Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Löwen. Hunde.
widerliches Thier, ohne Zweifel einem Streitross des Kaisers getreu
nachgebildet. -- In Florenz (Uffizien, innere Vorhalle) das bei dera
Niobidengruppe gefundene Pferd, mittelmässige Decorationsarbeit. --
Das 1849 im Trastevere gefundene eherne Pferd, welches vorläufigb
im Museo capitolino aufbewahrt wird, habe ich nicht gesehen.

Unter den Löwen hat der grösste von den vor dem Arsenalc
zu Venedig
aufgestellten den Altersvorzug (er stammt bekanntlich
aus dem Piräus). Der liegende Löwe, auf der andern Seite der Thür,
soll auf dem Wege vom Piräus nach Athen seine Stelle gehabt haben.
Er scheint wenig jünger und doch durchgebildeter als der sitzende,
hat aber einen modernen Kopf und starke Verletzungen. (Die beiden
kleinern gering.) -- Als der schönste gilt der schreitende Löwe in Re-d
lief, an der grossen Treppe des Palazzo Barberini zu Rom. -- Ein
schreitender Löwe in vollständiger Figur, von guter römischer Arbeit,e
aber durch plumpe moderne Beine entstellt, befindet sich an der
Treppe des Museums von Neapel. -- Der eine vor der Loggia de'f
Lanzi in Florenz ist wohl besser. (Der andere modern, von Flami-
nio Vacca.) -- Von einer sehr bedeutenden Gruppe, welche den Sieg
des Löwen über das Pferd darstellte, ist diejenige im Hof des Con-g
servatorenpalastes auf dem Capitol ein treffliches, nur zu sehr be-
schädigtes Exemplar, diejenige im Vatican (Sala degli Animali) einh
schwacher Nachklang; auch die übrigen Löwen dieses Saales sind
nicht von Bedeutung. -- An gewaltigem Ernst und an grandioser
Behandlung möchten die beiden grossen Granitlöwen des ägypti-i
schen Museums im Vatican wenigstens alle ruhenden Bildungen
dieser Gattung hinter sich lassen. Wo das momentane Leben des
Thieres Preis gegeben und seine Bedeutung als Symbol einer gött-
lichen Naturkraft hervorgehoben wird, wie im alten Ägypten, da
allein sind solche Charaktere möglich.

Von den Hunden wurde die grosse derbe Gattung der Mo-
lossen
mit Vorliebe dargestellt. Nachahmungen eines Werkes dieser
Art sind die beiden am Eingang der Sala degli Animali des Vaticans,k
und die beiden in der innern Vorhalle der Uffizien, von ungleicherl
Güte der Ausführung, aber sämmtlich von grandiosem Ausdruck. (Sie
sind nicht als Pendants gearbeitet, wie schon die fast identische Wen-
dung beweist.) Sonst genossen die Windhunde am häufigsten das

Löwen. Hunde.
widerliches Thier, ohne Zweifel einem Streitross des Kaisers getreu
nachgebildet. — In Florenz (Uffizien, innere Vorhalle) das bei dera
Niobidengruppe gefundene Pferd, mittelmässige Decorationsarbeit. —
Das 1849 im Trastevere gefundene eherne Pferd, welches vorläufigb
im Museo capitolino aufbewahrt wird, habe ich nicht gesehen.

