Apoll, zwei Athleten, eine sog. Sappho) ein guter römischer Porträt- kopf, verschrumpft und sauer blickend, in einem Nebengang rechts.
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Im Camposanto zu Pisa: (bei XL) Marcus Agrippa, weni- ger erhalten aber ebenso echt als der florentinische Kopf. (Ebenda mehrere gute Götterköpfe. Der angebliche Brutus, bei IV, ist offen- bar modern.)
Vergebens sucht man Auskunft über den Ursprung und ersten Gebrauch der so häufigen und zum Theil so trefflichen marmornen Masken. Wenn die Archäologie nichts dagegen hat, so wollen wir einige harmlose Vermuthungen aufstellen, die neben jedem erwiesenen Thatbestand in ihr Nichts zurückzutreten bereit sind.
In den heitern Tagen des alten Athens muss mit der beginnenden Blüthe der Tragödie und der Komödie auch die Kunst, tragische und komische Masken für die Bühne zu machen, eine beträchtliche Höhe erreicht haben. Der Grieche ertrug bekanntlich auf dem Theater lieber ein künstliches Gesicht und eine künstliche Leibeslänge (mit- telst der Kothurne) als die persönliche Physiognomie irgend eines Schauspielers; diese hätte ihm selbst bei der grössten Schönheit nie die typisch-idealen Züge geboten, welche einmal von den tragischen und komischen Charakteren unzertrennlich schienen. Welches Schau- spielers Antlitz hätte für den gefesselten Prometheus und für seine Peiniger Kratos und Bia ausgereicht? -- Die Masken aber, wo man sie auch aufbewahrte, müssen, selbst nur einfach an der Wand auf- gehängt, ein bedeutendes, monumentales Aussehen gehabt haben, das man bleibend festzuhalten versucht sein musste; Keinem jedoch kann dieser Gedanke früher und eher gekommen sein, als dem Masken- macher selbst, der ja ein bedeutender und gewiss in hohen Ehren gehaltener Künstler war, -- vielleicht zugleich Bildhauer in einer Zeit, die noch so wenig die Kunstgattungen trennte. Ausser dem Theater wurden eine Menge Masken gebraucht bei Aufzügen, Processionen und Festlichkeiten aller Art; wie konnte man dergleichen besser ansagen als durch das Aushängen von Masken an Schnüren oder Laubgewin- den? -- An irgend einem Gebäude, das mit solchen Bestimmungen
Antike Sculptur. Masken.
Apoll, zwei Athleten, eine sog. Sappho) ein guter römischer Porträt- kopf, verschrumpft und sauer blickend, in einem Nebengang rechts.
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Im Camposanto zu Pisa: (bei XL) Marcus Agrippa, weni- ger erhalten aber ebenso echt als der florentinische Kopf. (Ebenda mehrere gute Götterköpfe. Der angebliche Brutus, bei IV, ist offen- bar modern.)
Vergebens sucht man Auskunft über den Ursprung und ersten Gebrauch der so häufigen und zum Theil so trefflichen marmornen Masken. Wenn die Archäologie nichts dagegen hat, so wollen wir einige harmlose Vermuthungen aufstellen, die neben jedem erwiesenen Thatbestand in ihr Nichts zurückzutreten bereit sind.
In den heitern Tagen des alten Athens muss mit der beginnenden Blüthe der Tragödie und der Komödie auch die Kunst, tragische und komische Masken für die Bühne zu machen, eine beträchtliche Höhe erreicht haben. Der Grieche ertrug bekanntlich auf dem Theater lieber ein künstliches Gesicht und eine künstliche Leibeslänge (mit- telst der Kothurne) als die persönliche Physiognomie irgend eines Schauspielers; diese hätte ihm selbst bei der grössten Schönheit nie die typisch-idealen Züge geboten, welche einmal von den tragischen und komischen Charakteren unzertrennlich schienen. Welches Schau- spielers Antlitz hätte für den gefesselten Prometheus und für seine Peiniger Kratos und Bia ausgereicht? — Die Masken aber, wo man sie auch aufbewahrte, müssen, selbst nur einfach an der Wand auf- gehängt, ein bedeutendes, monumentales Aussehen gehabt haben, das man bleibend festzuhalten versucht sein musste; Keinem jedoch kann dieser Gedanke früher und eher gekommen sein, als dem Masken- macher selbst, der ja ein bedeutender und gewiss in hohen Ehren gehaltener Künstler war, — vielleicht zugleich Bildhauer in einer Zeit, die noch so wenig die Kunstgattungen trennte. Ausser dem Theater wurden eine Menge Masken gebraucht bei Aufzügen, Processionen und Festlichkeiten aller Art; wie konnte man dergleichen besser ansagen als durch das Aushängen von Masken an Schnüren oder Laubgewin- den? — An irgend einem Gebäude, das mit solchen Bestimmungen
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Antike Sculptur. Masken.
Apoll, zwei Athleten, eine sog. Sappho) ein guter römischer Porträt-
kopf, verschrumpft und sauer blickend, in einem Nebengang rechts.
Im Camposanto zu Pisa: (bei XL) Marcus Agrippa, weni-
ger erhalten aber ebenso echt als der florentinische Kopf. (Ebenda
mehrere gute Götterköpfe. Der angebliche Brutus, bei IV, ist offen-
bar modern.)
Vergebens sucht man Auskunft über den Ursprung und ersten
Gebrauch der so häufigen und zum Theil so trefflichen marmornen
Masken. Wenn die Archäologie nichts dagegen hat, so wollen wir
einige harmlose Vermuthungen aufstellen, die neben jedem erwiesenen
Thatbestand in ihr Nichts zurückzutreten bereit sind.
In den heitern Tagen des alten Athens muss mit der beginnenden
Blüthe der Tragödie und der Komödie auch die Kunst, tragische und
komische Masken für die Bühne zu machen, eine beträchtliche Höhe
erreicht haben. Der Grieche ertrug bekanntlich auf dem Theater
lieber ein künstliches Gesicht und eine künstliche Leibeslänge (mit-
telst der Kothurne) als die persönliche Physiognomie irgend eines
Schauspielers; diese hätte ihm selbst bei der grössten Schönheit nie
die typisch-idealen Züge geboten, welche einmal von den tragischen
und komischen Charakteren unzertrennlich schienen. Welches Schau-
spielers Antlitz hätte für den gefesselten Prometheus und für seine
Peiniger Kratos und Bia ausgereicht? — Die Masken aber, wo man
sie auch aufbewahrte, müssen, selbst nur einfach an der Wand auf-
gehängt, ein bedeutendes, monumentales Aussehen gehabt haben, das
man bleibend festzuhalten versucht sein musste; Keinem jedoch kann
dieser Gedanke früher und eher gekommen sein, als dem Masken-
macher selbst, der ja ein bedeutender und gewiss in hohen Ehren
gehaltener Künstler war, — vielleicht zugleich Bildhauer in einer Zeit,
die noch so wenig die Kunstgattungen trennte. Ausser dem Theater
wurden eine Menge Masken gebraucht bei Aufzügen, Processionen und
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als durch das Aushängen von Masken an Schnüren oder Laubgewin-
den? — An irgend einem Gebäude, das mit solchen Bestimmungen
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/550>, abgerufen am 18.12.2024.
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