als Episoden einzeln gedacht und behandelt und von den Nachahmun- gen gerade dieser Werke sind die Galerien voll.
Diese sämmtlichen Gestalten haben leisere oder derbere Anklänge an das Thierische, ja Bestandtheile von Thieren an sich. Nur so wurden sie geschickt zu dem vollkommen wohligen Genuss und zu dem endlosen Muthwillen, in welchem sie sich ergehen.
Die Hauptschaar besteht aus Satyrn. (Der römische und italie- nische Name "Faun" kann nur verwirren und wird am besten ganz beseitigt.) Ihre Abzeichen sind die mehr oder weniger bemerkliche Stülpnase, die etwas gespitzten Ohren, oft auch ein Schwänzchen und zwei Halsdrüsen; als Kleidung etwa ein Thierfell. Allein schon in- nerhalb dieser Gattung ist die reichste Abstufung zu bemerken.
Der edelste, dem Dionysos am nächsten stehende, ist der vom Flötenspiel ausruhende, an einen Baumstamm gelehnte (bisweilen be- kränzt); eines der anmuthigsten und beliebtesten Motive der alten Kunst, wahrscheinlich Nachbildung des praxitelischen Satyros pe- ariboetos. Das beste römische Exemplar im Museo capitolino (Zim- bmer des sterbenden Fechters); andere gute: im Braccio nuovo des cVaticans und in der Villa Borghese (Zimmer des Fauns). -- Zwei dgeringe römische Wiederholungen im Pal. Pitti zu Florenz (inneres Vestibul über der Haupttreppe) geben dem Periboetos einen kleinen Pan bei, durch welche Zuthat die Einsamkeit verloren geht, die für den geistigen Ausdruck der Figur so wesentlich ist. -- Das Über- wiegen des Genusslebens zeigt sich beim Periboetos nur in dem vollen Rund der Züge und in dem etwas vortretenden Bauch, die Malice nur in einem kaum bemerklichen Zuge des Gesichtes.
Sein jüngerer Bruder ist der Satyrknabe, welcher die Flöte eben ansetzen oder weglegen will (was der Restaurationen wegen selten zu entscheiden ist), angelehnt mit gekreuzten Beinen. Gute eExemplare im Braccio nuovo des Vaticans, in der obern Galerie des fMuseo capitolino und anderswo; ein geringeres im runden Saal der gVilla Albani; keines wohl der Anmuth des Originals entsprechend. hEin Fragment in der Galerie zu Parma. (Auch der sog. Amorstorso daselbst ist wohl eher von satyresker Bildung.) Die Satyrknaben und Kinder, von welchen einzelne treffliche Köpfe vorkommen, sind theils von harmlosem, theils auch schon von nichtsnutzigem, spöttischem
Antike Sculptur. Satyrn.
als Episoden einzeln gedacht und behandelt und von den Nachahmun- gen gerade dieser Werke sind die Galerien voll.
Diese sämmtlichen Gestalten haben leisere oder derbere Anklänge an das Thierische, ja Bestandtheile von Thieren an sich. Nur so wurden sie geschickt zu dem vollkommen wohligen Genuss und zu dem endlosen Muthwillen, in welchem sie sich ergehen.
Die Hauptschaar besteht aus Satyrn. (Der römische und italie- nische Name „Faun“ kann nur verwirren und wird am besten ganz beseitigt.) Ihre Abzeichen sind die mehr oder weniger bemerkliche Stülpnase, die etwas gespitzten Ohren, oft auch ein Schwänzchen und zwei Halsdrüsen; als Kleidung etwa ein Thierfell. Allein schon in- nerhalb dieser Gattung ist die reichste Abstufung zu bemerken.
