Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Antike Sculptur. Reliefs.
alichen, sitzenden Figur 1); -- Zeus auf einem Thron mit Sphinxen; --
Orest in Delphi, römisch nach einem trefflichen Original; -- eine An-
zahl von Marmorscheiben (disci) mit flüchtigen, aber zum Theil schön
gedachten flachen Reliefs; -- Stück aus einem bacchischen Thiasos
mit den öfter vorkommenden Motiven der Bacchantin mit Tamburin
und eines Satyrs mit Flöten; der folgende Satyr meist ergänzt; --
sodann eines der herrlichsten bacchischen Reliefs, welche überhaupt
vorhanden sind: der bärtige Dionysos hält Einkehr bei einem
zechend auf dem Ruhebett gelagerten Liebespaar; ein Satyr stützt ihn,
ein anderer zieht ihm die Sandalen ab; draussen vor der Thür des
Hauses Silen und die übrigen Gefährten des Gottes; -- endlich ein
kleines sehr liebenswürdiges Werk: der Ritt durch die Nacht
(Jüngling und Bacchantin mit Fackeln zu Pferde, ein Führer voran).

b

Halle des Jupiter: Helena wird von Aphrodite unter dem Schutz
der Peitho (Göttin der Überredung) bewogen, dem Paris zu folgen,
welcher mit Eros sprechend gegenübersteht; sehr schöne, wenn auch
nicht frühe griechische Arbeit; -- Bacchus mit einem Theil seiner Be-
gleiter, griechisches Motiv von unbedeutender Ausführung.

c

Halle der Musen: Die berühmte Vase von Gaeta, mit dem Na-
men des Künstlers: Salpion von Athen; fast lauter auch sonst bekannte
Motive (Hermes, welcher der Leukothea das Bacchuskind übergiebt --
an ein Relief der Sala delle Muse im Vatican erinnernd; die lehnende
halbnackte Bacchantin -- aus einem Relief der Villa Albani; zwei
Satyrn und die tanzende Bacchantin -- aus dem eben erwähnten Re-
lief des dritten Ganges im Museum von Neapel; ausserdem Silen und
eine Bacchantin mit Thyrsus). Die Ausführung, obwohl trefflich, hat
doch etwas Conventionelles; die starken Verstümmelungen rühren aus
der Zeit her, da das Gefäss als Pflock für die Schiffseile diente. --
Herrliches bacchisches Hochrelief von kleinem Massstab; --
Flachrelief von sieben weiblichen Figuren.

1) "Siegeszeichen zu Ehren von Hellas, nach Besiegung der Karyaten" -- so
lautet die Inschrift. Die Frauen des besiegten Volkes, also die Karyatiden,
wurden, wie an neuern Denkmälern z. B. Sklaven und Überwundene, als
Stützfiguren für das Obergesimse der Basis behandelt. Wahrscheinlich war
das Original-Tropäon ein sehr bekanntes und berühmtes, so dass "Karyatide"
der Gattungsname für die Stützfiguren überhaupt werden konnte. Vgl. S. 467.

Antike Sculptur. Reliefs.
alichen, sitzenden Figur 1); — Zeus auf einem Thron mit Sphinxen; —
Orest in Delphi, römisch nach einem trefflichen Original; — eine An-
zahl von Marmorscheiben (disci) mit flüchtigen, aber zum Theil schön
gedachten flachen Reliefs; — Stück aus einem bacchischen Thiasos
mit den öfter vorkommenden Motiven der Bacchantin mit Tamburin
und eines Satyrs mit Flöten; der folgende Satyr meist ergänzt; —
sodann eines der herrlichsten bacchischen Reliefs, welche überhaupt
vorhanden sind: der bärtige Dionysos hält Einkehr bei einem
zechend auf dem Ruhebett gelagerten Liebespaar; ein Satyr stützt ihn,
ein anderer zieht ihm die Sandalen ab; draussen vor der Thür des
Hauses Silen und die übrigen Gefährten des Gottes; — endlich ein
kleines sehr liebenswürdiges Werk: der Ritt durch die Nacht
(Jüngling und Bacchantin mit Fackeln zu Pferde, ein Führer voran).

