Hostienbüchse mit der Reliefdarstellung der Anbetung der Könige, avielleicht aus dem VI. Jahrhundert. -- Mehrere Reliquiarien ver- schiedener Zeiten im Tesoro von S. Marco.
Kreuze, Diademe u. dgl. sind im ersten Jahrtausend sehr bar- barisch und auf die blosse Kostbarkeit hin gebildet worden. (Bei- bspiele im Domschatz von Monza; die eiserne Krone, VII. Jahrhun- dert (?), macht kaum eine Ausnahme.)
Von den Kirchenschätzen Italiens sind die beiden genannten von Monza 1) und von S. Marco in Venedig wohl die sehenswerthesten. cIn den Domschätzen von Mailand und Neapel überwiegt auf eine trau- rige Weise der schlechteste Silberguss aus den beiden letzten Jahr- hunderten, welcher kaum einen andern Zweck verräth, als das vor- handene Metall zu möglichst massiven Blöcken und damit möglichst dwenig transportabel zu machen. Der Schatz von S. Peter gehört über- haupt nicht zu den reichsten und enthält wenig Altes (dafür aber einige gute Renaissanceleuchter, welche man dem Michelangelo und dem Benv. Cellini zuschreibt). -- Einzelne kirchliche Antiquaglien der verschiedensten Style und Gattungen findet man gesammelt in Flo- erenz (Uffizien, II. Zimmer der Bronzen, 14. Schrank und Eckschrank links, wo sich u. a. die berühmte Pax des Maso Finiguerra befindet); fin Neapel (Museum, Abtheilung der Terracotten, II. Saal), in Mailand g(Sammlungen der Ambrosiana), in Brescia (Museo patrio) und ander- wärts.
Der plastische Erzguss ist im frühern Mittelalter für Italien nicht von derselben Wichtigkeit, wie für Deutschland. Die einzige Anwendung des Erzes im Grossen, nämlich diejenige für Kirchen-
1)*Die eiserne Krone wird nicht in der Schatzkammer, sondern auf dem Altar **einer Capelle rechts vom Chor aufbewahrt. -- Im Schatz u. a. der Kamm und der Fächer der Königin Theodelinde; das ihr von Gregor d. Gr. ge- schenkte Kreuz; ein anderes Kreuz mit den an Kettchen daran hängenden Goldkugeln; ein goldenes Pultblatt (?) von ihr gestiftet, mit aufgenieteten Gemmen; ihre Krone, d. h. ein Goldreif mit runden emaillirten Knöpfchen und Edelsteinen etc.; endlich das Kreuz von Italien, bedeckt mit Edelsteinen und Email, gestiftet von Berengar I (IX. Jahrhundert). Das Meiste ziem- lich roh und primitiv, das Kreuz von Italien wie nach dem blossen Augen- mass verfertigt.
Sculptur des Mittelalters. Kirchengeräthe.
Hostienbüchse mit der Reliefdarstellung der Anbetung der Könige, avielleicht aus dem VI. Jahrhundert. — Mehrere Reliquiarien ver- schiedener Zeiten im Tesoro von S. Marco.
Kreuze, Diademe u. dgl. sind im ersten Jahrtausend sehr bar- barisch und auf die blosse Kostbarkeit hin gebildet worden. (Bei- bspiele im Domschatz von Monza; die eiserne Krone, VII. Jahrhun- dert (?), macht kaum eine Ausnahme.)
Von den Kirchenschätzen Italiens sind die beiden genannten von Monza 1) und von S. Marco in Venedig wohl die sehenswerthesten. cIn den Domschätzen von Mailand und Neapel überwiegt auf eine trau- rige Weise der schlechteste Silberguss aus den beiden letzten Jahr- hunderten, welcher kaum einen andern Zweck verräth, als das vor- handene Metall zu möglichst massiven Blöcken und damit möglichst dwenig transportabel zu machen. Der Schatz von S. Peter gehört über- haupt nicht zu den reichsten und enthält wenig Altes (dafür aber einige gute Renaissanceleuchter, welche man dem Michelangelo und dem Benv. Cellini zuschreibt). — Einzelne kirchliche Antiquaglien der verschiedensten Style und Gattungen findet man gesammelt in Flo- erenz (Uffizien, II. Zimmer der Bronzen, 14. Schrank und Eckschrank links, wo sich u. a. die berühmte Pax des Maso Finiguerra befindet); fin Neapel (Museum, Abtheilung der Terracotten, II. Saal), in Mailand g(Sammlungen der Ambrosiana), in Brescia (Museo patrio) und ander- wärts.
