aBruchstück zu Liebe hinzugearbeitet. -- Im Museo Chiaramonti eine Colossalbüste mit eingesetzten Augen und Drahtwimpern, etwas leere römische Prachtarbeit. Ebendort ein kleines gutes Köpfchen. In den bBüstenzimmern eine vortreffliche grosse Büste. Im Museum von Nea- cpel (Halle des Jupiter) zwei gute Büsten.
Von der kriegerisch gerüsteten Pallas geradezu entlehnt wäre der Typus der Göttin Roma, wenn wir die einzige vorhandene Statue düber dem Brunnen auf dem Capitol wirklich als solche in Anspruch nehmen dürfen. -- Ganz sicher ist dagegen das Relief an der Palast- eTreppe der Villa Albani; die schlanke, amazonenhafte Roma, in kur- zem Gewand bis an die Knie, das Haupt behelmt, thront hier auf Trophäen. Bei nicht eben geistvoller Ausführung ist sie als die stets rüstige, sprungfertige Siegerin doch glücklich charakterisirt. -- fDie sitzende Colossalstatue im Garten der Villa Medici soll ebenfalls eine Roma sein.
Bei diesem Anlass sind noch einige andere locale Personificationen zu nennen.
Auch die Provinzen wurden bisweilen an Siegesdenkmalen charakterisirt. Von grössern Bildwerken dieser Gattung sind uns nur geine Anzahl Hochrelieffiguren erhalten (eine im untern Gang des Museo Capitolino, eine im Hof des Conservatorenpalastes, mehrere im Museum von Neapel, Halle des Jupiter), leblose römische Decorationsarbeiten. hAn einem berühmten Altar aus Puteoli (Museum von Neapel, Halle des Tiberius) sind vierzehn asiatische Städte als allegorische weibliche Figuren dargestellt, wobei die Kunst sich begreiflicher Weise sehr auf die Attribute stützen musste; überdiess ist der Marmor sehr verwittert. -- Diess Alles kommt kaum in Betracht neben einer kleinen, wunder- ischönen Figur des Vaticans (oberer Gang), welche die Tyche oder Stadtgöttin von Antiochien vorstellt. Ganz bekleidet sitzt sie mit aufgestücktem Arm und übereinandergeschlagenen Füssen auf einem Fels, unter ihr die nackte Halbfigur des Flussgottes Orontes. (Nach- ahmung eines Werkes aus der Diadochenzeit.) Hier endlich ist vor Allem ein schönes lebendes Wesen dargestellt und die geographische Symbolik untergeordnet. In Antiochien, wo das Urbild stand, wusste
Antike Sculptur. Roma. Tyche.
aBruchstück zu Liebe hinzugearbeitet. — Im Museo Chiaramonti eine Colossalbüste mit eingesetzten Augen und Drahtwimpern, etwas leere römische Prachtarbeit. Ebendort ein kleines gutes Köpfchen. In den bBüstenzimmern eine vortreffliche grosse Büste. Im Museum von Nea- cpel (Halle des Jupiter) zwei gute Büsten.
Von der kriegerisch gerüsteten Pallas geradezu entlehnt wäre der Typus der Göttin Roma, wenn wir die einzige vorhandene Statue düber dem Brunnen auf dem Capitol wirklich als solche in Anspruch nehmen dürfen. — Ganz sicher ist dagegen das Relief an der Palast- eTreppe der Villa Albani; die schlanke, amazonenhafte Roma, in kur- zem Gewand bis an die Knie, das Haupt behelmt, thront hier auf Trophäen. Bei nicht eben geistvoller Ausführung ist sie als die stets rüstige, sprungfertige Siegerin doch glücklich charakterisirt. — fDie sitzende Colossalstatue im Garten der Villa Medici soll ebenfalls eine Roma sein.
Bei diesem Anlass sind noch einige andere locale Personificationen zu nennen.
