abeitete schlummernde Nymphe im Vatican (Belvedere, zwischen dem Apoll und den Canova's) weist auf ein reizendes Original hin. -- Noch ein ganz einfach schönes Motiv ist die halbnackte stehende Nymphe, welche mit der Linken auf die Urne lehnt und die Rechte auf die ausgeladene Hüfte stützt. Ich weiss mich keines andern einiger- massen erhaltenen Exemplares zu erinnern, als desjenigen im Pal. bPitti (Nebenhof links, beim Ajax), welches freilich eine geringe rö- mische Arbeit ist. An der ähnlichen ehemals schönen Statue der cGalerie von Parma ist gar zu Vieles modern.
Ins Matronale geht der Nymphentypus über in der Amme des Dionysos, Leukothea; sie wird völlig bekleidet und mit Binden um das Haar dargestellt. Ich kenne von vollständigen Darstellungen nur ddie schöne, ungemein noble Bronzefigur in den Uffizien (Bronzen, zweites Zimmer, Eckschrank rechts). Eine treffliche Marmorstatue in eder untern Halle des Pal. Ceperello zu Florenz (Corso N. 814) möchte ich ebenfalls für eine Götteramme halten, schon der starken Brüste wegen. Der Kopf neu aufgesetzt, aber dazu gehörend. Die sog. Sapphoköpfe zeigen dieselbe Art, das Haar zu binden.
Den bekleideten Nymphengestalten des gewaltigern Typus müssen fwir eine in ihrer Art einzige Statue beigesellen: die vaticanische Cleopatra, richtiger die schlummernde Ariadne (Vatican, Galeria delle statue). Schon das Alterthum hat, wie die nebenan aufgestellten kleinen Wiederholungen beweisen, dieses Motiv in beiderlei Sinn ge- braucht, doch ist Ariadne das Ursprüngliche, und der erste Blick lässt eine Schlafende, nicht eine Sterbende erkennen. (Sie ist etwas zu sehr nach vorn gesenkt, was namentlich dem über das Haupt gelegten rechten Arm ein zu schweres Ansehen giebt und den ganzen Anblick etwas verfälscht.)
Als Motiv der Ruhe wird diess Werk auf ewig die Sculptur be- herrschen. Es ist nicht möglich ein lieblich-grandioses Weib auf majestätischere Weise schlummernd hinzustrecken. Die Art, wie der Kopf durch die Lage der Arme die höchste Bedeutung erhält, die ungemeine Würde in der Kreuzung der Beine, endlich die unerreich- bare Pracht und die weise Aufeinanderfolge der Gewandmotive wer- den nie genug zu bewundern sein. -- Der noch streng-schöne Ge- sichtstypus lässt uns eine Ariadne erkennen, die noch nicht in den
Antike Sculptur. Nymphen. Cleopatra.
abeitete schlummernde Nymphe im Vatican (Belvedere, zwischen dem Apoll und den Canova’s) weist auf ein reizendes Original hin. — Noch ein ganz einfach schönes Motiv ist die halbnackte stehende Nymphe, welche mit der Linken auf die Urne lehnt und die Rechte auf die ausgeladene Hüfte stützt. Ich weiss mich keines andern einiger- massen erhaltenen Exemplares zu erinnern, als desjenigen im Pal. bPitti (Nebenhof links, beim Ajax), welches freilich eine geringe rö- mische Arbeit ist. An der ähnlichen ehemals schönen Statue der cGalerie von Parma ist gar zu Vieles modern.
Ins Matronale geht der Nymphentypus über in der Amme des Dionysos, Leukothea; sie wird völlig bekleidet und mit Binden um das Haar dargestellt. Ich kenne von vollständigen Darstellungen nur ddie schöne, ungemein noble Bronzefigur in den Uffizien (Bronzen, zweites Zimmer, Eckschrank rechts). Eine treffliche Marmorstatue in eder untern Halle des Pal. Ceperello zu Florenz (Corso N. 814) möchte ich ebenfalls für eine Götteramme halten, schon der starken Brüste wegen. Der Kopf neu aufgesetzt, aber dazu gehörend. Die sog. Sapphoköpfe zeigen dieselbe Art, das Haar zu binden.
