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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Masken.
zusammenhing, am ehesten wohl an einem Theater möchte denn auch
die erste aus Stein gemeisselte Maske, zur Verewigung des festlichen
Eindruckes angebracht worden sein -- wo und wie? können wir
schwer errathen; vielleicht als Akroterion (Eckzierde), bald vielleicht
auch in vielfacher Wiederholung innerhalb eines Frieses, als Metope
einer dorischen Halle. -- Doch die Personen der Tragödie, Götter
und Menschen der heroischen Zeit, hatten schon eine so bedeutende,
rein ideale Stellung als Hauptgegenstände der Kunst, dass ihnen un-
ter dieser neuen Form nicht viel abzugewinnen war, und daher darf
man sich wohl das Vorherrschen der komischen Masken erklären.
Diese eigneten sich vollständig zur Dienstbarkeit unter der Architektur
und mussten sich denn auch im Verlauf der Zeit jeglichen Dienst ge-
fallen lassen.

Zu Wasserspeiern an Gebäuden und zu Brunnenmündungen
schickte sich zwar auch die barockste Bildung ihres Mundes nur
wenig; das erstere Amt blieb in der guten Zeit wenigstens den Lö-
wenköpfen vorbehalten; für das letztere schuf die Kunst eine beson-
dere Welt von Brunnenfiguren. Dagegen waren sie mit ihrer dä-
monischen Drolligkeit wie geschaffen zu Gluth- und Dampfspeiern in
warmen Bädern; in grossem Flachrelief ausgedehnt konnten sie auch
mit Augen, Nasenlöchern und Mund das ablaufende Wasser in Bädern
wie in Höfen unter freiem Himmel aufnehmen (als Impluvien). Viel-
leicht die meisten aber waren blosse freie Decoration an Gebäuden
verschiedener Art.

Man wird ihren Styl im Ganzen hochschätzen müssen. Sie sind
die einzigen Caricaturen, die der hohen Kunst angehören, die Gränz-
marken des Hässlichen im Gebiet des Schönen. Desshalb ist hier
selbst bei der stärksten Grimasse doch nichts Krankhaftes, Verküm-
mertes, Peinliches oder Verworfen-Bösartiges zu bemerken. Was dem
Ausdruck zu Grunde zu liegen scheint, ist die vielfach variirte An-
strengung des Schreiens, auf eine Reihe komischer Typen übertragen.
Meist auf die Ferne berechnet, ist ihre Arbeit flüchtig, derb, energisch;
in den neuern Sammlungen demgemäss hoch und fern, an Gesimsen
und Giebeln aufgestellt, entgehen sie dem Auge nur zu leicht.

Vielleicht die grösste Anzahl findet sich beisammen in der Villaa
Albani (untere Halle des Palastes, Vorhalle des Kaffehauses etc.);

B. Cicerone. 34

Masken.
zusammenhing, am ehesten wohl an einem Theater möchte denn auch
die erste aus Stein gemeisselte Maske, zur Verewigung des festlichen
Eindruckes angebracht worden sein — wo und wie? können wir
schwer errathen; vielleicht als Akroterion (Eckzierde), bald vielleicht
auch in vielfacher Wiederholung innerhalb eines Frieses, als Metope
einer dorischen Halle. — Doch die Personen der Tragödie, Götter
und Menschen der heroischen Zeit, hatten schon eine so bedeutende,
rein ideale Stellung als Hauptgegenstände der Kunst, dass ihnen un-
ter dieser neuen Form nicht viel abzugewinnen war, und daher darf
man sich wohl das Vorherrschen der komischen Masken erklären.
Diese eigneten sich vollständig zur Dienstbarkeit unter der Architektur
und mussten sich denn auch im Verlauf der Zeit jeglichen Dienst ge-
fallen lassen.

Zu Wasserspeiern an Gebäuden und zu Brunnenmündungen
schickte sich zwar auch die barockste Bildung ihres Mundes nur
wenig; das erstere Amt blieb in der guten Zeit wenigstens den Lö-
wenköpfen vorbehalten; für das letztere schuf die Kunst eine beson-
dere Welt von Brunnenfiguren. Dagegen waren sie mit ihrer dä-
monischen Drolligkeit wie geschaffen zu Gluth- und Dampfspeiern in
warmen Bädern; in grossem Flachrelief ausgedehnt konnten sie auch
mit Augen, Nasenlöchern und Mund das ablaufende Wasser in Bädern
wie in Höfen unter freiem Himmel aufnehmen (als Impluvien). Viel-
leicht die meisten aber waren blosse freie Decoration an Gebäuden
verschiedener Art.

