Bekanntlich nahmen, wenigstens in Sparta, auch die Mädchen an gewissen Wettkämpfen Theil, und es ist zu glauben, dass sich die Sculptur die darstellbaren Motive nicht entgehen liess, welche dabei zum Vorschein kamen. Erhalten ist, wenigstens in guter alter Copie, eine zum Auslauf bereite Wettläuferin (im obern Gang des Vaticans);a eine graziöse, nichts weniger als amazonenhafte Gestalt, in welcher das Jungfräuliche vortrefflich ausgedrückt ist. Die kurzgeschnittenen Stirnhaare gehörten zur Sache; auch die Büste ist so ausgeweitet wie der Wettlauf es erfordert, die Beine von einer fast scharfen Aus- bildung.
Überaus traurig ist der endliche Ausgang des Athletenbildens. Das kaiserliche Rom begeisterte sich nämlich so sehr für die Wagen- führer seiner Cirken und die Gladiatoren seiner Amphitheater, dass deren leibhafte Abbildungen mit Namensbeischrift Mode wurden. Die- ser Art sind schon die Mosaikfiguren aus den Caracallathermen inb einem obern Saale des Laterans und vollends die aus dem IV. Jahr-c hundert stammenden im Hauptsaal der Villa Borghese. Selbst an Sarcophagen (z. B. einem im ersten Gang der Uffizien) kommen Wa-d genführer mit Namen vor. Auch die alten Griechen waren von der persönlichen Darstellung bestimmter Athleten ausgegangen, allein sie hatten dieselbe auf eine allgemeine Höhe des Schönen gehoben und sie bald nur als vielgestaltige Äusserungen des Schönen dargestellt.
Es kann nicht befremden, dass die Statuen von hellenischen Kriegern bisweilen schwer von den Athletengestalten zu trennen sind. Über eine der berühmtesten Statuen des Alterthums, den bor- ghesischen Fechter (im Louvre), hat man sich lange Zeit nicht ganz einigen können, ob darin ein Ringkämpfer oder ein Krieger zu erkennen sei; die Stellung spricht für das letztere, die Formen des Körpers aber sind die der vollendetsten Athletik, wie sie kaum an einer andern Statue vorkommen. (Von einem römischen Gladiator kann gar nicht die Rede sein.)
Eine Anzahl von Statuen aber stellen ohne Zweifel wirkliche Krieger dar, mögen sie nun besonders gearbeitet sein oder irgend einer Schlachtgruppe angehört haben. Ersteres gilt wohl von dem
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Gladiatoren. Krieger.
Bekanntlich nahmen, wenigstens in Sparta, auch die Mädchen an gewissen Wettkämpfen Theil, und es ist zu glauben, dass sich die Sculptur die darstellbaren Motive nicht entgehen liess, welche dabei zum Vorschein kamen. Erhalten ist, wenigstens in guter alter Copie, eine zum Auslauf bereite Wettläuferin (im obern Gang des Vaticans);a eine graziöse, nichts weniger als amazonenhafte Gestalt, in welcher das Jungfräuliche vortrefflich ausgedrückt ist. Die kurzgeschnittenen Stirnhaare gehörten zur Sache; auch die Büste ist so ausgeweitet wie der Wettlauf es erfordert, die Beine von einer fast scharfen Aus- bildung.
Überaus traurig ist der endliche Ausgang des Athletenbildens. Das kaiserliche Rom begeisterte sich nämlich so sehr für die Wagen- führer seiner Cirken und die Gladiatoren seiner Amphitheater, dass deren leibhafte Abbildungen mit Namensbeischrift Mode wurden. Die- ser Art sind schon die Mosaikfiguren aus den Caracallathermen inb einem obern Saale des Laterans und vollends die aus dem IV. Jahr-c hundert stammenden im Hauptsaal der Villa Borghese. Selbst an Sarcophagen (z. B. einem im ersten Gang der Uffizien) kommen Wa-d genführer mit Namen vor. Auch die alten Griechen waren von der persönlichen Darstellung bestimmter Athleten ausgegangen, allein sie hatten dieselbe auf eine allgemeine Höhe des Schönen gehoben und sie bald nur als vielgestaltige Äusserungen des Schönen dargestellt.
Es kann nicht befremden, dass die Statuen von hellenischen Kriegern bisweilen schwer von den Athletengestalten zu trennen sind. Über eine der berühmtesten Statuen des Alterthums, den bor- ghesischen Fechter (im Louvre), hat man sich lange Zeit nicht ganz einigen können, ob darin ein Ringkämpfer oder ein Krieger zu erkennen sei; die Stellung spricht für das letztere, die Formen des Körpers aber sind die der vollendetsten Athletik, wie sie kaum an einer andern Statue vorkommen. (Von einem römischen Gladiator kann gar nicht die Rede sein.)
Eine Anzahl von Statuen aber stellen ohne Zweifel wirkliche Krieger dar, mögen sie nun besonders gearbeitet sein oder irgend einer Schlachtgruppe angehört haben. Ersteres gilt wohl von dem
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Gladiatoren. Krieger.
Bekanntlich nahmen, wenigstens in Sparta, auch die Mädchen an
gewissen Wettkämpfen Theil, und es ist zu glauben, dass sich die
Sculptur die darstellbaren Motive nicht entgehen liess, welche dabei
zum Vorschein kamen. Erhalten ist, wenigstens in guter alter Copie,
eine zum Auslauf bereite Wettläuferin (im obern Gang des Vaticans);
eine graziöse, nichts weniger als amazonenhafte Gestalt, in welcher
das Jungfräuliche vortrefflich ausgedrückt ist. Die kurzgeschnittenen
Stirnhaare gehörten zur Sache; auch die Büste ist so ausgeweitet wie
der Wettlauf es erfordert, die Beine von einer fast scharfen Aus-
bildung.
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Überaus traurig ist der endliche Ausgang des Athletenbildens.
Das kaiserliche Rom begeisterte sich nämlich so sehr für die Wagen-
führer seiner Cirken und die Gladiatoren seiner Amphitheater, dass
deren leibhafte Abbildungen mit Namensbeischrift Mode wurden. Die-
ser Art sind schon die Mosaikfiguren aus den Caracallathermen in
einem obern Saale des Laterans und vollends die aus dem IV. Jahr-
hundert stammenden im Hauptsaal der Villa Borghese. Selbst an
Sarcophagen (z. B. einem im ersten Gang der Uffizien) kommen Wa-
genführer mit Namen vor. Auch die alten Griechen waren von der
persönlichen Darstellung bestimmter Athleten ausgegangen, allein sie
hatten dieselbe auf eine allgemeine Höhe des Schönen gehoben und
sie bald nur als vielgestaltige Äusserungen des Schönen dargestellt.
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Kriegern bisweilen schwer von den Athletengestalten zu trennen
sind. Über eine der berühmtesten Statuen des Alterthums, den bor-
ghesischen Fechter (im Louvre), hat man sich lange Zeit nicht
ganz einigen können, ob darin ein Ringkämpfer oder ein Krieger zu
erkennen sei; die Stellung spricht für das letztere, die Formen des
Körpers aber sind die der vollendetsten Athletik, wie sie kaum an
einer andern Statue vorkommen. (Von einem römischen Gladiator
kann gar nicht die Rede sein.)
Eine Anzahl von Statuen aber stellen ohne Zweifel wirkliche
Krieger dar, mögen sie nun besonders gearbeitet sein oder irgend
einer Schlachtgruppe angehört haben. Ersteres gilt wohl von dem
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/457>, abgerufen am 18.12.2024.
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