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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Pan. Centauren.

Von Gruppen ist die des Pan und Olympos in leidlichen
Nachahmungen eines ausgezeichneten Werkes vorhanden. Der Con-
trast in Stellung und Bildung zwischen dem Waldgott und dem ganz
jungen Satyr, welcher bei ihm die Musik lernt, hatte für die Kunst
denselben ungemeinen Reiz, welchen sie auf einer andern Stufe in
der Zusammenstellung von Centauren als Lehrern mit jungen Helden
wiederfand. (Die besten Exemplare besitzt Florenz: eines, unsichtbar,a
in dem Magazin der Uffizien; eines im ersten Gang der Uffizien, mit
dem echten Kopf des Olympos von angenehm leichtfertigem Aus-
druck; ein Olympos ohne den Pan, im zweiten Gang der Uffizien,b
roh, aber gut erhalten; -- ein anderes gutes Exemplar im geheimenc
Cabinet des Museums von Neapel; -- geringere in der Villa Ludovisid
zu Rom, Vorsaal; -- und, zur Hälfte neu, in der Villa Albani, unter-e
halb des Kaffehauses. Andere a. a. O.)

Von einem sehr artigen Motiv: Pan der einem Satyr einen Dornf
aus dem Fusse zieht, ist u. a. ein kleines und bedeutend ergänztes
Exemplar im obern Gange des Vaticans erhalten.

Pan in anderer Gesellschaft ist bisweilen von derjenigen Art,
welche in den italienischen Sammlungen nicht leicht aufgestellt wird.
Ein Hermaphrodit, den zudringlichen Pan abwehrend, kleine Gruppe,g
in den Uffizien (Halle des Hermaphroditen); hier ist der ganze Pan
neu, angeblich von Benv. Cellini.

Nicht dem Ursprung, wohl aber der spätern kunstüblichen Form
zu Liebe müssen wir noch die Centauren hieher rechnen. Auch
sie, ehemalige Jäger und wilde Entführer, gerathen in den dionysi-
schen Kreis hinein, dem sie durch ihre Weinlust von jeher nahe ge-
standen. Bisweilen ziehen sie auf den Reliefs den Wagen des Gottes
an der Stelle der Panther; auf ihrem Rücken etwa ein kleiner bacchi-
scher Genius, der sie zügelt oder mit ihnen spricht. Dieser bacchi-
schen Natur gemäss tragen auch die beiden (nächst einem Werk des
Louvre) ausgezeichnetsten Centaurenstatuen (von Aristeas und Papiash
aus Aphrodisias, im grossen Saale des Museo capitolino) auf ihrem
Pferdeleib den Oberkörper eines ältern und eines jüngern Satyrs 1).

1) Der borghesische Centaur im Louvre, auch derjenige im Thiersaal des Vati-*
cans hat einen Amorin auf dem Rücken, der ihm beide Hände gefesselt hat.
B. Cicerone. 31
Pan. Centauren.

Von Gruppen ist die des Pan und Olympos in leidlichen
Nachahmungen eines ausgezeichneten Werkes vorhanden. Der Con-
trast in Stellung und Bildung zwischen dem Waldgott und dem ganz
jungen Satyr, welcher bei ihm die Musik lernt, hatte für die Kunst
denselben ungemeinen Reiz, welchen sie auf einer andern Stufe in
der Zusammenstellung von Centauren als Lehrern mit jungen Helden
wiederfand. (Die besten Exemplare besitzt Florenz: eines, unsichtbar,a
in dem Magazin der Uffizien; eines im ersten Gang der Uffizien, mit
dem echten Kopf des Olympos von angenehm leichtfertigem Aus-
druck; ein Olympos ohne den Pan, im zweiten Gang der Uffizien,b
roh, aber gut erhalten; — ein anderes gutes Exemplar im geheimenc
Cabinet des Museums von Neapel; — geringere in der Villa Ludovisid
zu Rom, Vorsaal; — und, zur Hälfte neu, in der Villa Albani, unter-e
halb des Kaffehauses. Andere a. a. O.)

Von einem sehr artigen Motiv: Pan der einem Satyr einen Dornf
aus dem Fusse zieht, ist u. a. ein kleines und bedeutend ergänztes
Exemplar im obern Gange des Vaticans erhalten.