Der edelste, dem Dionysos am nächsten stehende, ist der vom Flötenspiel ausruhende, an einen Baumstamm gelehnte (bisweilen be- kränzt); eines der anmuthigsten und beliebtesten Motive der alten Kunst, wahrscheinlich Nachbildung des praxitelischen Satyros pe- ariboëtos. Das beste römische Exemplar im Museo capitolino (Zim- bmer des sterbenden Fechters); andere gute: im Braccio nuovo des cVaticans und in der Villa Borghese (Zimmer des Fauns). — Zwei dgeringe römische Wiederholungen im Pal. Pitti zu Florenz (inneres Vestibul über der Haupttreppe) geben dem Periboëtos einen kleinen Pan bei, durch welche Zuthat die Einsamkeit verloren geht, die für den geistigen Ausdruck der Figur so wesentlich ist. — Das Über- wiegen des Genusslebens zeigt sich beim Periboëtos nur in dem vollen Rund der Züge und in dem etwas vortretenden Bauch, die Malice nur in einem kaum bemerklichen Zuge des Gesichtes.
Sein jüngerer Bruder ist der Satyrknabe, welcher die Flöte eben ansetzen oder weglegen will (was der Restaurationen wegen selten zu entscheiden ist), angelehnt mit gekreuzten Beinen. Gute eExemplare im Braccio nuovo des Vaticans, in der obern Galerie des fMuseo capitolino und anderswo; ein geringeres im runden Saal der gVilla Albani; keines wohl der Anmuth des Originals entsprechend. hEin Fragment in der Galerie zu Parma. (Auch der sog. Amorstorso daselbst ist wohl eher von satyresker Bildung.) Die Satyrknaben und Kinder, von welchen einzelne treffliche Köpfe vorkommen, sind theils von harmlosem, theils auch schon von nichtsnutzigem, spöttischem
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Antike Sculptur. Satyrn.
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gen gerade dieser Werke sind die Galerien voll.
Diese sämmtlichen Gestalten haben leisere oder derbere Anklänge
an das Thierische, ja Bestandtheile von Thieren an sich. Nur so
wurden sie geschickt zu dem vollkommen wohligen Genuss und zu
dem endlosen Muthwillen, in welchem sie sich ergehen.
Die Hauptschaar besteht aus Satyrn. (Der römische und italie-
nische Name „Faun“ kann nur verwirren und wird am besten ganz
beseitigt.) Ihre Abzeichen sind die mehr oder weniger bemerkliche
Stülpnase, die etwas gespitzten Ohren, oft auch ein Schwänzchen und
zwei Halsdrüsen; als Kleidung etwa ein Thierfell. Allein schon in-
nerhalb dieser Gattung ist die reichste Abstufung zu bemerken.
Der edelste, dem Dionysos am nächsten stehende, ist der vom
Flötenspiel ausruhende, an einen Baumstamm gelehnte (bisweilen be-
kränzt); eines der anmuthigsten und beliebtesten Motive der alten
Kunst, wahrscheinlich Nachbildung des praxitelischen Satyros pe-
riboëtos. Das beste römische Exemplar im Museo capitolino (Zim-
mer des sterbenden Fechters); andere gute: im Braccio nuovo des
Vaticans und in der Villa Borghese (Zimmer des Fauns). — Zwei
geringe römische Wiederholungen im Pal. Pitti zu Florenz (inneres
Vestibul über der Haupttreppe) geben dem Periboëtos einen kleinen
Pan bei, durch welche Zuthat die Einsamkeit verloren geht, die für
den geistigen Ausdruck der Figur so wesentlich ist. — Das Über-
wiegen des Genusslebens zeigt sich beim Periboëtos nur in dem vollen
Rund der Züge und in dem etwas vortretenden Bauch, die Malice
nur in einem kaum bemerklichen Zuge des Gesichtes.
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Sein jüngerer Bruder ist der Satyrknabe, welcher die Flöte
eben ansetzen oder weglegen will (was der Restaurationen wegen
selten zu entscheiden ist), angelehnt mit gekreuzten Beinen. Gute
Exemplare im Braccio nuovo des Vaticans, in der obern Galerie des
Museo capitolino und anderswo; ein geringeres im runden Saal der
Villa Albani; keines wohl der Anmuth des Originals entsprechend.
Ein Fragment in der Galerie zu Parma. (Auch der sog. Amorstorso
daselbst ist wohl eher von satyresker Bildung.) Die Satyrknaben und
Kinder, von welchen einzelne treffliche Köpfe vorkommen, sind theils
von harmlosem, theils auch schon von nichtsnutzigem, spöttischem
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/496>, abgerufen am 18.12.2024.
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