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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Diptychen. Bücherdeckel. Reliquiarien.
über dem hintern Altar von S. Peter in Rom eingeschlossen ist, dürfte
nach den Abbildungen zu urtheilen mit Elfenbeinarbeiten aus ver-
schiedenen Zeiten geschmückt sein. (Unter andern die Thaten des
Hercules und die himmlichen Zeichen.) Oft nahm man mit antiken
Steinsesseln vorlieb; auch von dem steinernen Wagen in der Salaa
della Biga (Vatican) hat das erhaltene antike Stück (mit den schönen
Ornamenten) als bischöflicher Thron in S. Marco zu Rom dienen
müssen.

Von kleinerm kirchlichen Prachtgeräth sind die sog. Diptychen
vorzüglich bemerkenswerth: zwei Elfenbeindeckel, der eine oder beide
mit Reliefs versehen, dem jeweiligen Verzeichniss der Katechumenen
oder dem der Geistlichen zum Einband dienend. Einige sind für die
Kirchen eigens gefertigt und demgemäss sculpirt, andere sind herge-
schenkte sog. Consulardiptychen, welche den Consul oder den Kaiser
darstellen, indem er das Signal zum Beginn der öffentlichen Spiele
giebt. (Mehrere im Domschatz von Monza: das schöne mit Cicerob
und einer Muse etwa aus dem IV. Jahrhundert; das eines Kaisers,
angeblich Hadrian, mit einer weiblichen Figur nicht viel später; das
zweier geputzter Consuln, die nachträglich zu Heiligen gemacht wor-
den, etwa aus dem VI. Jahrhundert. -- Ein Diptychon des letzten Con-c
suls Anicetus in den Uffizien zu Florenz, II. Zimmer der Bronzen,
11. Schrank.)

Den Diptychen schliessen sich die übrigen elfenbeinernen Bücher-
deckel
an, bei welchen man sich die Bücher als liegend, nicht als
in Reihen stehend denken muss. (Der untere Deckel wenig oder gar
nicht verziert.) Ein schöner und früher im Museo cristiano; andered
hauptsächlich in Bibliotheken. Häufiger kommen Bücherdeckel mit
getriebenen Figuren von vergoldeter Bronze und mit Emailzierra-
then vor.

Von Reliquienkasten wüsste ich kaum einen sculpirten zu
nennen, der mit den bessern nordischen Arbeiten dieser Art wetteifern
könnte. Das Email überwiegt vollständig zumal in den noch jetzt
sehr zahlreich vorkommenden kleinen Reliquienkästchen. -- Ein Elfen-
beinkästchen mit den Halbfiguren der Apostel in zierlichstem byzantini-e
schem Flachrelief des X. bis XII. Jahrhunderts findet man in dem
genannten Raume der Uffizien, 14. Schrank. -- Ebenda eine runde

Diptychen. Bücherdeckel. Reliquiarien.
über dem hintern Altar von S. Peter in Rom eingeschlossen ist, dürfte
nach den Abbildungen zu urtheilen mit Elfenbeinarbeiten aus ver-
schiedenen Zeiten geschmückt sein. (Unter andern die Thaten des
Hercules und die himmlichen Zeichen.) Oft nahm man mit antiken
Steinsesseln vorlieb; auch von dem steinernen Wagen in der Salaa
della Biga (Vatican) hat das erhaltene antike Stück (mit den schönen
Ornamenten) als bischöflicher Thron in S. Marco zu Rom dienen
müssen.

Von kleinerm kirchlichen Prachtgeräth sind die sog. Diptychen
vorzüglich bemerkenswerth: zwei Elfenbeindeckel, der eine oder beide
mit Reliefs versehen, dem jeweiligen Verzeichniss der Katechumenen
oder dem der Geistlichen zum Einband dienend. Einige sind für die
Kirchen eigens gefertigt und demgemäss sculpirt, andere sind herge-
schenkte sog. Consulardiptychen, welche den Consul oder den Kaiser
darstellen, indem er das Signal zum Beginn der öffentlichen Spiele
giebt. (Mehrere im Domschatz von Monza: das schöne mit Cicerob
und einer Muse etwa aus dem IV. Jahrhundert; das eines Kaisers,
angeblich Hadrian, mit einer weiblichen Figur nicht viel später; das
zweier geputzter Consuln, die nachträglich zu Heiligen gemacht wor-
den, etwa aus dem VI. Jahrhundert. — Ein Diptychon des letzten Con-c
suls Anicetus in den Uffizien zu Florenz, II. Zimmer der Bronzen,
11. Schrank.)