b

Halle des Jupiter: Helena wird von Aphrodite unter dem Schutz
der Peitho (Göttin der Überredung) bewogen, dem Paris zu folgen,
welcher mit Eros sprechend gegenübersteht; sehr schöne, wenn auch
nicht frühe griechische Arbeit; — Bacchus mit einem Theil seiner Be-
gleiter, griechisches Motiv von unbedeutender Ausführung.

c

Halle der Musen: Die berühmte Vase von Gaeta, mit dem Na-
men des Künstlers: Salpion von Athen; fast lauter auch sonst bekannte
Motive (Hermes, welcher der Leukothea das Bacchuskind übergiebt —
an ein Relief der Sala delle Muse im Vatican erinnernd; die lehnende
halbnackte Bacchantin — aus einem Relief der Villa Albani; zwei
Satyrn und die tanzende Bacchantin — aus dem eben erwähnten Re-
lief des dritten Ganges im Museum von Neapel; ausserdem Silen und
eine Bacchantin mit Thyrsus). Die Ausführung, obwohl trefflich, hat
doch etwas Conventionelles; die starken Verstümmelungen rühren aus
der Zeit her, da das Gefäss als Pflock für die Schiffseile diente. —
Herrliches bacchisches Hochrelief von kleinem Massstab; —
Flachrelief von sieben weiblichen Figuren.

