maggiore zu Rom (S. 166, b und c) möchten leicht zum Lie-e benswürdigsten der ganzen Richtung gehören. Die stille Weihe, welche über diesen nur aus wenigen aber schön geordneten Elementen be- stehenden Denkmälern ruht, hat der ungleich vielseitigere Meister mit seinem Reichthum nie erreicht. -- (Die Statue Carls von Anjou, ehe-f mals im untern Saal des Senatorenpalastes auf dem Capitol, wo sie indess 1853 nicht mehr zu finden war, ist ein im Ganzen sehr un- genügendes, aber als Porträt wichtiges Werk, von unbekannter Hand.)
Arnolfo. Sienesen. Cosmaten.
Von den Mitgenossen Giovanni’s, die wir uns hauptsächlich beim Dom von Orvieto um ihn versammelt denken dürfen, ist der als Bau- meister berühmte Florentiner Arnolfo del Cambio mit grösserer Befangenheit auf den germanischen Sculpturstyl eingegangen. Am Brunnen von Perugia beweisen es die Statuetten der mittlern Schale;a sie stehen als fühlten sie Nischen um und über sich. Auch die Fi- guren an den Tabernakeln von S. Paul und S. Cecilia in Rom habenb bei würdiger Gemessenheit doch etwas Unfreies, das von Giovanni’s Art weit abweicht.
Agostino und Angelo von Siena, die Erbauer der hintern Fronte des dortigen Domes (S. 135) haben ausser ihrer Mitarbeit in Orvieto nur ein Hauptwerk hinterlassen, von nur zweifelhaftem Werthe. Die Sculptur ist schon seit der Trajanssäule immer in Verlegenheit gewesen, wenn sie eine Übermasse von Thatsachen an einem und dem- selben Denkmal verewigen sollte. So haben sich auch die Beiden we- nig zu helfen gewusst, als sie 1330 das Mausoleum des politisch und kriegerisch berühmten Bischofs Guido Tarlati im Dom von Arezzoc (Seitenschiff links) arbeiteten. Die übliche Form — eine Nische mit Sarcophag und Giebel — behielten sie vergrössert bei und erzählten dem Beschauer in vier Reihen von je vier Reliefs übereinander die Thaten des Helden. Da Vasari’s Aussage sich streng genommen nur auf die Anordnung des Grabes im Ganzen bezieht, so möchte es wohl zweifelhaft bleiben, dass Giotto zu diesen ziemlich ungeschickten Com- positionen die einzelnen Zeichnungen geliefert habe. Viel besser sind die zwischen den Reliefs angebrachten Statuetten.
Auch die letzten Cosmaten wurden sowohl decorativ als pla- stisch vom Styl und vielleicht vom persönlichen Einfluss Giovanni’s berührt und die oben erwähnten Prälatengräber in der Minerva und ind S. Maria maggiore zu Rom (S. 166, b und c) möchten leicht zum Lie-e benswürdigsten der ganzen Richtung gehören. Die stille Weihe, welche über diesen nur aus wenigen aber schön geordneten Elementen be- stehenden Denkmälern ruht, hat der ungleich vielseitigere Meister mit seinem Reichthum nie erreicht. — (Die Statue Carls von Anjou, ehe-f mals im untern Saal des Senatorenpalastes auf dem Capitol, wo sie indess 1853 nicht mehr zu finden war, ist ein im Ganzen sehr un- genügendes, aber als Porträt wichtiges Werk, von unbekannter Hand.)
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Arnolfo. Sienesen. Cosmaten.
Von den Mitgenossen Giovanni’s, die wir uns hauptsächlich beim
Dom von Orvieto um ihn versammelt denken dürfen, ist der als Bau-
meister berühmte Florentiner Arnolfo del Cambio mit grösserer
Befangenheit auf den germanischen Sculpturstyl eingegangen. Am
Brunnen von Perugia beweisen es die Statuetten der mittlern Schale;
sie stehen als fühlten sie Nischen um und über sich. Auch die Fi-
guren an den Tabernakeln von S. Paul und S. Cecilia in Rom haben
bei würdiger Gemessenheit doch etwas Unfreies, das von Giovanni’s
Art weit abweicht.
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Agostino und Angelo von Siena, die Erbauer der hintern
Fronte des dortigen Domes (S. 135) haben ausser ihrer Mitarbeit in
Orvieto nur ein Hauptwerk hinterlassen, von nur zweifelhaftem Werthe.
Die Sculptur ist schon seit der Trajanssäule immer in Verlegenheit
gewesen, wenn sie eine Übermasse von Thatsachen an einem und dem-
selben Denkmal verewigen sollte. So haben sich auch die Beiden we-
nig zu helfen gewusst, als sie 1330 das Mausoleum des politisch und
kriegerisch berühmten Bischofs Guido Tarlati im Dom von Arezzo
(Seitenschiff links) arbeiteten. Die übliche Form — eine Nische mit
Sarcophag und Giebel — behielten sie vergrössert bei und erzählten
dem Beschauer in vier Reihen von je vier Reliefs übereinander die
Thaten des Helden. Da Vasari’s Aussage sich streng genommen nur
auf die Anordnung des Grabes im Ganzen bezieht, so möchte es wohl
zweifelhaft bleiben, dass Giotto zu diesen ziemlich ungeschickten Com-
positionen die einzelnen Zeichnungen geliefert habe. Viel besser sind
die zwischen den Reliefs angebrachten Statuetten.
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Auch die letzten Cosmaten wurden sowohl decorativ als pla-
stisch vom Styl und vielleicht vom persönlichen Einfluss Giovanni’s
berührt und die oben erwähnten Prälatengräber in der Minerva und in
S. Maria maggiore zu Rom (S. 166, b und c) möchten leicht zum Lie-
benswürdigsten der ganzen Richtung gehören. Die stille Weihe, welche
über diesen nur aus wenigen aber schön geordneten Elementen be-
stehenden Denkmälern ruht, hat der ungleich vielseitigere Meister mit
seinem Reichthum nie erreicht. — (Die Statue Carls von Anjou, ehe-
mals im untern Saal des Senatorenpalastes auf dem Capitol, wo sie
indess 1853 nicht mehr zu finden war, ist ein im Ganzen sehr un-
genügendes, aber als Porträt wichtiges Werk, von unbekannter Hand.)
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/593>, abgerufen am 18.12.2024.
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