Man wird ihren Styl im Ganzen hochschätzen müssen. Sie sind
die einzigen Caricaturen, die der hohen Kunst angehören, die Gränz-
marken des Hässlichen im Gebiet des Schönen. Desshalb ist hier
selbst bei der stärksten Grimasse doch nichts Krankhaftes, Verküm-
mertes, Peinliches oder Verworfen-Bösartiges zu bemerken. Was dem
Ausdruck zu Grunde zu liegen scheint, ist die vielfach variirte An-
strengung des Schreiens, auf eine Reihe komischer Typen übertragen.
Meist auf die Ferne berechnet, ist ihre Arbeit flüchtig, derb, energisch;
in den neuern Sammlungen demgemäss hoch und fern, an Gesimsen
und Giebeln aufgestellt, entgehen sie dem Auge nur zu leicht.

Vielleicht die grösste Anzahl findet sich beisammen in der Villaa
Albani (untere Halle des Palastes, Vorhalle des Kaffehauses etc.);

B. Cicerone. 34
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[529/0551] Masken. zusammenhing, am ehesten wohl an einem Theater möchte denn auch die erste aus Stein gemeisselte Maske, zur Verewigung des festlichen Eindruckes angebracht worden sein — wo und wie? können wir schwer errathen; vielleicht als Akroterion (Eckzierde), bald vielleicht auch in vielfacher Wiederholung innerhalb eines Frieses, als Metope einer dorischen Halle. — Doch die Personen der Tragödie, Götter und Menschen der heroischen Zeit, hatten schon eine so bedeutende, rein ideale Stellung als Hauptgegenstände der Kunst, dass ihnen un- ter dieser neuen Form nicht viel abzugewinnen war, und daher darf man sich wohl das Vorherrschen der komischen Masken erklären. Diese eigneten sich vollständig zur Dienstbarkeit unter der Architektur und mussten sich denn auch im Verlauf der Zeit jeglichen Dienst ge- fallen lassen. Zu Wasserspeiern an Gebäuden und zu Brunnenmündungen schickte sich zwar auch die barockste Bildung ihres Mundes nur wenig; das erstere Amt blieb in der guten Zeit wenigstens den Lö- wenköpfen vorbehalten; für das letztere schuf die Kunst eine beson- dere Welt von Brunnenfiguren. Dagegen waren sie mit ihrer dä- monischen Drolligkeit wie geschaffen zu Gluth- und Dampfspeiern in warmen Bädern; in grossem Flachrelief ausgedehnt konnten sie auch mit Augen, Nasenlöchern und Mund das ablaufende Wasser in Bädern wie in Höfen unter freiem Himmel aufnehmen (als Impluvien). Viel- leicht die meisten aber waren blosse freie Decoration an Gebäuden verschiedener Art. Man wird ihren Styl im Ganzen hochschätzen müssen. Sie sind die einzigen Caricaturen, die der hohen Kunst angehören, die Gränz- marken des Hässlichen im Gebiet des Schönen. Desshalb ist hier selbst bei der stärksten Grimasse doch nichts Krankhaftes, Verküm- mertes, Peinliches oder Verworfen-Bösartiges zu bemerken. Was dem Ausdruck zu Grunde zu liegen scheint, ist die vielfach variirte An- strengung des Schreiens, auf eine Reihe komischer Typen übertragen. Meist auf die Ferne berechnet, ist ihre Arbeit flüchtig, derb, energisch; in den neuern Sammlungen demgemäss hoch und fern, an Gesimsen und Giebeln aufgestellt, entgehen sie dem Auge nur zu leicht. Vielleicht die grösste Anzahl findet sich beisammen in der Villa Albani (untere Halle des Palastes, Vorhalle des Kaffehauses etc.); a B. Cicerone. 34

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/551>, abgerufen am 16.06.2024.