Den bekleideten Nymphengestalten des gewaltigern Typus müssen fwir eine in ihrer Art einzige Statue beigesellen: die vaticanische Cleopatra, richtiger die schlummernde Ariadne (Vatican, Galeria delle statue). Schon das Alterthum hat, wie die nebenan aufgestellten kleinen Wiederholungen beweisen, dieses Motiv in beiderlei Sinn ge- braucht, doch ist Ariadne das Ursprüngliche, und der erste Blick lässt eine Schlafende, nicht eine Sterbende erkennen. (Sie ist etwas zu sehr nach vorn gesenkt, was namentlich dem über das Haupt gelegten rechten Arm ein zu schweres Ansehen giebt und den ganzen Anblick etwas verfälscht.)
Als Motiv der Ruhe wird diess Werk auf ewig die Sculptur be- herrschen. Es ist nicht möglich ein lieblich-grandioses Weib auf majestätischere Weise schlummernd hinzustrecken. Die Art, wie der Kopf durch die Lage der Arme die höchste Bedeutung erhält, die ungemeine Würde in der Kreuzung der Beine, endlich die unerreich- bare Pracht und die weise Aufeinanderfolge der Gewandmotive wer- den nie genug zu bewundern sein. — Der noch streng-schöne Ge- sichtstypus lässt uns eine Ariadne erkennen, die noch nicht in den
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Antike Sculptur. Nymphen. Cleopatra.
beitete schlummernde Nymphe im Vatican (Belvedere, zwischen dem
Apoll und den Canova’s) weist auf ein reizendes Original hin. — Noch
ein ganz einfach schönes Motiv ist die halbnackte stehende Nymphe,
welche mit der Linken auf die Urne lehnt und die Rechte auf die
ausgeladene Hüfte stützt. Ich weiss mich keines andern einiger-
massen erhaltenen Exemplares zu erinnern, als desjenigen im Pal.
Pitti (Nebenhof links, beim Ajax), welches freilich eine geringe rö-
mische Arbeit ist. An der ähnlichen ehemals schönen Statue der
Galerie von Parma ist gar zu Vieles modern.
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Ins Matronale geht der Nymphentypus über in der Amme des
Dionysos, Leukothea; sie wird völlig bekleidet und mit Binden um
das Haar dargestellt. Ich kenne von vollständigen Darstellungen nur
die schöne, ungemein noble Bronzefigur in den Uffizien (Bronzen,
zweites Zimmer, Eckschrank rechts). Eine treffliche Marmorstatue in
der untern Halle des Pal. Ceperello zu Florenz (Corso N. 814) möchte ich
ebenfalls für eine Götteramme halten, schon der starken Brüste wegen.
Der Kopf neu aufgesetzt, aber dazu gehörend. Die sog. Sapphoköpfe
zeigen dieselbe Art, das Haar zu binden.
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Den bekleideten Nymphengestalten des gewaltigern Typus müssen
wir eine in ihrer Art einzige Statue beigesellen: die vaticanische
Cleopatra, richtiger die schlummernde Ariadne (Vatican, Galeria
delle statue). Schon das Alterthum hat, wie die nebenan aufgestellten
kleinen Wiederholungen beweisen, dieses Motiv in beiderlei Sinn ge-
braucht, doch ist Ariadne das Ursprüngliche, und der erste Blick lässt
eine Schlafende, nicht eine Sterbende erkennen. (Sie ist etwas zu sehr
nach vorn gesenkt, was namentlich dem über das Haupt gelegten
rechten Arm ein zu schweres Ansehen giebt und den ganzen Anblick
etwas verfälscht.)
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Als Motiv der Ruhe wird diess Werk auf ewig die Sculptur be-
herrschen. Es ist nicht möglich ein lieblich-grandioses Weib auf
majestätischere Weise schlummernd hinzustrecken. Die Art, wie der
Kopf durch die Lage der Arme die höchste Bedeutung erhält, die
ungemeine Würde in der Kreuzung der Beine, endlich die unerreich-
bare Pracht und die weise Aufeinanderfolge der Gewandmotive wer-
den nie genug zu bewundern sein. — Der noch streng-schöne Ge-
sichtstypus lässt uns eine Ariadne erkennen, die noch nicht in den
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/478>, abgerufen am 18.12.2024.
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