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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Adler etc. Fabelthiere.
den sämmtlichen Darstellungen des Ganymed zeigt allerdings vielleicht
keine einzige den Adler mit vollkommenem Lebensgefühl durchgebil-
det, wenn es auch an guten Motiven nicht fehlt (S. 468, u. f.). Als Symbol
an römischen Denkmalen wurde wieder aus andern Gründen der Adler
nur decorativ behandelt. Irgend einmal aber hatte sich die Kunst
ernstlich des Königs der Vögel angenommen und ihn auf immer so
stylisirt, wie er bis heute plastisch pflegt gebildet zu werden, nämlich
mit beträchtlicher Verstärkung der untern Theile (eine Art starkbefie-
derter Knie) und mit grossartig umgebildetem Kopf. Eines der besten
Exemplare bleibt immer der Reliefadler in der Vorhalle von SS. Apo-a
stoli zu Rom.

Für den Begriff der quantitativen Ausdehnung, welche diese
Thiersculptur erreicht hatte, sorgt, wie gesagt, die Sala degli Ani-b
mali. Hier findet sich der Elephant wenigstens in verkleinertem Re-
lief, der Minotaurus, von einem Kameel der riesige Kopf, auch das
Haupt eines Esels (ohne besondern Humor), mehrere Krokodile, Pan-
ther, Leoparden (mit eingelegten Flecken); dann Gruppen des Kampfes
und der Beute, wie die von Löwe und Pferd (s. oben), Hund und
Hirsch, Panther und Ziege, Bär und Rind etc.; kleine Amphibien und
Seethiere, oft von farbigem Marmor; von Vögeln namentlich Pfauen
u. a. m. Manches hat den Charakter blosser Spielerei.

Ausserdem wird man in den Sammlungen kleiner Bronzen
(z. B. Museum von Neapel, drittes Zimmer, Uffizien in Florenz, zwei-c
tes Zimmer der betreffenden Abtheilung, sechster Schrank) eine grossed
Anzahl und zwar gerade der schönsten und lebensvollsten Thier-
motive vorfinden; am letztgenannten Ort u. a. einen trefflichen Stier
mit menschlichem Angesicht, von griechisch scheinender Arbeit. Auch
hier giebt sich die antike Kleinsculptur nicht als Fabrikantin artiger
Nippsachen, sondern als eine des Grössten fähige Kunst zu erken-
nen (S. 496, 497).

Eine Anzahl von Thieren konnte ihrer Natur nach bloss in der
Malerei und höchstens im Relief zu ihrem Rechte kommen. Diess
sind ausser den Fischen die sämmtlichen fabelhaften Wasser-
wesen
, Seestiere, Seepanther, Seeböcke, Seegreife u. s. w., welche
den Zug der Tritone und Nereiden begleiten; die Tritone selbst sind,
wie oben (S. 484) bemerkt, aus einem menschlichen Oberleib mit dem

Adler etc. Fabelthiere.
den sämmtlichen Darstellungen des Ganymed zeigt allerdings vielleicht
keine einzige den Adler mit vollkommenem Lebensgefühl durchgebil-
det, wenn es auch an guten Motiven nicht fehlt (S. 468, u. f.). Als Symbol
an römischen Denkmalen wurde wieder aus andern Gründen der Adler
nur decorativ behandelt. Irgend einmal aber hatte sich die Kunst
ernstlich des Königs der Vögel angenommen und ihn auf immer so
stylisirt, wie er bis heute plastisch pflegt gebildet zu werden, nämlich
mit beträchtlicher Verstärkung der untern Theile (eine Art starkbefie-
derter Knie) und mit grossartig umgebildetem Kopf. Eines der besten
Exemplare bleibt immer der Reliefadler in der Vorhalle von SS. Apo-a
stoli zu Rom.

Für den Begriff der quantitativen Ausdehnung, welche diese
Thiersculptur erreicht hatte, sorgt, wie gesagt, die Sala degli Ani-b
mali. Hier findet sich der Elephant wenigstens in verkleinertem Re-
lief, der Minotaurus, von einem Kameel der riesige Kopf, auch das
Haupt eines Esels (ohne besondern Humor), mehrere Krokodile, Pan-
ther, Leoparden (mit eingelegten Flecken); dann Gruppen des Kampfes
und der Beute, wie die von Löwe und Pferd (s. oben), Hund und
Hirsch, Panther und Ziege, Bär und Rind etc.; kleine Amphibien und
Seethiere, oft von farbigem Marmor; von Vögeln namentlich Pfauen
u. a. m. Manches hat den Charakter blosser Spielerei.

