aVorrecht einer plastischen Darstellung. Sehr schön und naiv (in der Sala d. Anim.) die Gruppe zweier Windhunde, deren einer das Ohr des andern spielend in den Mund nimmt. Anderswo (auch in Neapel) einer der sich am Ohre kratzt.
b
Die bekannte capitolinische Wölfin (Eckzimmer des Conserva- torenpalastes), vom Jahr d. St. 458, pflegt als etruskisches Werk betrachtet zu werden. Die Haare heraldisch, der Leib noch ziemlich leblos, die Beine kräftig und scharf. (Aus dem Mittelalter, in wel- ches man sie aus nicht zu verachtenden Gründen hat verweisen wollen, kann sie doch nicht wohl sein; als die italienische Kunst des XIII. oder XIV. Jahrhunderts ähnliche Beine zu bilden vermochte, bildete sie das Haar nicht mehr heraldisch. Die wichtigsten Ver- gleichungen für diese noch schwebende Frage: der Löwe vor dem Dom von Braunschweig; die Löwen des Niccolo Pisano unter den Kanzeln des Battistero zu Pisa und des Domes von Siena etc.) -- cAnspringend und sehr lebendig: die Chimära von Arezzo in den Uf- fizien (Bronzen, zweites Zimmer), mit etruskischer Inschrift; das Haar in symmetrisch gesträubten Büschen.
d
Zum Allertrefflichsten gehört der florentinische Eber (Uf- fizien, innere Vorhalle); er richtet sich majestätisch auf; seine Borsten kleben buschweise zusammen vom Schweiss und von der Feuchtigkeit seines Lagers und bilden zumal an der Brust einen prächtigen Aus- edruck innerer Kraft. -- Das Mutterschwein von Alba (Sala d. Anim.) ist daneben ein sehr geringes Werk.
f
Von Rindern ist in riesiger Grösse der farnesische Stier (s. d.), doch nur mit starken Restaurationen erhalten. Ausserdem enthält das gMuseum von Neapel (grosse Bronzen) ein kleines bronzenes Rind, von mittelguter Arbeit. Die Erinnerung an Myrons berühmte Kuh sucht man, vielleicht vergebens, aus kleinen Bronzen verschiedener Galerien zusammen.
h
Die beiden niedlichen Rehe des Museums von Neapel (grosse iBronzen) stehen ziemlich vereinzelt. Der graumarmorne Hirsch im lateranensischen Museum ist ebenfalls eine gute Arbeit.
Die Vögel sind für die Freisculptur in Marmor nur ausnahms- weise ein geeigneter Gegenstand; indess ergab sich wenigstens für den Adler mehr als eine Gelegenheit, die nicht zu umgehen war. Von
Antike Sculptur. Wölfin. Eber. Rinder etc.
aVorrecht einer plastischen Darstellung. Sehr schön und naiv (in der Sala d. Anim.) die Gruppe zweier Windhunde, deren einer das Ohr des andern spielend in den Mund nimmt. Anderswo (auch in Neapel) einer der sich am Ohre kratzt.
b
Die bekannte capitolinische Wölfin (Eckzimmer des Conserva- torenpalastes), vom Jahr d. St. 458, pflegt als etruskisches Werk betrachtet zu werden. Die Haare heraldisch, der Leib noch ziemlich leblos, die Beine kräftig und scharf. (Aus dem Mittelalter, in wel- ches man sie aus nicht zu verachtenden Gründen hat verweisen wollen, kann sie doch nicht wohl sein; als die italienische Kunst des XIII. oder XIV. Jahrhunderts ähnliche Beine zu bilden vermochte, bildete sie das Haar nicht mehr heraldisch. Die wichtigsten Ver- gleichungen für diese noch schwebende Frage: der Löwe vor dem Dom von Braunschweig; die Löwen des Niccolò Pisano unter den Kanzeln des Battistero zu Pisa und des Domes von Siena etc.) — cAnspringend und sehr lebendig: die Chimära von Arezzo in den Uf- fizien (Bronzen, zweites Zimmer), mit etruskischer Inschrift; das Haar in symmetrisch gesträubten Büschen.