1) „Siegeszeichen zu Ehren von Hellas, nach Besiegung der Karyaten“ — so
lautet die Inschrift. Die Frauen des besiegten Volkes, also die Karyatiden,
wurden, wie an neuern Denkmälern z. B. Sklaven und Überwundene, als
Stützfiguren für das Obergesimse der Basis behandelt. Wahrscheinlich war
das Original-Tropäon ein sehr bekanntes und berühmtes, so dass „Karyatide“
der Gattungsname für die Stützfiguren überhaupt werden konnte. Vgl. S. 467.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0564" n="542"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antike Sculptur. Reliefs.</hi></fw><lb/><note place="left">a</note>lichen, sitzenden Figur <note place="foot" n="1)">&#x201E;Siegeszeichen zu Ehren von Hellas, nach Besiegung der Karyaten&#x201C; &#x2014; so<lb/>
lautet die Inschrift. Die Frauen des besiegten Volkes, also die Karyatiden,<lb/>
wurden, wie an neuern Denkmälern z. B. Sklaven und Überwundene, als<lb/>
Stützfiguren für das Obergesimse der Basis behandelt. Wahrscheinlich war<lb/>
das Original-Tropäon ein sehr bekanntes und berühmtes, so dass &#x201E;Karyatide&#x201C;<lb/>
der Gattungsname für die Stützfiguren überhaupt werden konnte. Vgl. S. 467.</note>; &#x2014; Zeus auf einem Thron mit Sphinxen; &#x2014;<lb/>
Orest in Delphi, römisch nach einem trefflichen Original; &#x2014; eine An-<lb/>
zahl von Marmorscheiben (disci) mit flüchtigen, aber zum Theil schön<lb/>
gedachten flachen Reliefs; &#x2014; Stück aus einem bacchischen Thiasos<lb/>
mit den öfter vorkommenden Motiven der Bacchantin mit Tamburin<lb/>
und eines Satyrs mit Flöten; der folgende Satyr meist ergänzt; &#x2014;<lb/>
sodann eines der herrlichsten bacchischen Reliefs, welche überhaupt<lb/>
vorhanden sind: der bärtige <hi rendition="#g">Dionysos hält Einkehr</hi> bei einem<lb/>
zechend auf dem Ruhebett gelagerten Liebespaar; ein Satyr stützt ihn,<lb/>
ein anderer zieht ihm die Sandalen ab; draussen vor der Thür des<lb/>
Hauses Silen und die übrigen Gefährten des Gottes; &#x2014; endlich ein<lb/>
kleines sehr liebenswürdiges Werk: <hi rendition="#g">der Ritt durch die Nacht</hi><lb/>
(Jüngling und Bacchantin mit Fackeln zu Pferde, ein Führer voran).</p><lb/>
        <note place="left">b</note>
        <p>Halle des Jupiter: <hi rendition="#g">Helena</hi> wird von Aphrodite unter dem Schutz<lb/>
der Peitho (Göttin der Überredung) bewogen, dem Paris zu folgen,<lb/>
welcher mit Eros sprechend gegenübersteht; sehr schöne, wenn auch<lb/>
nicht frühe griechische Arbeit; &#x2014; Bacchus mit einem Theil seiner Be-<lb/>
gleiter, griechisches Motiv von unbedeutender Ausführung.</p><lb/>
        <note place="left">c</note>
        <p>Halle der Musen: Die berühmte <hi rendition="#g">Vase von Gaeta</hi>, mit dem Na-<lb/>
men des Künstlers: Salpion von Athen; fast lauter auch sonst bekannte<lb/>
Motive (Hermes, welcher der Leukothea das Bacchuskind übergiebt &#x2014;<lb/>
an ein Relief der Sala delle Muse im Vatican erinnernd; die lehnende<lb/>
halbnackte Bacchantin &#x2014; aus einem Relief der Villa Albani; zwei<lb/>
Satyrn und die tanzende Bacchantin &#x2014; aus dem eben erwähnten Re-<lb/>
lief des dritten Ganges im Museum von Neapel; ausserdem Silen und<lb/>
eine Bacchantin mit Thyrsus). Die Ausführung, obwohl trefflich, hat<lb/>
doch etwas Conventionelles; die starken Verstümmelungen rühren aus<lb/>
der Zeit her, da das Gefäss als Pflock für die Schiffseile diente. &#x2014;<lb/>
Herrliches <hi rendition="#g">bacchisches Hochrelief</hi> von kleinem Massstab; &#x2014;<lb/>
Flachrelief von sieben weiblichen Figuren.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0564] Antike Sculptur. Reliefs. lichen, sitzenden Figur 1); — Zeus auf einem Thron mit Sphinxen; — Orest in Delphi, römisch nach einem trefflichen Original; — eine An- zahl von Marmorscheiben (disci) mit flüchtigen, aber zum Theil schön gedachten flachen Reliefs; — Stück aus einem bacchischen Thiasos mit den öfter vorkommenden Motiven der Bacchantin mit Tamburin und eines Satyrs mit Flöten; der folgende Satyr meist ergänzt; — sodann eines der herrlichsten bacchischen Reliefs, welche überhaupt vorhanden sind: der bärtige Dionysos hält Einkehr bei einem zechend auf dem Ruhebett gelagerten Liebespaar; ein Satyr stützt ihn, ein anderer zieht ihm die Sandalen ab; draussen vor der Thür des Hauses Silen und die übrigen Gefährten des Gottes; — endlich ein kleines sehr liebenswürdiges Werk: der Ritt durch die Nacht (Jüngling und Bacchantin mit Fackeln zu Pferde, ein Führer voran). a Halle des Jupiter: Helena wird von Aphrodite unter dem Schutz der Peitho (Göttin der Überredung) bewogen, dem Paris zu folgen, welcher mit Eros sprechend gegenübersteht; sehr schöne, wenn auch nicht frühe griechische Arbeit; — Bacchus mit einem Theil seiner Be- gleiter, griechisches Motiv von unbedeutender Ausführung. Halle der Musen: Die berühmte Vase von Gaeta, mit dem Na- men des Künstlers: Salpion von Athen; fast lauter auch sonst bekannte Motive (Hermes, welcher der Leukothea das Bacchuskind übergiebt — an ein Relief der Sala delle Muse im Vatican erinnernd; die lehnende halbnackte Bacchantin — aus einem Relief der Villa Albani; zwei Satyrn und die tanzende Bacchantin — aus dem eben erwähnten Re- lief des dritten Ganges im Museum von Neapel; ausserdem Silen und eine Bacchantin mit Thyrsus). Die Ausführung, obwohl trefflich, hat doch etwas Conventionelles; die starken Verstümmelungen rühren aus der Zeit her, da das Gefäss als Pflock für die Schiffseile diente. — Herrliches bacchisches Hochrelief von kleinem Massstab; — Flachrelief von sieben weiblichen Figuren. 1) „Siegeszeichen zu Ehren von Hellas, nach Besiegung der Karyaten“ — so lautet die Inschrift. Die Frauen des besiegten Volkes, also die Karyatiden, wurden, wie an neuern Denkmälern z. B. Sklaven und Überwundene, als Stützfiguren für das Obergesimse der Basis behandelt. Wahrscheinlich war das Original-Tropäon ein sehr bekanntes und berühmtes, so dass „Karyatide“ der Gattungsname für die Stützfiguren überhaupt werden konnte. Vgl. S. 467.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/564
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/564>, abgerufen am 16.06.2024.