Unter den Löwen hat der grösste von den vor dem Arsenalc
zu Venedig
aufgestellten den Altersvorzug (er stammt bekanntlich
aus dem Piräus). Der liegende Löwe, auf der andern Seite der Thür,
soll auf dem Wege vom Piräus nach Athen seine Stelle gehabt haben.
Er scheint wenig jünger und doch durchgebildeter als der sitzende,
hat aber einen modernen Kopf und starke Verletzungen. (Die beiden
kleinern gering.) — Als der schönste gilt der schreitende Löwe in Re-d
lief, an der grossen Treppe des Palazzo Barberini zu Rom. — Ein
schreitender Löwe in vollständiger Figur, von guter römischer Arbeit,e
aber durch plumpe moderne Beine entstellt, befindet sich an der
Treppe des Museums von Neapel. — Der eine vor der Loggia de’f
Lanzi in Florenz ist wohl besser. (Der andere modern, von Flami-
nio Vacca.) — Von einer sehr bedeutenden Gruppe, welche den Sieg
des Löwen über das Pferd darstellte, ist diejenige im Hof des Con-g
servatorenpalastes auf dem Capitol ein treffliches, nur zu sehr be-
schädigtes Exemplar, diejenige im Vatican (Sala degli Animali) einh
schwacher Nachklang; auch die übrigen Löwen dieses Saales sind
nicht von Bedeutung. — An gewaltigem Ernst und an grandioser
Behandlung möchten die beiden grossen Granitlöwen des ägypti-i
schen Museums im Vatican wenigstens alle ruhenden Bildungen
dieser Gattung hinter sich lassen. Wo das momentane Leben des
Thieres Preis gegeben und seine Bedeutung als Symbol einer gött-
lichen Naturkraft hervorgehoben wird, wie im alten Ägypten, da
allein sind solche Charaktere möglich.