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Zum Allertrefflichsten gehört der florentinische Eber (Uf- fizien, innere Vorhalle); er richtet sich majestätisch auf; seine Borsten kleben buschweise zusammen vom Schweiss und von der Feuchtigkeit seines Lagers und bilden zumal an der Brust einen prächtigen Aus- edruck innerer Kraft. — Das Mutterschwein von Alba (Sala d. Anim.) ist daneben ein sehr geringes Werk.
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Von Rindern ist in riesiger Grösse der farnesische Stier (s. d.), doch nur mit starken Restaurationen erhalten. Ausserdem enthält das gMuseum von Neapel (grosse Bronzen) ein kleines bronzenes Rind, von mittelguter Arbeit. Die Erinnerung an Myrons berühmte Kuh sucht man, vielleicht vergebens, aus kleinen Bronzen verschiedener Galerien zusammen.
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Die beiden niedlichen Rehe des Museums von Neapel (grosse iBronzen) stehen ziemlich vereinzelt. Der graumarmorne Hirsch im lateranensischen Museum ist ebenfalls eine gute Arbeit.
Die Vögel sind für die Freisculptur in Marmor nur ausnahms- weise ein geeigneter Gegenstand; indess ergab sich wenigstens für den Adler mehr als eine Gelegenheit, die nicht zu umgehen war. Von
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Antike Sculptur. Wölfin. Eber. Rinder etc.
Vorrecht einer plastischen Darstellung. Sehr schön und naiv (in der
Sala d. Anim.) die Gruppe zweier Windhunde, deren einer das Ohr
des andern spielend in den Mund nimmt. Anderswo (auch in Neapel)
einer der sich am Ohre kratzt.
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Die bekannte capitolinische Wölfin (Eckzimmer des Conserva-
torenpalastes), vom Jahr d. St. 458, pflegt als etruskisches Werk
betrachtet zu werden. Die Haare heraldisch, der Leib noch ziemlich
leblos, die Beine kräftig und scharf. (Aus dem Mittelalter, in wel-
ches man sie aus nicht zu verachtenden Gründen hat verweisen
wollen, kann sie doch nicht wohl sein; als die italienische Kunst des
XIII. oder XIV. Jahrhunderts ähnliche Beine zu bilden vermochte,
bildete sie das Haar nicht mehr heraldisch. Die wichtigsten Ver-
gleichungen für diese noch schwebende Frage: der Löwe vor dem
Dom von Braunschweig; die Löwen des Niccolò Pisano unter den
Kanzeln des Battistero zu Pisa und des Domes von Siena etc.) —
Anspringend und sehr lebendig: die Chimära von Arezzo in den Uf-
fizien (Bronzen, zweites Zimmer), mit etruskischer Inschrift; das Haar
in symmetrisch gesträubten Büschen.
c
Zum Allertrefflichsten gehört der florentinische Eber (Uf-
fizien, innere Vorhalle); er richtet sich majestätisch auf; seine Borsten
kleben buschweise zusammen vom Schweiss und von der Feuchtigkeit
seines Lagers und bilden zumal an der Brust einen prächtigen Aus-
druck innerer Kraft. — Das Mutterschwein von Alba (Sala d. Anim.)
ist daneben ein sehr geringes Werk.
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Von Rindern ist in riesiger Grösse der farnesische Stier (s. d.),
doch nur mit starken Restaurationen erhalten. Ausserdem enthält das
Museum von Neapel (grosse Bronzen) ein kleines bronzenes Rind, von
mittelguter Arbeit. Die Erinnerung an Myrons berühmte Kuh sucht
man, vielleicht vergebens, aus kleinen Bronzen verschiedener Galerien
zusammen.
g
Die beiden niedlichen Rehe des Museums von Neapel (grosse
Bronzen) stehen ziemlich vereinzelt. Der graumarmorne Hirsch im
lateranensischen Museum ist ebenfalls eine gute Arbeit.
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Die Vögel sind für die Freisculptur in Marmor nur ausnahms-
weise ein geeigneter Gegenstand; indess ergab sich wenigstens für den
Adler mehr als eine Gelegenheit, die nicht zu umgehen war. Von
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/556>, abgerufen am 18.12.2024.
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