Auch die Provinzen wurden bisweilen an Siegesdenkmalen charakterisirt. Von grössern Bildwerken dieser Gattung sind uns nur geine Anzahl Hochrelieffiguren erhalten (eine im untern Gang des Museo Capitolino, eine im Hof des Conservatorenpalastes, mehrere im Museum von Neapel, Halle des Jupiter), leblose römische Decorationsarbeiten. hAn einem berühmten Altar aus Puteoli (Museum von Neapel, Halle des Tiberius) sind vierzehn asiatische Städte als allegorische weibliche Figuren dargestellt, wobei die Kunst sich begreiflicher Weise sehr auf die Attribute stützen musste; überdiess ist der Marmor sehr verwittert. — Diess Alles kommt kaum in Betracht neben einer kleinen, wunder- ischönen Figur des Vaticans (oberer Gang), welche die Tyche oder Stadtgöttin von Antiochien vorstellt. Ganz bekleidet sitzt sie mit aufgestücktem Arm und übereinandergeschlagenen Füssen auf einem Fels, unter ihr die nackte Halbfigur des Flussgottes Orontes. (Nach- ahmung eines Werkes aus der Diadochenzeit.) Hier endlich ist vor Allem ein schönes lebendes Wesen dargestellt und die geographische Symbolik untergeordnet. In Antiochien, wo das Urbild stand, wusste
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Antike Sculptur. Roma. Tyche.
Bruchstück zu Liebe hinzugearbeitet. — Im Museo Chiaramonti eine
Colossalbüste mit eingesetzten Augen und Drahtwimpern, etwas leere
römische Prachtarbeit. Ebendort ein kleines gutes Köpfchen. In den
Büstenzimmern eine vortreffliche grosse Büste. Im Museum von Nea-
pel (Halle des Jupiter) zwei gute Büsten.
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Von der kriegerisch gerüsteten Pallas geradezu entlehnt wäre der
Typus der Göttin Roma, wenn wir die einzige vorhandene Statue
über dem Brunnen auf dem Capitol wirklich als solche in Anspruch
nehmen dürfen. — Ganz sicher ist dagegen das Relief an der Palast-
Treppe der Villa Albani; die schlanke, amazonenhafte Roma, in kur-
zem Gewand bis an die Knie, das Haupt behelmt, thront hier auf
Trophäen. Bei nicht eben geistvoller Ausführung ist sie als die
stets rüstige, sprungfertige Siegerin doch glücklich charakterisirt. —
Die sitzende Colossalstatue im Garten der Villa Medici soll ebenfalls
eine Roma sein.
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Bei diesem Anlass sind noch einige andere locale Personificationen
zu nennen.
Auch die Provinzen wurden bisweilen an Siegesdenkmalen
charakterisirt. Von grössern Bildwerken dieser Gattung sind uns nur
eine Anzahl Hochrelieffiguren erhalten (eine im untern Gang des Museo
Capitolino, eine im Hof des Conservatorenpalastes, mehrere im Museum
von Neapel, Halle des Jupiter), leblose römische Decorationsarbeiten.
An einem berühmten Altar aus Puteoli (Museum von Neapel, Halle
des Tiberius) sind vierzehn asiatische Städte als allegorische weibliche
Figuren dargestellt, wobei die Kunst sich begreiflicher Weise sehr auf
die Attribute stützen musste; überdiess ist der Marmor sehr verwittert.
— Diess Alles kommt kaum in Betracht neben einer kleinen, wunder-
schönen Figur des Vaticans (oberer Gang), welche die Tyche oder
Stadtgöttin von Antiochien vorstellt. Ganz bekleidet sitzt sie mit
aufgestücktem Arm und übereinandergeschlagenen Füssen auf einem
Fels, unter ihr die nackte Halbfigur des Flussgottes Orontes. (Nach-
ahmung eines Werkes aus der Diadochenzeit.) Hier endlich ist vor
Allem ein schönes lebendes Wesen dargestellt und die geographische
Symbolik untergeordnet. In Antiochien, wo das Urbild stand, wusste
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/462>, abgerufen am 18.12.2024.
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