Die Folgen zeigen sich in einer kleinen Statue des Museums von Neapel (zweiter Gang); Silen, wahrscheinlich schrecklich gefoppt, bittet knieend und mit gefalteten Händen um Gnade. (Dasselbe Motiv nicht selten auf Vasen.) -- Als Brunnenfigur drückt er auch wohl bsitzend mit aller Kraft auf einen Traubenbüschel, in welchem die Mündung angebracht ist. (Uffizien, Halle der Inschriften.)
Bisweilen aber offenbart Silen eine höhere Natur; er ist der Er- zieher und Hüter des Bacchus während der bedrohten Jugend desselben gewesen. Mit dem göttlichen Kinde auf den Armen, freund- lich ihm zulachend, erscheint er wieder als schlanker bärtiger Satyr in beginnendem Greisenalter, von gemässigter herakleischer Bildung. Von seinen Zügen sind alle wesentlichen Elemente, aber sehr veredelt cbeibehalten. Eine gute Statue im Braccio nuovo des Vaticans; Köpfe dim Museum von Neapel (erster Gang) und in der obern Galerie des eMuseo capitolino; -- bei weitem die beste Statue dieses Typus, in der Detaildurchführung als classisch geltend, ist mit der alten borghe- sischen Sammlung in den Louvre übergegangen.
Eine bedeutende Stufe tiefer nach der Thierwelt zu finden wir die Pane. Das einsame halbgöttliche, halbthierische Waldwesen hat sich, den vorhandenen Kunstwerken nach, längst in den Kreis der dionysischen Genossen begeben und sich dort zu einem ganzen Ge- schlecht vervielfacht. Als einzelne Figur ist er fast nur in unter- geordneten Werken decorativer Art auf unsere Zeit gekommen, an welchen man immerhin den meisterhaft gedachten Übergang aus den Ziegenfüssen in den satyrhaften Menschenleib und die geistvolle Ver- mischung menschlicher und thierischer Züge im Gesicht studiren kann. f(Ein seitwärts ins Affenmässige gehender Ausdruck in einem gut gear- beiteten Köpfchen des Vaticans, Büstenzimmer.) -- Zwei grosse Pane als gGesimsträger, im Hof des Museo capitolino; eine sehr chargirte Pans- hmaske als Brunnenöffnung ebenda, im Zimmer des Fauns. -- Häufig ein kleiner Pan im Mantel mit der vielröhrigen Hirtenflöte in der Hand, ivon drolligem Ausdruck des Wartens und Zusehens. (In dem ge- knannten Hof; auch im Garten der Villa Albani; derjenige im Garten lder Villa Ludovisi ist ein Werk des X VI. Jahrhunderts, aber nicht von Michel Angelo, sondern von einem affektirten Nachahmer des- selben.)
Antike Sculptur. Silen. Pan.
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Die Folgen zeigen sich in einer kleinen Statue des Museums von Neapel (zweiter Gang); Silen, wahrscheinlich schrecklich gefoppt, bittet knieend und mit gefalteten Händen um Gnade. (Dasselbe Motiv nicht selten auf Vasen.) — Als Brunnenfigur drückt er auch wohl bsitzend mit aller Kraft auf einen Traubenbüschel, in welchem die Mündung angebracht ist. (Uffizien, Halle der Inschriften.)
Bisweilen aber offenbart Silen eine höhere Natur; er ist der Er- zieher und Hüter des Bacchus während der bedrohten Jugend desselben gewesen. Mit dem göttlichen Kinde auf den Armen, freund- lich ihm zulachend, erscheint er wieder als schlanker bärtiger Satyr in beginnendem Greisenalter, von gemässigter herakleischer Bildung. Von seinen Zügen sind alle wesentlichen Elemente, aber sehr veredelt cbeibehalten. Eine gute Statue im Braccio nuovo des Vaticans; Köpfe dim Museum von Neapel (erster Gang) und in der obern Galerie des eMuseo capitolino; — bei weitem die beste Statue dieses Typus, in der Detaildurchführung als classisch geltend, ist mit der alten borghe- sischen Sammlung in den Louvre übergegangen.