Ausserdem wird man in den Sammlungen kleiner Bronzen
(z. B. Museum von Neapel, drittes Zimmer, Uffizien in Florenz, zwei-c
tes Zimmer der betreffenden Abtheilung, sechster Schrank) eine grossed
Anzahl und zwar gerade der schönsten und lebensvollsten Thier-
motive vorfinden; am letztgenannten Ort u. a. einen trefflichen Stier
mit menschlichem Angesicht, von griechisch scheinender Arbeit. Auch
hier giebt sich die antike Kleinsculptur nicht als Fabrikantin artiger
Nippsachen, sondern als eine des Grössten fähige Kunst zu erken-
nen (S. 496, 497).

Eine Anzahl von Thieren konnte ihrer Natur nach bloss in der
Malerei und höchstens im Relief zu ihrem Rechte kommen. Diess
sind ausser den Fischen die sämmtlichen fabelhaften Wasser-
wesen
, Seestiere, Seepanther, Seeböcke, Seegreife u. s. w., welche
den Zug der Tritone und Nereiden begleiten; die Tritone selbst sind,
wie oben (S. 484) bemerkt, aus einem menschlichen Oberleib mit dem

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[535/0557] Adler etc. Fabelthiere. den sämmtlichen Darstellungen des Ganymed zeigt allerdings vielleicht keine einzige den Adler mit vollkommenem Lebensgefühl durchgebil- det, wenn es auch an guten Motiven nicht fehlt (S. 468, u. f.). Als Symbol an römischen Denkmalen wurde wieder aus andern Gründen der Adler nur decorativ behandelt. Irgend einmal aber hatte sich die Kunst ernstlich des Königs der Vögel angenommen und ihn auf immer so stylisirt, wie er bis heute plastisch pflegt gebildet zu werden, nämlich mit beträchtlicher Verstärkung der untern Theile (eine Art starkbefie- derter Knie) und mit grossartig umgebildetem Kopf. Eines der besten Exemplare bleibt immer der Reliefadler in der Vorhalle von SS. Apo- stoli zu Rom. a Für den Begriff der quantitativen Ausdehnung, welche diese Thiersculptur erreicht hatte, sorgt, wie gesagt, die Sala degli Ani- mali. Hier findet sich der Elephant wenigstens in verkleinertem Re- lief, der Minotaurus, von einem Kameel der riesige Kopf, auch das Haupt eines Esels (ohne besondern Humor), mehrere Krokodile, Pan- ther, Leoparden (mit eingelegten Flecken); dann Gruppen des Kampfes und der Beute, wie die von Löwe und Pferd (s. oben), Hund und Hirsch, Panther und Ziege, Bär und Rind etc.; kleine Amphibien und Seethiere, oft von farbigem Marmor; von Vögeln namentlich Pfauen u. a. m. Manches hat den Charakter blosser Spielerei. b Ausserdem wird man in den Sammlungen kleiner Bronzen (z. B. Museum von Neapel, drittes Zimmer, Uffizien in Florenz, zwei- tes Zimmer der betreffenden Abtheilung, sechster Schrank) eine grosse Anzahl und zwar gerade der schönsten und lebensvollsten Thier- motive vorfinden; am letztgenannten Ort u. a. einen trefflichen Stier mit menschlichem Angesicht, von griechisch scheinender Arbeit. Auch hier giebt sich die antike Kleinsculptur nicht als Fabrikantin artiger Nippsachen, sondern als eine des Grössten fähige Kunst zu erken- nen (S. 496, 497). c d Eine Anzahl von Thieren konnte ihrer Natur nach bloss in der Malerei und höchstens im Relief zu ihrem Rechte kommen. Diess sind ausser den Fischen die sämmtlichen fabelhaften Wasser- wesen, Seestiere, Seepanther, Seeböcke, Seegreife u. s. w., welche den Zug der Tritone und Nereiden begleiten; die Tritone selbst sind, wie oben (S. 484) bemerkt, aus einem menschlichen Oberleib mit dem

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/557>, abgerufen am 16.06.2024.