Die Arbeit, obwohl erst aus hadrianischer Zeit, ist vorzüglich, und die Übergänge aus den menschlichen in die thierischen Formen sind mit einem Lebensgefühl gegeben, welches an die Wirklichkeit solcher Wesen glauben macht. (Die Ähnlichkeit des ältern mit den Gesichts- zügen des Laocoon bleibt immer auffallend; jedenfalls sollte ein Ge- gensatz des Alters und der Jugend, der Heiterkeit und des Trübsinns dargestellt werden.)
Es versteht sich übrigens, dass die Marmorstatue nicht die geeig- nete Form war, um den Centauren in voller bacchantischer Bewegung zu zeigen. Eine Anzahl wunderbarer kleiner pompejanischer Gemälde geben uns erst einen vollen Begriff von Dem, was man Satyrn und Centauren zutraute.
Von den weiblichen Gestalten des dionysischen Kreises sind viele in Gemälden und Reliefs, aber nur wenige in Statuen nachweisbar. Schon die Bildung der Ariadne als Statue ist, wie wir sahen, zwei- afelhaft; ob sie oder eine blosse bacchische Tänzerin in einer wunderschön bewegten und bekleideten vaticanischen Figur (Ga- binetto delle Maschere) dargestellt sei, lassen wir dahingestellt; das mit Epheu bekränzte Haupt, von dionysischer Süssigkeit, ist alt und becht. -- Eine junge Satyrin in der Villa Albani (Nebengalerie rechts), zeigt in ihrem zwar aufgesetzten, aber doch wohl echten Köpfchen die Merkmale ihrer Gattung, auch das Stumpfnäschen, in das Mäd- chenhafte übersetzt; ihr schwebender Tanzschritt veranlasste, vielleicht mit Recht, eine Restauration der Hände mit Klingplatten. -- Eine ruhig cstehende, mit einem Thierfell über dem Gewande, in der untern Halle des Conservatorenpalastes auf dem Capitol; leider ist an dieser schön ge- ddachten Statue der Kopf zweifelhaft. -- Eine hochausschreitende schlanke Bacchantin mit einem Luchs, unter Lebensgrösse, an Kopf und Armen kläglich restaurirt, zeigt noch ein schönes Motiv in geringer römischer eAusführung. (Uffizien, Verbindungsgang.) -- Eine hübsche nackte Bac- chantin mit Thierfell, im Dogenpalast zu Venedig (Corridojo), trägt
Nach vorhandenen Spuren war diess Motiv auch an beiden capitolinischen wiederholt. [Br.]
Antike Sculptur. Bacchantinnen etc.
Die Arbeit, obwohl erst aus hadrianischer Zeit, ist vorzüglich, und die Übergänge aus den menschlichen in die thierischen Formen sind mit einem Lebensgefühl gegeben, welches an die Wirklichkeit solcher Wesen glauben macht. (Die Ähnlichkeit des ältern mit den Gesichts- zügen des Laocoon bleibt immer auffallend; jedenfalls sollte ein Ge- gensatz des Alters und der Jugend, der Heiterkeit und des Trübsinns dargestellt werden.)
Es versteht sich übrigens, dass die Marmorstatue nicht die geeig- nete Form war, um den Centauren in voller bacchantischer Bewegung zu zeigen. Eine Anzahl wunderbarer kleiner pompejanischer Gemälde geben uns erst einen vollen Begriff von Dem, was man Satyrn und Centauren zutraute.
Von den weiblichen Gestalten des dionysischen Kreises sind viele in Gemälden und Reliefs, aber nur wenige in Statuen nachweisbar. Schon die Bildung der Ariadne als Statue ist, wie wir sahen, zwei- afelhaft; ob sie oder eine blosse bacchische Tänzerin in einer wunderschön bewegten und bekleideten vaticanischen Figur (Ga- binetto delle Maschere) dargestellt sei, lassen wir dahingestellt; das mit Epheu bekränzte Haupt, von dionysischer Süssigkeit, ist alt und becht. — Eine junge Satyrin in der Villa Albani (Nebengalerie rechts), zeigt in ihrem zwar aufgesetzten, aber doch wohl echten Köpfchen die Merkmale ihrer Gattung, auch das Stumpfnäschen, in das Mäd- chenhafte übersetzt; ihr schwebender Tanzschritt veranlasste, vielleicht mit Recht, eine Restauration der Hände mit Klingplatten. — Eine ruhig cstehende, mit einem Thierfell über dem Gewande, in der untern Halle des Conservatorenpalastes auf dem Capitol; leider ist an dieser schön ge- ddachten Statue der Kopf zweifelhaft. — Eine hochausschreitende schlanke Bacchantin mit einem Luchs, unter Lebensgrösse, an Kopf und Armen kläglich restaurirt, zeigt noch ein schönes Motiv in geringer römischer eAusführung. (Uffizien, Verbindungsgang.) — Eine hübsche nackte Bac- chantin mit Thierfell, im Dogenpalast zu Venedig (Corridojo), trägt
Nach vorhandenen Spuren war diess Motiv auch an beiden capitolinischen wiederholt. [Br.]
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Antike Sculptur. Bacchantinnen etc.
Die Arbeit, obwohl erst aus hadrianischer Zeit, ist vorzüglich, und
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Wesen glauben macht. (Die Ähnlichkeit des ältern mit den Gesichts-
zügen des Laocoon bleibt immer auffallend; jedenfalls sollte ein Ge-
gensatz des Alters und der Jugend, der Heiterkeit und des Trübsinns
dargestellt werden.)
Es versteht sich übrigens, dass die Marmorstatue nicht die geeig-
nete Form war, um den Centauren in voller bacchantischer Bewegung
zu zeigen. Eine Anzahl wunderbarer kleiner pompejanischer Gemälde
geben uns erst einen vollen Begriff von Dem, was man Satyrn und
Centauren zutraute.
Von den weiblichen Gestalten des dionysischen Kreises sind viele
in Gemälden und Reliefs, aber nur wenige in Statuen nachweisbar.
Schon die Bildung der Ariadne als Statue ist, wie wir sahen, zwei-
felhaft; ob sie oder eine blosse bacchische Tänzerin in einer
wunderschön bewegten und bekleideten vaticanischen Figur (Ga-
binetto delle Maschere) dargestellt sei, lassen wir dahingestellt; das
mit Epheu bekränzte Haupt, von dionysischer Süssigkeit, ist alt und
echt. — Eine junge Satyrin in der Villa Albani (Nebengalerie rechts),
zeigt in ihrem zwar aufgesetzten, aber doch wohl echten Köpfchen
die Merkmale ihrer Gattung, auch das Stumpfnäschen, in das Mäd-
chenhafte übersetzt; ihr schwebender Tanzschritt veranlasste, vielleicht
mit Recht, eine Restauration der Hände mit Klingplatten. — Eine ruhig
stehende, mit einem Thierfell über dem Gewande, in der untern Halle
des Conservatorenpalastes auf dem Capitol; leider ist an dieser schön ge-
dachten Statue der Kopf zweifelhaft. — Eine hochausschreitende schlanke
Bacchantin mit einem Luchs, unter Lebensgrösse, an Kopf und Armen
kläglich restaurirt, zeigt noch ein schönes Motiv in geringer römischer
Ausführung. (Uffizien, Verbindungsgang.) — Eine hübsche nackte Bac-
chantin mit Thierfell, im Dogenpalast zu Venedig (Corridojo), trägt
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wiederholt. [Br.]
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/504>, abgerufen am 18.12.2024.
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