Von den Hunden wurde die grosse derbe Gattung der Mo-
lossen
mit Vorliebe dargestellt. Nachahmungen eines Werkes dieser
Art sind die beiden am Eingang der Sala degli Animali des Vaticans,k
und die beiden in der innern Vorhalle der Uffizien, von ungleicherl
Güte der Ausführung, aber sämmtlich von grandiosem Ausdruck. (Sie
sind nicht als Pendants gearbeitet, wie schon die fast identische Wen-
dung beweist.) Sonst genossen die Windhunde am häufigsten das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0555" n="533"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Löwen. Hunde.</hi></fw><lb/>
widerliches Thier, ohne Zweifel einem Streitross des Kaisers getreu<lb/>
nachgebildet. &#x2014; In Florenz (Uffizien, innere Vorhalle) das bei der<note place="right">a</note><lb/>
Niobidengruppe gefundene Pferd, mittelmässige Decorationsarbeit. &#x2014;<lb/>
Das 1849 im Trastevere gefundene eherne Pferd, welches vorläufig<note place="right">b</note><lb/>
im Museo capitolino aufbewahrt wird, habe ich nicht gesehen.</p><lb/>
        <p>Unter den <hi rendition="#g">Löwen</hi> hat der grösste von den vor dem <hi rendition="#g">Arsenal<note place="right">c</note><lb/>
zu Venedig</hi> aufgestellten den Altersvorzug (er stammt bekanntlich<lb/>
aus dem Piräus). Der liegende Löwe, auf der andern Seite der Thür,<lb/>
soll auf dem Wege vom Piräus nach Athen seine Stelle gehabt haben.<lb/>
Er scheint wenig jünger und doch durchgebildeter als der sitzende,<lb/>
hat aber einen modernen Kopf und starke Verletzungen. (Die beiden<lb/>
kleinern gering.) &#x2014; Als der schönste gilt der schreitende Löwe in Re-<note place="right">d</note><lb/>
lief, an der grossen Treppe des Palazzo Barberini zu Rom. &#x2014; Ein<lb/>
schreitender Löwe in vollständiger Figur, von guter römischer Arbeit,<note place="right">e</note><lb/>
aber durch plumpe moderne Beine entstellt, befindet sich an der<lb/>
Treppe des Museums von Neapel. &#x2014; Der eine vor der Loggia de&#x2019;<note place="right">f</note><lb/>
Lanzi in Florenz ist wohl besser. (Der andere modern, von Flami-<lb/>
nio Vacca.) &#x2014; Von einer sehr bedeutenden Gruppe, welche den Sieg<lb/>
des Löwen über das Pferd darstellte, ist diejenige im Hof des Con-<note place="right">g</note><lb/>
servatorenpalastes auf dem Capitol ein treffliches, nur zu sehr be-<lb/>
schädigtes Exemplar, diejenige im Vatican (Sala degli Animali) ein<note place="right">h</note><lb/>
schwacher Nachklang; auch die übrigen Löwen dieses Saales sind<lb/>
nicht von Bedeutung. &#x2014; An gewaltigem Ernst und an grandioser<lb/>
Behandlung möchten die beiden grossen Granitlöwen des <hi rendition="#g">ägypti-</hi><note place="right">i</note><lb/><hi rendition="#g">schen Museums</hi> im Vatican wenigstens alle ruhenden Bildungen<lb/>
dieser Gattung hinter sich lassen. Wo das momentane Leben des<lb/>
Thieres Preis gegeben und seine Bedeutung als Symbol einer gött-<lb/>
lichen Naturkraft hervorgehoben wird, wie im alten Ägypten, da<lb/>
allein sind solche Charaktere möglich.</p><lb/>
        <p>Von den <hi rendition="#g">Hunden</hi> wurde die grosse derbe Gattung der <hi rendition="#g">Mo-<lb/>
lossen</hi> mit Vorliebe dargestellt. Nachahmungen eines Werkes dieser<lb/>
Art sind die beiden am Eingang der Sala degli Animali des Vaticans,<note place="right">k</note><lb/>
und die beiden in der innern Vorhalle der Uffizien, von ungleicher<note place="right">l</note><lb/>
Güte der Ausführung, aber sämmtlich von grandiosem Ausdruck. (Sie<lb/>
sind nicht als Pendants gearbeitet, wie schon die fast identische Wen-<lb/>
dung beweist.) Sonst genossen die <hi rendition="#g">Windhunde</hi> am häufigsten das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[533/0555] Löwen. Hunde. widerliches Thier, ohne Zweifel einem Streitross des Kaisers getreu nachgebildet. — In Florenz (Uffizien, innere Vorhalle) das bei der Niobidengruppe gefundene Pferd, mittelmässige Decorationsarbeit. — Das 1849 im Trastevere gefundene eherne Pferd, welches vorläufig im Museo capitolino aufbewahrt wird, habe ich nicht gesehen. a b Unter den Löwen hat der grösste von den vor dem Arsenal zu Venedig aufgestellten den Altersvorzug (er stammt bekanntlich aus dem Piräus). Der liegende Löwe, auf der andern Seite der Thür, soll auf dem Wege vom Piräus nach Athen seine Stelle gehabt haben. Er scheint wenig jünger und doch durchgebildeter als der sitzende, hat aber einen modernen Kopf und starke Verletzungen. (Die beiden kleinern gering.) — Als der schönste gilt der schreitende Löwe in Re- lief, an der grossen Treppe des Palazzo Barberini zu Rom. — Ein schreitender Löwe in vollständiger Figur, von guter römischer Arbeit, aber durch plumpe moderne Beine entstellt, befindet sich an der Treppe des Museums von Neapel. — Der eine vor der Loggia de’ Lanzi in Florenz ist wohl besser. (Der andere modern, von Flami- nio Vacca.) — Von einer sehr bedeutenden Gruppe, welche den Sieg des Löwen über das Pferd darstellte, ist diejenige im Hof des Con- servatorenpalastes auf dem Capitol ein treffliches, nur zu sehr be- schädigtes Exemplar, diejenige im Vatican (Sala degli Animali) ein schwacher Nachklang; auch die übrigen Löwen dieses Saales sind nicht von Bedeutung. — An gewaltigem Ernst und an grandioser Behandlung möchten die beiden grossen Granitlöwen des ägypti- schen Museums im Vatican wenigstens alle ruhenden Bildungen dieser Gattung hinter sich lassen. Wo das momentane Leben des Thieres Preis gegeben und seine Bedeutung als Symbol einer gött- lichen Naturkraft hervorgehoben wird, wie im alten Ägypten, da allein sind solche Charaktere möglich. d e f g h i Von den Hunden wurde die grosse derbe Gattung der Mo- lossen mit Vorliebe dargestellt. Nachahmungen eines Werkes dieser Art sind die beiden am Eingang der Sala degli Animali des Vaticans, und die beiden in der innern Vorhalle der Uffizien, von ungleicher Güte der Ausführung, aber sämmtlich von grandiosem Ausdruck. (Sie sind nicht als Pendants gearbeitet, wie schon die fast identische Wen- dung beweist.) Sonst genossen die Windhunde am häufigsten das k l

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/555
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/555>, abgerufen am 18.12.2024.