Eine bedeutende Stufe tiefer nach der Thierwelt zu finden wir die Pane. Das einsame halbgöttliche, halbthierische Waldwesen hat sich, den vorhandenen Kunstwerken nach, längst in den Kreis der dionysischen Genossen begeben und sich dort zu einem ganzen Ge- schlecht vervielfacht. Als einzelne Figur ist er fast nur in unter- geordneten Werken decorativer Art auf unsere Zeit gekommen, an welchen man immerhin den meisterhaft gedachten Übergang aus den Ziegenfüssen in den satyrhaften Menschenleib und die geistvolle Ver- mischung menschlicher und thierischer Züge im Gesicht studiren kann. f(Ein seitwärts ins Affenmässige gehender Ausdruck in einem gut gear- beiteten Köpfchen des Vaticans, Büstenzimmer.) — Zwei grosse Pane als gGesimsträger, im Hof des Museo capitolino; eine sehr chargirte Pans- hmaske als Brunnenöffnung ebenda, im Zimmer des Fauns. — Häufig ein kleiner Pan im Mantel mit der vielröhrigen Hirtenflöte in der Hand, ivon drolligem Ausdruck des Wartens und Zusehens. (In dem ge- knannten Hof; auch im Garten der Villa Albani; derjenige im Garten lder Villa Ludovisi ist ein Werk des X VI. Jahrhunderts, aber nicht von Michel Angelo, sondern von einem affektirten Nachahmer des- selben.)
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Antike Sculptur. Silen. Pan.
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Neapel (zweiter Gang); Silen, wahrscheinlich schrecklich gefoppt,
bittet knieend und mit gefalteten Händen um Gnade. (Dasselbe Motiv
nicht selten auf Vasen.) — Als Brunnenfigur drückt er auch wohl
sitzend mit aller Kraft auf einen Traubenbüschel, in welchem die
Mündung angebracht ist. (Uffizien, Halle der Inschriften.)
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Bisweilen aber offenbart Silen eine höhere Natur; er ist der Er-
zieher und Hüter des Bacchus während der bedrohten Jugend
desselben gewesen. Mit dem göttlichen Kinde auf den Armen, freund-
lich ihm zulachend, erscheint er wieder als schlanker bärtiger Satyr
in beginnendem Greisenalter, von gemässigter herakleischer Bildung.
Von seinen Zügen sind alle wesentlichen Elemente, aber sehr veredelt
beibehalten. Eine gute Statue im Braccio nuovo des Vaticans; Köpfe
im Museum von Neapel (erster Gang) und in der obern Galerie des
Museo capitolino; — bei weitem die beste Statue dieses Typus, in
der Detaildurchführung als classisch geltend, ist mit der alten borghe-
sischen Sammlung in den Louvre übergegangen.
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Eine bedeutende Stufe tiefer nach der Thierwelt zu finden wir
die Pane. Das einsame halbgöttliche, halbthierische Waldwesen hat
sich, den vorhandenen Kunstwerken nach, längst in den Kreis der
dionysischen Genossen begeben und sich dort zu einem ganzen Ge-
schlecht vervielfacht. Als einzelne Figur ist er fast nur in unter-
geordneten Werken decorativer Art auf unsere Zeit gekommen, an
welchen man immerhin den meisterhaft gedachten Übergang aus den
Ziegenfüssen in den satyrhaften Menschenleib und die geistvolle Ver-
mischung menschlicher und thierischer Züge im Gesicht studiren kann.
(Ein seitwärts ins Affenmässige gehender Ausdruck in einem gut gear-
beiteten Köpfchen des Vaticans, Büstenzimmer.) — Zwei grosse Pane als
Gesimsträger, im Hof des Museo capitolino; eine sehr chargirte Pans-
maske als Brunnenöffnung ebenda, im Zimmer des Fauns. — Häufig ein
kleiner Pan im Mantel mit der vielröhrigen Hirtenflöte in der Hand,
von drolligem Ausdruck des Wartens und Zusehens. (In dem ge-
nannten Hof; auch im Garten der Villa Albani; derjenige im Garten
der Villa Ludovisi ist ein Werk des X VI. Jahrhunderts, aber nicht
von Michel Angelo, sondern von einem affektirten Nachahmer des-
selben.)
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/502>, abgerufen am 18.12.2024.
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