Pan in anderer Gesellschaft ist bisweilen von derjenigen Art,
welche in den italienischen Sammlungen nicht leicht aufgestellt wird.
Ein Hermaphrodit, den zudringlichen Pan abwehrend, kleine Gruppe,g
in den Uffizien (Halle des Hermaphroditen); hier ist der ganze Pan
neu, angeblich von Benv. Cellini.

Nicht dem Ursprung, wohl aber der spätern kunstüblichen Form
zu Liebe müssen wir noch die Centauren hieher rechnen. Auch
sie, ehemalige Jäger und wilde Entführer, gerathen in den dionysi-
schen Kreis hinein, dem sie durch ihre Weinlust von jeher nahe ge-
standen. Bisweilen ziehen sie auf den Reliefs den Wagen des Gottes
an der Stelle der Panther; auf ihrem Rücken etwa ein kleiner bacchi-
scher Genius, der sie zügelt oder mit ihnen spricht. Dieser bacchi-
schen Natur gemäss tragen auch die beiden (nächst einem Werk des
Louvre) ausgezeichnetsten Centaurenstatuen (von Aristeas und Papiash
aus Aphrodisias, im grossen Saale des Museo capitolino) auf ihrem
Pferdeleib den Oberkörper eines ältern und eines jüngern Satyrs 1).

1) Der borghesische Centaur im Louvre, auch derjenige im Thiersaal des Vati-*
cans hat einen Amorin auf dem Rücken, der ihm beide Hände gefesselt hat.
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[481/0503] Pan. Centauren. Von Gruppen ist die des Pan und Olympos in leidlichen Nachahmungen eines ausgezeichneten Werkes vorhanden. Der Con- trast in Stellung und Bildung zwischen dem Waldgott und dem ganz jungen Satyr, welcher bei ihm die Musik lernt, hatte für die Kunst denselben ungemeinen Reiz, welchen sie auf einer andern Stufe in der Zusammenstellung von Centauren als Lehrern mit jungen Helden wiederfand. (Die besten Exemplare besitzt Florenz: eines, unsichtbar, in dem Magazin der Uffizien; eines im ersten Gang der Uffizien, mit dem echten Kopf des Olympos von angenehm leichtfertigem Aus- druck; ein Olympos ohne den Pan, im zweiten Gang der Uffizien, roh, aber gut erhalten; — ein anderes gutes Exemplar im geheimen Cabinet des Museums von Neapel; — geringere in der Villa Ludovisi zu Rom, Vorsaal; — und, zur Hälfte neu, in der Villa Albani, unter- halb des Kaffehauses. Andere a. a. O.) a b c d e Von einem sehr artigen Motiv: Pan der einem Satyr einen Dorn aus dem Fusse zieht, ist u. a. ein kleines und bedeutend ergänztes Exemplar im obern Gange des Vaticans erhalten. f Pan in anderer Gesellschaft ist bisweilen von derjenigen Art, welche in den italienischen Sammlungen nicht leicht aufgestellt wird. Ein Hermaphrodit, den zudringlichen Pan abwehrend, kleine Gruppe, in den Uffizien (Halle des Hermaphroditen); hier ist der ganze Pan neu, angeblich von Benv. Cellini. g Nicht dem Ursprung, wohl aber der spätern kunstüblichen Form zu Liebe müssen wir noch die Centauren hieher rechnen. Auch sie, ehemalige Jäger und wilde Entführer, gerathen in den dionysi- schen Kreis hinein, dem sie durch ihre Weinlust von jeher nahe ge- standen. Bisweilen ziehen sie auf den Reliefs den Wagen des Gottes an der Stelle der Panther; auf ihrem Rücken etwa ein kleiner bacchi- scher Genius, der sie zügelt oder mit ihnen spricht. Dieser bacchi- schen Natur gemäss tragen auch die beiden (nächst einem Werk des Louvre) ausgezeichnetsten Centaurenstatuen (von Aristeas und Papias aus Aphrodisias, im grossen Saale des Museo capitolino) auf ihrem Pferdeleib den Oberkörper eines ältern und eines jüngern Satyrs 1). h 1) Der borghesische Centaur im Louvre, auch derjenige im Thiersaal des Vati- cans hat einen Amorin auf dem Rücken, der ihm beide Hände gefesselt hat. B. Cicerone. 31

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/503>, abgerufen am 02.06.2024.