Den Diptychen schliessen sich die übrigen elfenbeinernen Bücher-
deckel
an, bei welchen man sich die Bücher als liegend, nicht als
in Reihen stehend denken muss. (Der untere Deckel wenig oder gar
nicht verziert.) Ein schöner und früher im Museo cristiano; andered
hauptsächlich in Bibliotheken. Häufiger kommen Bücherdeckel mit
getriebenen Figuren von vergoldeter Bronze und mit Emailzierra-
then vor.

Von Reliquienkasten wüsste ich kaum einen sculpirten zu
nennen, der mit den bessern nordischen Arbeiten dieser Art wetteifern
könnte. Das Email überwiegt vollständig zumal in den noch jetzt
sehr zahlreich vorkommenden kleinen Reliquienkästchen. — Ein Elfen-
beinkästchen mit den Halbfiguren der Apostel in zierlichstem byzantini-e
schem Flachrelief des X. bis XII. Jahrhunderts findet man in dem
genannten Raume der Uffizien, 14. Schrank. — Ebenda eine runde

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[557/0579] Diptychen. Bücherdeckel. Reliquiarien. über dem hintern Altar von S. Peter in Rom eingeschlossen ist, dürfte nach den Abbildungen zu urtheilen mit Elfenbeinarbeiten aus ver- schiedenen Zeiten geschmückt sein. (Unter andern die Thaten des Hercules und die himmlichen Zeichen.) Oft nahm man mit antiken Steinsesseln vorlieb; auch von dem steinernen Wagen in der Sala della Biga (Vatican) hat das erhaltene antike Stück (mit den schönen Ornamenten) als bischöflicher Thron in S. Marco zu Rom dienen müssen. a Von kleinerm kirchlichen Prachtgeräth sind die sog. Diptychen vorzüglich bemerkenswerth: zwei Elfenbeindeckel, der eine oder beide mit Reliefs versehen, dem jeweiligen Verzeichniss der Katechumenen oder dem der Geistlichen zum Einband dienend. Einige sind für die Kirchen eigens gefertigt und demgemäss sculpirt, andere sind herge- schenkte sog. Consulardiptychen, welche den Consul oder den Kaiser darstellen, indem er das Signal zum Beginn der öffentlichen Spiele giebt. (Mehrere im Domschatz von Monza: das schöne mit Cicero und einer Muse etwa aus dem IV. Jahrhundert; das eines Kaisers, angeblich Hadrian, mit einer weiblichen Figur nicht viel später; das zweier geputzter Consuln, die nachträglich zu Heiligen gemacht wor- den, etwa aus dem VI. Jahrhundert. — Ein Diptychon des letzten Con- suls Anicetus in den Uffizien zu Florenz, II. Zimmer der Bronzen, 11. Schrank.) b c Den Diptychen schliessen sich die übrigen elfenbeinernen Bücher- deckel an, bei welchen man sich die Bücher als liegend, nicht als in Reihen stehend denken muss. (Der untere Deckel wenig oder gar nicht verziert.) Ein schöner und früher im Museo cristiano; andere hauptsächlich in Bibliotheken. Häufiger kommen Bücherdeckel mit getriebenen Figuren von vergoldeter Bronze und mit Emailzierra- then vor. d Von Reliquienkasten wüsste ich kaum einen sculpirten zu nennen, der mit den bessern nordischen Arbeiten dieser Art wetteifern könnte. Das Email überwiegt vollständig zumal in den noch jetzt sehr zahlreich vorkommenden kleinen Reliquienkästchen. — Ein Elfen- beinkästchen mit den Halbfiguren der Apostel in zierlichstem byzantini- schem Flachrelief des X. bis XII. Jahrhunderts findet man in dem genannten Raume der Uffizien, 14. Schrank. — Ebenda eine runde e

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/579>, abgerufen am 16.06.2024.