Der plastische Erzguss ist im frühern Mittelalter für Italien nicht von derselben Wichtigkeit, wie für Deutschland. Die einzige Anwendung des Erzes im Grossen, nämlich diejenige für Kirchen-
1)*Die eiserne Krone wird nicht in der Schatzkammer, sondern auf dem Altar **einer Capelle rechts vom Chor aufbewahrt. — Im Schatz u. a. der Kamm und der Fächer der Königin Theodelinde; das ihr von Gregor d. Gr. ge- schenkte Kreuz; ein anderes Kreuz mit den an Kettchen daran hängenden Goldkugeln; ein goldenes Pultblatt (?) von ihr gestiftet, mit aufgenieteten Gemmen; ihre Krone, d. h. ein Goldreif mit runden emaillirten Knöpfchen und Edelsteinen etc.; endlich das Kreuz von Italien, bedeckt mit Edelsteinen und Email, gestiftet von Berengar I (IX. Jahrhundert). Das Meiste ziem- lich roh und primitiv, das Kreuz von Italien wie nach dem blossen Augen- mass verfertigt.
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Sculptur des Mittelalters. Kirchengeräthe.
Hostienbüchse mit der Reliefdarstellung der Anbetung der Könige,
vielleicht aus dem VI. Jahrhundert. — Mehrere Reliquiarien ver-
schiedener Zeiten im Tesoro von S. Marco.
a
Kreuze, Diademe u. dgl. sind im ersten Jahrtausend sehr bar-
barisch und auf die blosse Kostbarkeit hin gebildet worden. (Bei-
spiele im Domschatz von Monza; die eiserne Krone, VII. Jahrhun-
dert (?), macht kaum eine Ausnahme.)
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Von den Kirchenschätzen Italiens sind die beiden genannten von
Monza 1) und von S. Marco in Venedig wohl die sehenswerthesten.
In den Domschätzen von Mailand und Neapel überwiegt auf eine trau-
rige Weise der schlechteste Silberguss aus den beiden letzten Jahr-
hunderten, welcher kaum einen andern Zweck verräth, als das vor-
handene Metall zu möglichst massiven Blöcken und damit möglichst
wenig transportabel zu machen. Der Schatz von S. Peter gehört über-
haupt nicht zu den reichsten und enthält wenig Altes (dafür aber
einige gute Renaissanceleuchter, welche man dem Michelangelo und
dem Benv. Cellini zuschreibt). — Einzelne kirchliche Antiquaglien
der verschiedensten Style und Gattungen findet man gesammelt in Flo-
renz (Uffizien, II. Zimmer der Bronzen, 14. Schrank und Eckschrank
links, wo sich u. a. die berühmte Pax des Maso Finiguerra befindet);
in Neapel (Museum, Abtheilung der Terracotten, II. Saal), in Mailand
(Sammlungen der Ambrosiana), in Brescia (Museo patrio) und ander-
wärts.
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Der plastische Erzguss ist im frühern Mittelalter für Italien
nicht von derselben Wichtigkeit, wie für Deutschland. Die einzige
Anwendung des Erzes im Grossen, nämlich diejenige für Kirchen-
1) Die eiserne Krone wird nicht in der Schatzkammer, sondern auf dem Altar
einer Capelle rechts vom Chor aufbewahrt. — Im Schatz u. a. der Kamm
und der Fächer der Königin Theodelinde; das ihr von Gregor d. Gr. ge-
schenkte Kreuz; ein anderes Kreuz mit den an Kettchen daran hängenden
Goldkugeln; ein goldenes Pultblatt (?) von ihr gestiftet, mit aufgenieteten
Gemmen; ihre Krone, d. h. ein Goldreif mit runden emaillirten Knöpfchen
und Edelsteinen etc.; endlich das Kreuz von Italien, bedeckt mit Edelsteinen
und Email, gestiftet von Berengar I (IX. Jahrhundert). Das Meiste ziem-
lich roh und primitiv, das Kreuz von Italien wie nach dem blossen Augen-
mass verfertigt.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/580>, abgerufen am 18.12.2024.
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